Telemedizin im Zeitalter von Covid-19

FMH
Ausgabe
2020/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18831
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(14):484

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortliche Digitalisierung / eHealth

Publiziert am 31.03.2020

Der Einsatz von Telemedizin während einer Pandemie oder grundsätzlich im Katastrophenfall ist kein neuer Gedanke. 1996 hat das US-Verteidigungsministerium ein satellitengestütztes Netzwerk für die in Bosnien stationierten Soldaten errichtet. Diese Aktion hatte zum Ziel, Echtzeit-Kommunikation zwischen Militärärzten sicherzustellen [1]. Während sich das Interesse an der Telemedizin in der Vergangenheit eher auf ländliche Gebiete konzentriert hat, steht heute weniger die Geographie im Vordergrund als vielmehr die Erbringung von medizinischen Leistungen in komplexen medizinischen Situationen unter Einbezug von interdisziplinären Teams [2].
Mit der Covid-19-Pandemie ist die Nachfrage nach telemedizinischen Angeboten für Ärztinnen und Ärzte stark gestiegen. Gefragt werden nicht nur Systeme zur videogestützten Konsultation, sondern auch Systeme für die Triage («forward triage») von Patientinnen und Patienten, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Es verwundert daher nicht, dass sich nach Verschärfung der Corona-Krise die grossen Telemedizindienstleister positioniert haben, so zum Beispiel der grosse amerikanische Anbieter Teladoc mit der Übernahme des französischen Anbieters MédecinDirect.
Viele Länder haben bereits mit Massnahmen reagiert, um den Einsatz der telemedizinischen Konsultation zu erleichtern. Bereits Anfang März hat der US-Kongress zusätzliche Mittel für die Eindämmung der Covid-19-­Pandemie gesprochen und es insbesondere Ärztinnen und Ärzten sowie anderen Gesundheitsfachpersonen ermöglicht, für die telemedizinische Konsultation von Covid-19-Patienten eine Gebühr in Rechnung zu stellen. Ausgerechnet die Schweiz als einstiges Pionierland für Telemedizin hinkt hinterher: Derzeit gibt es im ambulanten Tarifwerk TARMED lediglich die Tarifposition «Telefonische Konsultation durch den Facharzt», anhand deren telemedizinische Leistungen abgerechnet werden können. Jedoch begrenzen leider die Limitationen der Tarifposition den Einsatz von telemedi­zinischen Konsultationen. Wir stehen in Kontakt mit dem BAG, um im Pandemiefall um Covid-19 hier befristet eine Ausnahmeregelung zu finden.
Zur Vorbereitung auf das schlimmste Szenario einer Pandemie, bei der Pflegende oder Ärztinnen und Ärzte unter Quarantäne gestellt werden müssen, wurden im amerikanischen Gesundheitssystem Jefferson Health telemedizinische Visiten implementiert, so dass die Versorgung von nicht exponierten Patientinnen und Patienten weiterhin gewährleistet ist [3]. Bei Visiten, welche per Videokonferenz durchgeführt werden, können sowohl Patienten wie auch Ärztinnen und Ärzte zu Hause bleiben, wodurch Reisen und eine Exposition gegenüber möglichen Krankheitserregern stark eingeschränkt werden. Zudem ist so eine ununterbrochene Betreuung der Patienten möglich. Um Ärztinnen und Ärzten hierzulande diese Möglichkeit zu bieten, stellen FMH und Health Info Net AG (HIN) ab sofort eine kosten­freie, sichere und einfache Möglichkeit zur Verfügung, Videokonferenzen durchzuführen1.
Neben Logistik, Personal und Finanzierung müssen für eine angemessene Anwendung der Telemedizin zusätz­liche Themen adressiert werden. Meldestellen für Datenschutz und Datensicherheit verzeichnen in den letzten Wochen eine starke Zunahme neuer Betrugsmethoden wie des «Provider scam». Richtlinien für Datenschutz und Datensicherheit müssen auch in einem Krisenfall strikt eingehalten werden. Ebenso wichtig ist, dass eine sorgfältige telemedizinische Behandlung nach gültigen medizinischen Standards möglich und sichergestellt ist. All dies benötigt durchdachtes Handeln und sorgfältige Vorbereitung: Telemedizinische Programme können nicht über Nacht entstehen.

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