Rechte von Jugendlichen, Kindern und Ungeborenen

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18721
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(11):370

Publiziert am 10.03.2020

Rechte von Jugendlichen, Kindern und Ungeborenen

In seiner Kolumne «Zukünftige Generationen und ihre Interessen vertreten» trifft Jean Martin einmal mehr den Nagel auf den Kopf: Die Interessen der künftigen Generationen sind in der Gesellschaft, auch in den Parlamenten, kaum oder gar nicht vertreten.
Ich hatte die Gelegenheit, in Renens den Freispruch der gewaltlosen Aktivistinnen und Aktivisten mitzuerleben, die in einem CS-Schalterraum Tennis gespielt hatten. Der Freispruch ist, obschon in der Juristen-Fachwelt teilweise heftig kritisiert, aus meiner Sicht absolut berechtigt: Die Bundesverfassung (Art. 7, 10, 11, 74, sehr lesenswert) garantiert die Rechte der intakten Umwelt und der Jugend, der Würde und des Lebens. Diese Rechte sind schwerst gefährdet, bereits heute sterben Hunderttausende wegen des Klimas, und es wird Millionen bis Milliarden von Menschen treffen, auch unsere Enkelkinder. Dies ist ein unendlich höheres Rechtsgut als die geringe, auch von Zeugen als nicht bedrohlich erlebte Störung des Privateigentums der Bank. Die Verhältnismässigkeit war somit gegeben, mildere Massnahmen waren nachweislich gescheitert resp. nicht anwendbar.
Wenn sich einige Politikerinnen oder Juristen wegen des Urteils Sorgen machen («wo käme man denn hin?», «da könnte ja jeder», «Ende des Privateigentums» ...), so gibt es genau ein Mittel dagegen: Der Staat muss endlich etwas Tapferes tun gegen diese brandgefährliche Klimakrise!
Und: Diese Fragen der Rechtsanwendung sind nicht eine alleinige Angelegenheit der Juristinnen und Juristen, genauso wenig wie die Massnahmen am Lebensende eine alleinige Sache der Ärztinnen und Ärzte sind.
Anlässlich der Rückreise von Renens ist mir einmal mehr bewusstgeworden, dass der Staat die Interessen der Unmündigen und Ungeborenen – trotz des erfreulichen Urteils diese­s einen Bezirksgerichts – kaum wahrnimmt, dass Aktivisten und ihre Anwälte dafür einspringen müssen. Analog zum Vorschlag von Jean Martin schlage ich deshalb vor, diese Rechte auch in der Judikative professionell vertreten zu lassen: Es braucht dringend eine Staatsanwaltschaft für die Rechte von Jugendlichen, Kindern und Ungeborenen.