Notfallmedizinische Basisausbildung soll vermehrt in das Schweizer Medizinstudium integriert werden

Dienstarztkurs SGNOR mit mehr «Profil»

FMH
Ausgabe
2020/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18818
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(14):491-492

Affiliations
a Prof. Dr. med., SGAR-Vertreter Plattform Rettungswesen FMH, Präsident; b Dr. med., SGAIM-Vertreter Plattform Rettungswesen FMH;
c Prof. Dr. med., MME, Director Medical Education Unit, Universität Fribourg; d Geschäftsführerin SGNOR, Vorsitzende DAK-Faculty

Publiziert am 31.03.2020

Die Plattform Rettungswesen der FMH (PRFMH) setzt sich seit 1995 für eine flächendeckende, interdisziplinäre und integrierende Notfallversorgung in unserem Land ein. Neben den spezifischen Berufsgruppen des professionellen Rettungsdienstes sollen alle Ärztinnen und Ärzte, insbesondere aber die niedergelassenen Grundversorgenden*, im Erkennen schwerer und lebensbedrohlicher Notfälle und deren initialem Management ausgebildet sein [1, 2].
Für Grundversorgende bietet die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR) den 4-tägigen Grundkurs für präklinische Notfallmedizin (Dienstarztkurs – DAK) und im Anschluss daran geeignete Refreshermodule an. In Zusammenarbeit mit der PRFMH hat die DAK-Faculty gerade den Vorschlag für die Notfallausrüstung des Dienstarztes ­aktualisiert und publiziert [3].
Die Medizinische Fakultät Basel der Universität Basel hatte vor mehr als 15 Jahren die notfallmedizinische Ausbildung der Medizinstudierenden als wichtiges Element in der Basisausbildung schweizerischer Ärztinnen und Ärzte definiert. Aus unterschiedlichen bereits vorhandenen Unterrichtsangeboten wurde das longitudinale Curriculum Notfallmedizin aufgebaut und auf fakultärer Ebene etabliert.
Angehende Ärztinnen und Ärzte sollen lernen, lebensbedrohliche Situationen initial zu versorgen sowie deren adäquate Weiterbehandlung zu organisieren.
Von Beginn an war der Rahmenlehrplan für den DAK (SGNOR) ein zentraler Bezugspunkt für diese Basisausbildung. Die Überlegung war, nicht erst fortgeschrittene, postgraduierte Kolleginnen und Kollegen kurz vor ihrer Niederlassung, sondern bereits früh alle ­Medizinstudierende in einer praxisorientierten Ausbildung mit diesem Basiswissen zur zukünftigen ­Praxistätigkeit unabhängig von der eingeschlagenen Fachrichtung zu konfrontieren. Damit sollte zum einen die Bemühung der notfallmedizinischen Fachgesellschaft um eine einheitliche Vermittlung relevanter Kompetenzen in der ärztlichen Erstversorgung medizinischer Notfälle gewürdigt werden. Zum anderen erschien es wünschenswert, dass die Studierenden, die das Curriculum absolviert hatten, am Ende ihres Stu­diums eine Äquivalenzbescheinigung des DAK-Grundkurses erhielten.
Nicht zuletzt wurde als wichtig erachtet, dass nicht nur niedergelassene Grundversorgende, sondern alle Schweizer Ärztinnen und Ärzte nach ihrem Studium in der Lage sein sollten, lebensbedrohliche Notfall­situationen zu erkennen, initial kompetent und strukturiert zu versorgen und deren adäquate Weiter­behandlung zu organisieren.
Aus diesen Überlegungen war der Antrag der Medizi­nischen Fakultät der Universität Basel gestellt worden, das longitudinale Curriculum Notfallmedizin mit ­einem DAK-Äquivalenzausweis anzuerkennen. Die PRFMH überprüfte die Inhalte des Curriculums auf ihre Übereinstimmung mit den Inhalten und Lernzielen des DAK. Ausserdem sollte sichergestellt sein, dass die praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Form geeigneter Szenarien DAK-konform vermittelt wurden. Im Jahr 2015 erfolgte die erste Visitation und Akkreditierung des Programms; eine Re-Evaluierung wurde jetzt durchgeführt und der Universität Basel die Re-Akkreditierung erteilt.
Aus der Sicht des Visitationsteams und der PRFMH ­bietet das longitudinale Curriculum Notfallmedizin Unibas eine innovative Ausbildung für Medizinstudierende in der Schweiz und ist eine langfristige Stärkung der Notfallmedizin.
Inhaltlich ist der DAK umfänglich abgebildet. Der zusätzliche und über den DAK hinausgehende Wissensstoff wird mit diesem gut vernetzt; Rekapitulation ­findet geschickt auf Ebenen zunehmender Komplexität statt, und der Stoffkatalog wirkt trotz seiner interdisziplinären Struktur recht homogen.
Das Visitationsteam begrüsst ausdrücklich die weiterhin interdisziplinäre Struktur des longitudinalen Curriculums; namentlich die prominente Beteiligung der Hausarztmedizin entspricht der verbindenden und fachübergreifenden Idee der Notfallmedizin, wie sie auch von der FMH unterstützt wird. Die Beteiligung der Spezialdisziplinen erweitert das fachliche Spek­trum; gleichzeitig wird unter der Supervision von präklinischer und klinischer Notfallmedizin durch den Stoff- und Lernzielkatalog die Überfrachtung mit fachspezifischem Detailwissen limitiert.
Besonders erfreulich ist, dass offensichtlich mit «PROFILES» (Principal Relevant Objectives and Framework for Integrated Learning and Education in Switzerland [4]) der Schweizerischen Medizinischen Interfakultätskommission (SMIFK) eine Referenz für die medizinische Aubildung definiert worden ist, die mit ihrer «Entrustable Professional Activity» (EPA) Nr. 6 genau das Ziel des bisher bestehenden DAK beschreibt: «Emergency situations that any resident can auto­nomously and trustworthily manage within the first 30 minutes, i.e. assess the patient’s state, order and interpret tests, initiate procedures and treatment.» Es ist gut und hoffentlich bald selbstverständlich, dass alle Absolventinnen und Absolventen unserer Medizi­nischen Fakultäten über diese Kompetenz verfügen. Das longitudinale Curriculum deckt unseres Erachtens die definierten Situationen umfänglich ab.
Für die Sicherstellung der Weiterentwicklung, insbesondere in Bezug auf Guideline-Wechsel, neue Therapiekonzepte oder Skills, ist ein enger Kontakt zwischen Medizinischer Fakultät und DAK-Faculty eine Voraussetzung. Wechselseitig ist die Initiative der SMIFK insofern auch eine Chance für die Zukunft des DAK und seiner Faculty (Implementierung der PROFILES). Eine Ausweitung des Curriculums auf andere medizinische Fakultäten erscheint zukunftsorientiert und wird derzeit von der ETH für den Bereich der neuen Fakultäten ETH/USI vorbereitet.
Prof. Dr. med. Wolfgang Ummenhofer
Plattform Rettungswesen FMH
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