Ernährung in der Spitalmedizin

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/1920
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.18905
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(1920):640-641

Publiziert am 06.05.2020

Ernährung in der Spitalmedizin

Stellungnahme der berufspolitisch interessierten Gruppierung von Ernährungsberater*Innen SVDE der Region Zürich

Dass das Thema Ernährung vermehrt in den Fokus der ärztlichen Wahrnehmung und Behandlung rückt, freut uns sehr. Da die Therapie der Mangelernährung einen integralen Anteil unserer Arbeit darstellt, möchten wir als Ernährungsberaterinnen SVDE die Diskussion zum Artikel «Ernährung in der Spitalmedizin» mit unseren Überlegungen ergänzen.
Die zusammenfassenden Forderungen der Autoren nach ganzheitlicher Behandlung, kritischer Betrachtung, Integration neuer medizinischer Evidenz und einer bedürfnisorientierten, sinnvollen und nicht primär ökonomisch orientierten Medizin befürworten wir sehr: den Patienten als Menschen wahrnehmen, die Behandlung seinen Ressourcen anpassen und Grundbedürfnisse wie Ernährung, Bewegung und Zuwendung beachten.
Obwohl heute allgemein bekannt ist, dass Mangelernährung die Morbidität und Mortalität unserer Patienten erhöht und deren Lebens­qualität erheblich reduziert, wird Man­gel­ernährung im klinischen Alltag trotz einer Prävalenz von 20–50% selten erfasst. Vor diesem Hintergrund erscheint uns die Forderung, die Therapie der Mangelernährung durch die Internisten durchzuführen, aus zeitlichen und fachlichen Gründen als unrealistisch. Essentiell ist jedoch, dass Mangel­ernährung durch den behandelnden Arzt erkannt und diagnostiziert wird.
Die Therapie der Mangelernährung und anderer Ernährungsprobleme kann an die Ernährungsberaterinnen delegiert werden: Als ­Spezialistinnen für Ernährungsfragen führen sie im Rahmen des international standardisierten «nutrition care process» (NCP) eine ­gezielte Therapie durch: Assessment, Ernährungsdiagnose, situativ-individuelle Inter­ventionen, Monitoring.
Die Autoren des Artikels «Ernährung in der Spitalmedizin» greifen auch die wichtige Frage der Evidenz der Ernährungstherapie bei Mangelernährung auf, erwähnen dabei die Effort-­Studie und die Behandlungserfolge bei internistischen Patienten. Auch aus anderen Bereichen der Medizin (z.B. Onkologie, Chirurgie) wissen wir, dass Mangelernährung negative Auswirkungen auf die Behandlung hat und durch eine Ernährungstherapie positive Effekte erzielt werden können.
Ein nutritional Screening – und bei Bedarf eine individuelle Ernährungstherapie – wird daher in zahlreichen Guidelines empfohlen und sollte keine Änderung der gängigen Praxis darstellen.
Erfreulich ist, dass Ernährungsmassnahmen auch ökonomisch sinnvoll sind. Das BAG konnte aufzeigen, dass Mangelernährung zwar erhebliche Kosten verursacht, diese sich aber durch eine gezielte Behandlung deutlich reduzieren lassen. Eine Codierung der Man-gel­ernährung ist deshalb auch im SwissDRG vorgesehen: Die Erlöse liegen über den Behandlungskosten und leisten einen Beitrag zur Kostendeckung der oft multimorbiden mangelernährten Patienten.
Um den vielschichtigen Bedürfnissen und komplexen medizinischen Problemen unserer polymorbiden Patienten gerecht zu werden, braucht es ein interdisziplinäres Team bestehend aus situativ zugezogenen Therapeutinnen und Spezialistinnen. Diese unterstützen und entlasten das ärztliche und pflegerische Kernteam und therapieren die Patienten fachkompetent und individuell.
Durch einen ärztlichen Schwerpunkt in klinischer Ernährung werden die Sensibilität für die Wichtigkeit der Ernährung verbessert und die Umsetzung des ernährungstherapeutischen Prozesses gefördert.
Die Literaturliste ist auf Anfrage bei den Autorinnen erhältlich.