Familiengespräche gehören zum Kerngeschäft

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19057
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(2728):850

Publiziert am 30.06.2020

Familiengespräche gehören zum Kerngeschäft

Ich danke Kollegin Najjar für ihren Bericht über die Veränderungen, die sie infolge COVID-19 im Unispital Genf erlebt hat. Die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen infolge der Verminderung der administrativen Belastung müssen unbedingt erhalten und ausgebaut werden. Das gilt für die Spitäler ebenso wie für die Arztpraxen. Wir haben nicht Medizin studiert, um unsere Patienten zu verwalten, sondern um sie zu behandeln und in ihrer Genesung oder im Umgang mit chronischen Krankheiten zu unterstützen.
Ich kann auch gut nachvollziehen, dass Gespräche mit Angehörigen (und sicher auch mit manchen Patienten) belastend sind, v.a. bei schweren Krankheiten und in schwierigen Situationen. Diese Gespräche müssen aber weiterhin stattfinden, denn Medizin bedeutet nicht einfach Behandlung einer Krankheit, von Verletzungen etc., sondern Betreuung eines bestimmten Menschen mit seiner Krankheit. Zu einem Patienten gehören immer auch seine Ängste, Sorgen und schwierigen Seiten, die ebenso ernst genommen werden müssen wie die Angehörigen. Damit das möglich ist, braucht es einerseits genügend Zeit. Sprechende Medizin kostet, und das muss auch vergütet werden.
Andererseits brauchen alle, die schwierige Patienten- oder Angehörigengespräche führen müssen, auch Unterstützung, damit sie das tun können, ohne ihre psychische Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Hier bieten Balintgruppen eine wichtige Unterstützung. In ihnen finden Ärztinnen, Pflegefachleute, Physiotherapeutinnen etc. Zeit und Raum, schwierige Beziehungen mit Patienten zu reflektieren. Sie können ihre Gefühle zulassen, ohne verurteilt zu werden, und im Austausch mit der Gruppe neue Sichtweisen gewinnen, die oft aus einer Sackgasse herausführen. Unter http://www.balint.ch/seiten_de/balint_gruppen.html finden Interessierte eine Übersicht von Gruppen mit qualifizierten Leitern. Die Teilnahme an Balintgruppen ermöglicht eine bessere ganzheitliche Betreuung der Patienten und eine Burn-out-Prophylaxe für die Teilnehmer.