Wir leben gegenwärtig in einer schweren Zeit. Menschen sterben, leiden und haben Angst. Aber wollen wir deshalb unsere grundlegenden Freiheiten, zu arbeiten, uns frei zu bewegen, Freunde zu treffen, unsere Meinung kundtun zu dürfen unter Mitmenschen, verlieren? Für uns ist der Gedanke gewohnt, wenn auch sehr schmerzhaft, dass täglich im Strassenverkehr Menschen verletzt werden und sogar sterben, weil sie zur Schule, zur Arbeit gehen oder für ihre Bedürfnisse unterwegs sind. Schon unsere Vorfahren haben erkannt, dass dies ein schrecklicher, aber unabdingbarer Preis für unsere Grundfreiheiten ist. Was wir auch wissen, ist, dass die Gefahr, an Corona zu sterben, für gesunde Menschen viel kleiner ist, als im Strassenverkehr zu sterben. Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, und wir wollen unsere alten Mitmenschen, die bereit sind, auf sämtliche gesellschaftlichen Kontakte zu verzichten, und sich in ihr privates Gefängnis zurückziehen, unterstützen durch Versorgungsangebote. Aber wir freuen uns auch über all jene alten Menschen, für die Leben nicht einfach bedeutet: nicht sterben! Ich habe mich mit Spezialisten für das Sterben unterhalten und bin aufgeklärt worden, dass jeder Mensch sterben muss. Alte Menschen haben das Glück, nicht jung sterben zu müssen. Aber die meisten Menschen brauchen auf ihrem Weg bis zum Tod in den letzten Tagen etwas Morphium, um Leiden zu lindern. Das Sterben an Corona kann gut gelindert werden, wenn es nicht auf der Intensivstation künstlich verlängert wird. Morphium verliert erst nach langer Zeit an Wirkung. Wer also das Glück hat, an Corona zu sterben, kann auf die volle Wirkung der lindernden Medizin zählen. Wenn ein betagter Mensch nicht das Glück hat, an Corona zu sterben, warten auf ihn Sterbemöglichkeiten, die deutlich weniger attraktiv sind. Unsere bisherigen Zahlen zeigen zudem, dass Corona ohne Lockdown absolut zu meistern ist, und wenn es knapp wird mit Beatmungsplätzen und Personal, dann nur weil wir Politiker in den letzten Jahren die Spitäler gezwungen haben, rentabel zu sein, und diese deshalb die superteuren Intensivstationen geschrumpft haben und wir nun zu wenig davon haben. Wir Politiker haben das also selber zu verantworten.»