smarter medicine: «Top-5-Liste» für Radiologie

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Ausgabe
2020/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19351
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(46):1532-1533

Publiziert am 11.11.2020

Wie andere medizinische Fachgesellschaften unterstützt auch die Schweizerische Gesellschaft für Radiologie (SGR-SSR) die «Choosing wisely»- oder – wie sie in der Schweiz genannt wird – die «smarter medicine»-­Initiative. Die hier vorgelegte Top-5-Liste ist evidenz-basiert und beruht auf einem breiten Konsens. Die SGR-SSR hat sich an die vom American College of ­Radiology (ACR) publizierten Empfehlungen angelehnt und die zugrunde liegende Literatur aktualisiert.
Die Liste soll nicht nur vor einer eventuellen Überversorgung in der medizinischen Bildgebung schützen, sondern auch zur Verbesserung der Behandlungsqualität beitragen. Die SGR-SSR versteht es als Aufgabe ihres Berufstandes, das System initiativ und proaktiv mit­zugestalten und mit der Liste ein klares Signal an die Öffent­lichkeit, die Regulierungsbehörden und die Kos­tenträger zu senden.

Die Schweizerische Gesellschaft 
für Radiologie gibt die folgenden fünf Empfehlungen ab:

1. Eine CT bei Verdacht auf Lungenembolie nur bei moderater oder hoher Vortestwahrscheinlichkeit für eine Lungenembolie durchführen.

Patienten mit Zeichen und Symptomen einer akuten Lungenembolie benötigen eine rasche Weiterab­klä­rung, welche eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung inklusive der Evaluation der Vortestwahrscheinlichkeit der Erkrankung sowie Labor­tests und Bildgebung beinhaltet. Die Erhebung der Vortestwahrscheinlichkeit kann unnötige zusätzliche Labortests und Bildgebung verhindern.

2. Keine routinemässige native Phase 
bei CT-Untersuchungen des Abdomens mit i.v. Kontrastmittel durchführen.

CT-Protokolle des Abdomens sollten nur dann eine zusätzliche native Phase beinhalten, wenn diese eine ­zusätzliche diagnostische Information enthält. Dies ist bei den folgenden Indikationen der Fall: Charakteri­sierung einer Nierenläsion, einer Nebennierenläsion, ­einer Leberläsion, bei Hämaturie, als Follow-up nach abdominaler Operation, nach Endoprotheseneinlage und bei gastrointestinaler Blutung.

3. Keine routinemässige Kontrastmittel-Spätphase bei CT-Untersuchungen des Abdomens mit Kontrastmittel durchführen.

CT-Protokolle des Abdomens sollten nur dann eine Spätphase (definiert als Kontrastmittel-Phase nach ­einer portal-venösen, hepatischen oder nephrographischen Kontrastmittelphase) beinhalten, wenn diese eine zusätzliche diagnostische Information enthält. Dies ist bei den folgenden Indikationen der Fall: Charakterisierung einer Nierenläsion, einer Nebennierenläsion, einer Leberläsion, bei Hämaturie und bei Bedarf einer CT-Urographie.

4. Keine routinemässige Follow-up-Bildgebung mit CT oder MRI bei inzidentellen, nicht ­suspekten Adnexzysten kleiner 5 cm bei Frauen im reproduktiven Alter durchführen.

Einfache und hämorrhagische Zysten bei Frauen im reproduktiven Alter sind fast immer physiologisch. Ovarialkrebs, typischerweise auch zystisch, entwickelt sich nicht aus derartigen Zysten mit benignem Aspekt. Bei einem Ultraschall mit guter Qualität bei Frauen im reproduktiven Alter sollte keine Follow-up-Bildgebung bei klassischem Corpus luteum oder einfachen Zysten <5 cm im maximalen Durchmesser empfohlen werden.

Die Kampagne «smarter medicine»

Der Trägerverein «smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland», der nebst medizinischen Fach- und Berufsorganisationen auch von Patienten- und Konsumentenorganisationen unterstützt wird, möchte die Öffentlichkeit für die Themen der Fehl- und Überversorgung sensibilisieren. Die Kampagne knüpft an die amerikanische Initiative «Choosing Wisely» an, die zum Ziel hat, nicht nur «kluge Entscheidungen» herbeizuführen, sondern auch die offene Diskussion zwischen Ärzteschaft, Patientinnen und Patienten sowie der Öffentlichkeit zu fördern.
Kernstück der Initiative sind die sogenannten «Top-5-Listen» der medizinischen Fachgesellschaften, die je fünf unnütze Behandlungen in ihrem Fachbereich aufführen. Zudem sind die bisher veröffentlichten Empfehlungen in einer für die Öffentlichkeit verständlichen Sprache verfügbar, um gemeinsame Entscheidungen zu treffen.
Weitere Informationen zum Trägerverein und eine Übersicht über die bestehenden Top-5-Listen sind zu finden unter www.smartermedicine.ch

5. Die Diagnose eines «Pelvic Congestion Syndrome» nicht alleine anhand von CT- oder MRI-Bildern stellen, sondern nur wenn Patientinnen sowohl klinische als auch bildgebende Kriterien erfüllen.

Dilatierte Beckenvenen auf CT- und MRI-Bildern können ein Zufallsbefund und klinisch irrelevant sein. Ovarialvenen-Reflux, Dilatation von Ovarialvenen und Dilatation von parauterinen Venen können bei asymptomatischen Patientinnen vorkommen. Klinische Symptome müssen in die Bild-Interpretation einfliessen, um ein «Pelvic Congestion Syndrome» diagnostizieren zu können.

Zur Entstehung dieser Liste

Der Vorstand der SGR-SSR traf eine Vorauswahl von zehn Empfehlungen, wobei die «Choosing Wisely Recommendations» des American College of Radiology (ACR) berücksichtigt wurden. Um Redundanzen zu vermeiden, wurden Themen zur Bildgebung, die bereits von anderen Fachgesellschaften aufgegriffen worden ­waren, nicht aufgeführt. In Workshops konnten die Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes der SGR-SSR jede der zehn Empfehlungen kritisch bewerten und auf ihre Anwendbarkeit in der Schweiz überprüfen. Nach diesen Workshops wurden die fünf aus Sicht der SGR-SSR relevantesten Empfehlungen einstimmig ausgewählt.
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