Was soll der Zauber?

FMH
Ausgabe
2020/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18679
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(08):241

Affiliations
Dr. med., Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

Publiziert am 19.02.2020

Im Bericht zur Plenarversammlung des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung, welcher unter dem Titel «10 Jahre Bildungsqualität» in dieser Nummer der Ärztezeitung erscheint, ist die Rede von einer Prise Magie. Als Jubiläumsattraktion vergnügte und verblüffte nämlich ein Mentalmagier die Anwesenden mit seinen Zauberstücken und gewährte einen allerdings beschränkten Einblick in die Geheimnisse seiner Kunst.
Was soll solcher Zauber? Zunächst einmal soll er natürlich einfach unterhalten und den Ablauf einer ganz­tägigen, ordentlich strapaziösen Versammlung etwas auflockern. Dann aber können speziell auch wir Ärzte von einem Mentalmagier einiges lernen. In seinem ­Referat hat er unter dem Titel «magic leadership» beschrieben, wie aufmerksam und wie total präsent er seinen «Bezauberten» gegenübertreten muss. Eines seiner Kunststücke besteht zum Beispiel darin, die Zahl herauszufinden, welche ein Zuschauer gewürfelt und sich gemerkt hat. Dieser muss die Würfelzahlen von eins bis sechs ruhig aufsagen, und für den Magier gilt es nun, jede versteckte oder unwillkürliche Regung des Sprechenden zu beobachten und sich mit allen Sinnen auf ihn zu konzentrieren, um die Zahl erraten zu können. Mit diesem fokussierten Hinhören und Hinsehen gibt der Zauberer uns auch ein Beispiel für das ärztliche Gespräch.
Ein weiterer Bestandteil des Gelingens von Zauberkunststücken ist das Spielen mit der Aufmerksamkeit der Anwesenden: «Gezaubert» wird genau dann blitzschnell, wenn der Zauberer die Zuschauer dazu gebracht hat, an etwas anderes zu denken oder nicht dorthin zu schauen, wo die Münze verschwindet oder die Spielkarte erscheint. Auch das bedingt eine hohe Schule der verbalen und nonverbalen Kommunikation.
Was soll der Zauber? Etwas Frustration bleibt schon zurück. Man sollte doch als kritisch beobachtender Zuschauer zumindest ansatzweise hinter den einen oder anderen Trick kommen – denkt man. Wenn der Magier schliesslich scheinbar mühelos und ohne Kreuzverhör eine Stadt errät, welche sich ein Anwesender gemerkt und aufgeschrieben hat, kriegt das rationale Welt­verständnis plötzlich kleine Risse. In diesem Stadium ist man geneigt, zumindest an einen Hauch Magie zu glauben, und dann ist es nicht mehr weit, sich zu wünschen, ihrer bei Bedarf auch mächtig zu sein. Es mag ja sein, dass hie und da der Arzt den Patientinnen und ­Patienten fast wie ein Magier erscheint, wenn sie aus der kaum wahrgenommenen Narkose erwachen und ein hoffentlich heilender Eingriff schon vorbei ist.
Leider aber gibt es bei der Arbeit, im privaten und im öffentlichen Leben, speziell auch im Gesundheits­wesen, immer wieder verfahrene Situationen und schwer lösbare Probleme, bei denen man nach langen Bemühungen wirklich den Eindruck bekommt, dass einzig noch ein Zauberstab imstande wäre, den Anstoss zu einem glücklichen Ende zu geben.
So wäre zumindest ein bisschen Zauberei gewiss hilfreich bei der Schaffung eines Vertragstarifs TARDOC, bei der Einführung eines elektronischen Patienten­dossiers und bei der einvernehmlichen Einigung über die Strukturierung der Zusammenarbeit zwischen Psychiatern und Psychologen oder zwischen Ärzten und Pflegenden. Hochwillkommen wäre auch der Magier, der in den Spitälern und medizinischen Zentren trotz den Zwängen der Produktivität und Wirtschaftlichkeit reichlich Zeit für die ärztliche Bildung herbeizaubern könnte.
Was also soll der Zauber? Wir wüssten es schon, wenn es ihn denn gäbe.