Intermediate Care Units

Vielfältige Stationen mit Zukunft

Tribüne
Ausgabe
2020/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19113
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(40):1281-1282

Affiliations
a Dr. med., Präsidentin KAIMC, Kantonsspital Baden; b Prof. Dr. med., Vizepräsident KAIMC, Inselspital Bern; c Präsidiumsmitglied Fachpflege KAIMC, Inselspital Bern; d Generalsekretariat SGI, IMK AG, Basel

Publiziert am 29.09.2020

Am 24. Januar 2020 fand im Berner Inselspital das erste Swiss Intermediate Care Symposium statt. Im Zentrum dieser eintägigen Veranstaltung standen neben der Diversität der Intermediate Care Units etwa die frisch überarbeiteten Richtlinien, mit denen diese Stationen in der Schweiz anerkannt werden, ethische Herausforderungen und Fragen zur Leistungsabrechnung.
Am ersten Intermediate Care Symposium der Schweiz wurden unter anderem die überarbeiteten Richtlinien für Überwachungsstationen diskutiert.
Das erste Swiss Intermediate Care Symposium wurde von der Kommission für die Anerkennung von Intermediate Care Units (KAIMC) organisiert – einem interdisziplinären Gremium, das aus gut 30 Vertreterinnen und Vertretern von neun medizinischen Fachgesellschaften besteht. Knapp 300 Personen besuchten an diesem Tag Vorträge zu diversen Aspekten der Intermediate Care (IMC) oder nahmen an den Workshops zu Themen wie EKG oder nicht-invasiver Beatmung teil. Ein grosser Erfolg, der auch für die Relevanz und Bedeutung dieser Stationen in der schweizerischen Gesundheitsversorgung spricht, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten der COVID-19-Pandemie nochmals zusätzlich manifestiert hat. Denn zusammen mit den Intensiv­stationen waren und sind die IMC-Units die wohl am stärksten geforderten Stationen der hiesigen Spitäler.

Überarbeitete Richtlinien

Seit 2016 besucht und anerkennt die KAIMC in Spitälern der ganzen Schweiz IMC-Units auf Basis von Richtlinien, die Anfang 2014 in Kraft getreten sind. Alle fünf Jahre, so KAIMC-Vizepräsident Werner Z’Graggen aus Bern, werden die Richtlinien von der KAIMC und den darin vertretenen Fachgesellschaften überarbeitet und an aktuelle Entwicklungen in der Intermediate Care und der Medizin im Allgemeinen angepasst. Diesem Überarbeitungsintervall gemäss fand letztes Jahr eine erste Revision der Richtlinien statt. Die aktualisierten Richtlinien wurden im letzten Herbst von allen neun Fachgesellschaften genehmigt und sind nun seit ­Januar dieses Jahres gültig.
Die drei wichtigsten Änderungen der Richtlinien betreffen das Verfahren der Anerkennung, die Anpassung der Anzahl Pflegetage sowie die Weiterbildung des ärztlichen Leiters respektive der ärztlichen Leiterin. Zudem werden Personen, die eine Behandlung auf einer IMC-Unit benötigen, mit den neuen Richtlinien als «Risikopatienten, die an einem potentiell reversi­blen lebensbedrohlichen Zustand leiden», bezeichnet – eine solche Definition war bis anhin nicht vorhanden.

Vielseitig mit einer Gemeinsamkeit

Die ursprüngliche Erarbeitung und letztjährige Revision der Richtlinien war aufgrund der Verschiedenheit der IMC-Units in der Schweiz ein anspruchsvolles Unterfangen. Wie unterschiedlich diese Stationen hierzulande sein können, wird auch am Intermediate Care Symposium dank den praxisnahen Präsentationen der KAIMC-Mitglieder Roland Darms aus Basel, Mattia Arrigo aus Zürich, Emmanuel Carrera aus Genf und Juan Llor aus Sion, die jeweils die von ihnen geleiteten IMC-Units vorstellen, deutlich: Während gewisse IMC-Units interdisziplinär aufgestellt sind und alle Patientinnen und Patienten ihres Spitals behandeln, deren gesundheitlicher Zustand zwar keine intensivmedizinische Behandlung erfordert, die aber dennoch auf gewisse Weise gefährdet sind, spezialisieren sich andere ausschliesslich auf Patientinnen und Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern. Dass sie Patientinnen und Patienten mit einem eher kritischen Gesundheitszustand behandeln, ist allen IMC-Units gemeinsam. In Bezug auf andere Faktoren besteht jedoch eine hohe Heterogenität.

Patientenverfügungen: auch auf IMC-Units wichtig

Wie auf Intensivstationen spielen ethische Fragestellungen auch auf IMC-Units aufgrund der gefährdeten Patientinnen und Patienten eine wichtige Rolle. Bei praktisch allen ethischen Fragen, so Rouven Porz aus Bern, ist der mutmassliche Wille der Patientin oder des Patienten das Wichtigste. Patientenverfügungen spielen hier eine zentrale Rolle, weil Personen ­darin ihren Willen festhalten können für den Fall, dass sie urteilsunfähig werden sollten. Trotz dieser grossen Bedeutung der Patientenverfügungen verfügen selbst hochbetagte Personen kaum über solche, wie Martial Coutaz aus Sion erwähnt.
Obwohl die Frage nach dem mutmasslichen Willen ­einer Person selbst mit einer Patientenverfügung häufig nicht einfach zu klären ist, seien echte Dilemmata im klinischen Alltag selten, so Rouven Porz. Häufig sei es ein Mangel an Kommunikation innerhalb des Behandlungsteams, der zu vermeintlich ethischen Pro­blemstellungen führt. Es sei deshalb wichtig, eine offene Diskussionskultur zu fördern, die auch Kritik gegenüber Vorgesetzten und Teammitgliedern zulässt. Die Bergführerin, Helikopterpilotin, Spitzenbergsteigerin und Autorin Evelyne Binsack geht in ihrem Gastvortrag an dieser ersten Ausgabe des IMC-Symposiums ­sogar noch einen Schritt weiter: Sie empfiehlt, einen Plan für Kritik anzulegen, der konkret definiert, wie vorgegangen werden soll, wenn sie geäussert wird. Wie am Berg hat der richtige Umgang mit Kritik auch in der Klinik das Potenzial, Leben zu retten.

Qualitative und quantitative Analysen

Mit der fortschreitenden Etablierung der Intermediate Care in der Schweiz steigt die Bedeutung einer akkuraten Abrechnung der auf den IMC-Units erbrachten Leistungen. Wie Hans Ulrich Rothen von der Tarifkommission der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) betont, sei aktuell eine Anpassung der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) an die Gegebenheiten der Intermediate Care im Gange.
Weiter ist es wichtig, dass anerkannte IMC-Units hierzulande die Möglichkeit haben, eigene Strukturen und Prozesse fortlaufend und im Detail zu analysieren, ­damit Stärken, aber auch Schwächen erkannt werden können und so letztlich die Qualität in der Betreuung von Risikopatienten verbessert werden kann, wie Jolanda Contartese, Präsidentin der KAIMC aus Baden, in ihrem Beitrag am Symposium betont. In Zusammenarbeit mit der Kommission Datensatz der SGI wurde deshalb ein mit dem bereits vor 15 Jahren eingeführten ­Minimalen Datensatz der SGI (MDSi) abgeglichener ­Datensatz für die Intermediate Care, der sogenannte MDSimc, aufgebaut. Dieser MDSimc definiert und erfasst bestimmte Kennzahlen einer Intermediate Care Unit: Wie lange dauert der durchschnittliche Aufenthalt auf einer IMC-Unit? Wie viele Ärzte, Ärztinnen oder Pflegende sind pro Risikopatientin oder -patient im Einsatz? Wie hoch ist der Anteil an Patientinnen und Patienten, die zum wiederholten Male auf die IMC-Unit aufgenommen werden? Dies ist nur eine kleine Auswahl an Kennzahlen aus dem fortlaufend aktualisierten Datensatz, der im Verlauf dieses Jahres auf den IMC-Units implementiert wird. Die Erfassung des Datensatzes bildet den Anfang für qualitative und quantitative Analysen der IMC-Units in der Schweiz. Die Hoheit über die Daten, die allesamt anonymisiert erfasst werden, liegt bei den neun in der KAIMC vertretenen Fachgesellschaften.
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