Die Praxis der Zukunft?

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/3132
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19095
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(3132):934

Publiziert am 28.07.2020

Die Praxis der Zukunft?

Der Beitrag mag die Kriterien der Wissenschaftlichkeit erfüllen, wirkt aber wie die Anleitung einer Wertschöpfungskette industrieller Güter, die sich an Produktemanager mit dem Ziel einer Low Cost Automation richtet. Ausdrücke wie Optimierungspotential, Effizienzsteigerung, Workflow, Belastungsspitzen, Verschwendungsarten etc. in Ehren, nur geht es in einer Hausarztpraxis nicht um die Produktion von DIN-genormten Schrauben oder Kartoffelchips, sondern um die Betreuung der Spezies Mensch unterschiedlichster Couleur.
Der/die Patient/-in erwartet nicht eine voll­optimierte, maximal auf Effizienz getrimmte, perfekt mit Organigrammen strukturierte sowi­e durchdigitialisierte Praxis, in der alles und jedes protokolliert, überwacht, zertifiziert und dokumentiert wird. Nein, im Gegenteil, weniger ist oft mehr. Es darf menschlich zugehen. Die eigene Persönlichkeit soll spürbar sein. Es dürfen Fehler passieren, es darf Zeit für einen ineffizienten Schwatz geben, Dampf ablassen soll erlaubt sein. Auch das ­gehört zur Burnoutprophylaxe. Verbale und nonverbale Kommunikation sowie ein authentisches Praxisklima geprägt von gegenseitiger Wertschätzung sind matchentscheidend, nicht die aktuellste IT-Solution, nicht die volle Automatisierung und auch nicht die neusten Point-of-Care-Gerätschaften. Dass in Spitälern Lean Management angekommen ist, mag ja sein. Nur wurde von dort weder von der Pflege noch von der Ärzteschaft ein signifikanter Stressabbau vermeldet.