Covid-19 – eine Berufskrankheit (mit Replik)

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2020/41
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19255
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(41):1304

Publiziert am 07.10.2020

Covid-19 – eine Berufskrankheit (mit Replik)

Der 34-jährige Augenarzt Li Wenliang orientierte seine Kollegen am 30.12.2019 über 7 SARS-Fälle im Wuhan Central Hospital, wo er arbeitete. Er wurde von der Regierung als Gerüchteverbreiter gemassregelt. Am 10.1.2020 erkrankte er selbst an Covid und starb am 6.2.2020. Rehabilitiert wurde er zum ersten Patienten mit einer anerkannten Berufskrankheit durch den Erreger der aktuellen Pandemie SARS-CoV-2.
Die Bevölkerung in Italien und Spanien hatte dem Pflegepersonal während Wochen demonstrativ gedankt. Wie viele dabei erkrankt sind, weiss man nicht.
Wie viele gibt es in der Schweiz? Gemäss Suva (August 2020) «kann es sich bei Coronavirus um eine Berufskrankheit handeln. Die An­erkennung als Berufskrankheit setzt voraus, dass in der beruflichen Tätigkeit ein viel höheres Risiko besteht, an Covid-19 zu erkranken, als beim Rest der Bevölkerung. Eine eher zufällige Kontamination am Arbeitsplatz reicht nicht aus. Jeder Fall ist eingehend zu prüfen. Ein massiv erhöhtes Risiko kann ge­geben sein, wenn Personal in Spitälern, Laboratorien und dergleichen bei der Tätigkeit direk­t mit infizierten Personen oder Material in Kontakt kommen. Ebenso können Mitarbeitende z.B. in Alters-, Behinderten- und Pflegeheimen im Rahmen der direkten Pflege von infizierten Bewohnern einem massiv erhöhten Risiko ausgesetzt sein.»
Für die Patienten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit sehr wichtig. Sie werden ­damit von Diskriminierungen durch Krankenkassen geschützt (Franchise, Selbstbehalt bei Medikamenten, zeitlich unbegrenzt befreit). Es ist gerechter, dass wenigstens dem Pflegepersonal diese Gerechtigkeit zugestanden wird.
Die Prämie bezahlen die Arbeitgeber über Lohnprozente. Der CEO eines Spitals bezahlt deshalb etwas mehr trotz geringerem Risiko, als das Reinigungspersonal, sofern dieses nicht an Subunternehmen ausgelagert wurde.
Damit werden alle Krankenkassen entlastet, welche die Leistungen nur über Kopfprämien und indirekt über Steuern (staatliche Prämienverbilligung) finanzieren. Auch diesbezüglich eine klassische Win-win-Situation.
Damit wird die Frage der Berufskrankheit in der Schweiz politisch: Für die Prophylaxe wäre die Suva mitverantwortlich, z.B. Qualität der Masken im Spital, wie die FDA in den USA.
Noch wichtiger ist die Risikobeurteilung bei der Arbeit. «Bei Tätigkeiten, welche nicht auf die Betreuung und Behandlung infizierter Personen ausgerichtet sind, wie z.B. Verkaufspersonal, Hotelreinigungspersonal, Polizei, kann keine Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen.» Ist diese Beurteilung der Suva richtig? Die Schulen sind nicht einmal erwähnt.
Gemäss UVG Art. 9 erstellt der Bundesrat die Liste der schädigenden Stoffe und Arbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen. Der Bundesrat könnte somit Covid-19 einfach als schädigenden Stoff erklären. Dies würde schlagartig viele erwähnte Probleme gleichzeitig optimal lösen.

Replik auf «Covid-19 – eine Berufskrankheit»

Sowohl die Suva als auch die anderen Unfallversicherer betrachten die aktuellen Vorgaben des UVG betreffend Anerkennung einer Covid-19-Infektion als Berufskrankheit. Es wird geprüft, ob eine arbeitsbedingte Infek­tionskrankheit im Sinne einer Listenerkrankung (Art. 9 Abs. 1 UVG) vorliegt, wie z.B. bei Arbeiten mit infizierten Patienten in Spitälern oder in Laboratorien, wobei jeweils von einer vorwiegenden Verursachung durch die beruf­liche Tätigkeit ausgegangen werden muss. Bei Personengruppen, die nicht im klinischen Sektor mit Covid-19-Patienten arbeiten, müsste für eine eventuelle Anerkennung (nach Art. 9 Abs. 2 UVG) nachgewiesen werden können, dass sie für eine gewisse Dauer einem typischen Berufsrisiko ausgesetzt waren, z.B. mehrfachem und längerem bewussten Kontakt mit infizierten Personen. Dies ist z.B. im Detailhandel – aber auch in Schulen –grundsätzlich nicht gegeben.
Im Zusammenhang mit dem Präventionsauftrag bzw. der Kontrollfunktion der Suva sind folgende Punkte entscheidend: Die Suva und das BFU sind im Rahmen der Marktüberwachung die zuständigen Kontrollorgane für die Produktesicherheit, unter Aufsicht des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. Für den Nachweis der Konformität von Produkten sind wir befugt, Informationen zu verlangen, Muster zu erheben, Kontrollen durchzu­führen und sicherheitstechnische Prüfungen zu veranlassen. Bei mangelhaften Produkten sind wir befugt, gegenüber dem Inverkehrbringer geeignete Massnahmen anzuordnen und entsprechende Verfügungen zu erlassen. Im Rahmen dieses Auftrags werden von der Suva die Atemschutzmasken (persönliche Schutzausrüstung) sowie von Swissmedic die Hygienemasken (medizinische Produkte) kon­trolliert. Basierend auf der Covid-19-­Verordnung überprüfen die Suva und die kantonalen Arbeitsinspektorate ausserdem die Umsetzung der Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und Abstand. In medizinischen Einrichtungen und Pflegeinstitutionen werden diese Kontrollen durch die Kantone durchgeführt.