Cogentco & Co

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18645
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(07):215-216

Publiziert am 11.02.2020

Cogentco & Co

Wie ein US-Unternehmen die Swisscom sanktioniert und auf meine Arztpraxis IT-Einfluss nimmt

Ich führe seit 2003 eine voll digitalisierte Grosspraxis, seit 2009 als Netzwerk mit 13 Standorten in fünf Kantonen. Alle Daten via PC, Kabel und auf eigenem Server im ehemaligen Roche Forschungszentrum, möglichst nichts in der Cloud.
In der Vorweihnachtszeit 2019 gibt es zunehmend Probleme mit der IT-Performance, ab 15 Uhr verzeichnen wir zunehmend lang­samere ­Systemleistung bis hin zu Verbin­dungsab­brüchen und der Unmöglichkeit, sich wieder einzuloggen. Wir versuchen das Pro­blem zu lokalisieren, haben in diesem Zuge Speicher und Arbeitsspeicher auf dem System massiv erhöht und alle unsere Server einem ständigen Monitoring unterstellt. Alle anderen ­Projekte wurden liegen gelassen, um die volle Aufmerksamkeit auf die Lösung resp. die ­Lokalisierung des Problems zu fokussieren. Tatsache ist, der Server läuft fast nie über einer 50%-Auslastung und niemals über 80%. Das heisst, der Server ist tipptopp und nicht das Problem!
Nach langem Suchen haben wir die Nadel im Heuhaufen gefunden. Das Problem liegt auf dem Weg zu unserem Server: Bildlich gesprochen baut ein jeder unserer Computer die Verbindung zum Server mittels 5 bis 11 Knotenpunkten auf. Diese sind vergleichbar mit Strassen, auf denen Datenpakete zu ihrem Ziel fahren. Immer wieder kommen Kreuzungen, welche zu Strassen anderer «Strassen­arbeiter» führen. Dieses Sammelsurium an Anbietern auf dem Weg zum Ziel (in diesem Fall zu unserem Server) macht die Lokali­sierung eines Problems a) schwierig und undurch­sichtig, b) Problemlösungen sehr aufwendig und c) eine ­reibungslose Zusammen­arbeit der Anbieter unabdingbar.
Und genau hier liegt das Problem: Auf unserem Weg zum Server arbeitet Swisscom mit der deutschen Telekom und diese wiederum mit dem US-Unternehmen Cogentco zusammen. Cogentco ist einer der grössten Netz­anbieter weltweit und schliesst mit grossen lokalen Netzanbietern (die Swisscom gehört nicht dazu, da zu klein) sogenannte Peer2Peer-Verträge ab, welche vereinfacht das «Tauschgeschäft an Datentransfer» regeln. Ziel in solchen Verträgen ist ein ausgewogenes Verhältnis von «Nehmen» und «Geben». Da die Swisscom auf dem globalen Markt ein Zwerg und unbedeutend ist, muss sie sich an einen Anbieter anschliessen, der Peer2Peer-Verträge mit den globalen Playern abschlies­sen kann. Dies hat sie bei der deutschen Telekom getan. Nun hat die deutsche Telekom jedoch in der Vergangenheit von Cogentco mehr bezogen als gegeben und wird nun von Cogentco sanktioniert. Dies immer dann, wenn in den USA die Leistung gebraucht wird (unserer Zeit von 15 Uhr bis weit in die Nacht hinein). Daher stammt unser Tagesprofil des Leistungsabfalls. Auch rührt daher das Phänomen, dass der Leistungsabfall vorwiegend bei Verbindung über einen Swisscom-Anschluss zu verzeichnen ist. An Standorten mit UPC-Anschluss ist der Abfall weitaus geringer.
Die Lösung: Wir haben sowohl bei der Swisscom (diese muss dann ihrerseits bei der deutschen Telekom intervenieren) als auch bei Cogentco einen Servicefall eröffnet. Führt dies nicht in Kürze (1–2 Tage) zu einer Besserung, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns von der Swisscom zu lösen. Am Freitag, 24.1.2020, 12 Uhr wurde die Zuleitung des Datenzen­trums, in welchem unser Server steht, geändert, d.h., unser Zugang läuft nun nicht mehr über die deutsche Telekom und das US-Unternehmen Cogentco, sondern hat eine neue Route zugewiesen bekommen. Seither haben wir keine Kenntnis mehr von langsamen Verbindungen und gehen davon aus, dass das Problem gelöst wurde. Selbstverständlich sind wir noch wachsam und beobachten die Performance konstant.
Der ganze Sachverhalt ist neben der Komplexität auch im höchsten Masse beängstigend. Man vergegenwärtige sich die Abhängigkeit einer Arztpraxis, eines E-Heath-Dossiers und unseres täglichen Lebens von funktionierenden Datenleitungen, unter Einbezug der Tatsache, dass ein US-Unternehmen bereits heute derartigen Einfluss auf unser Netz hat.