Arzneimittelsicherheit

Zentrale Erfassung der Nebenwirkungen durch Swissmedic ab 2021

Weitere Organisationen und Institutionen
Ausgabe
2020/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19378
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(5152):1733-1734

Affiliations
Dr. pharm., Abteilungsleiter Arzneimittelsicherheit, Swissmedic, Bern

Publiziert am 15.12.2020

Das Schweizer Meldesystem für unerwünschte Arzneimittelwirkungen wird ab nächstem Jahr stärker zentralisiert und auf signalrelevante Meldungen ausgerichtet.
Medizinische Fachpersonen in der Schweiz sind gemäss Heilmittelgesetz (Art. 59 HMG [1]) und Arzneimittelverordnung (Art. 63 VAM [2]) seit 2002 verpflichtet, das Auftreten einer schwerwiegenden oder bisher nicht bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) zu melden. Diese Meldepflicht wurde mit Inkrafttreten des revidierten Heilmittelgesetzes am 1. Januar 2019 noch erweitert: Neu sind nicht nur Personen, welche Heilmittel an Menschen oder an Tieren gewerbsmässig anwenden oder Heilmittel abgeben, meldepflichtig, sondern auch alle Personen, welche als ­Medizinalperson dazu berechtigt sind. Damit sind z.B. auch beratende Fachpersonen, die nicht selbst Arzneimittel abgeben, zur Meldung von UAW verpflichtet. Der Gesetzgeber hat mit der ­Gesetzesrevision somit die Bedeutung der Pharmacovigilance verstärkt.

Wer muss melden?

Meldepflichtig sind gemäss Medizinalberufegesetz Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren sowie Tierärztinnen und Tierärzte (Art. 2 MedBG [3]). Für weitere Personen wie Hebammen, Pflegefachleute, Medizinische Praxisassistentinnen und -assistenten oder auch Pharmaassistentinnen und -assistenten gilt die Meldepflicht, soweit sie zur ­Anwendung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. Dabei sind auch die kantonalen Regelungen zu beachten sowie die indirekte Verpflichtung beispielsweise gegenüber dem Arzt / der Ärztin resp. dem Apotheker / der Apothekerin als Arbeitgeber.

Aktuelles System

Aktuell werden die UAW-Meldungen in der Regel bei einem der sechs regionalen Pharmacovigilance-­Zentren (RPVZ) eingereicht, oder medizinische Fachpersonen wenden sich bezüglich UAW an das betreffende pharmazeutische Unternehmen (Zulassungsinhaberin), das seinerseits gegenüber Swissmedic meldepflichtig ist [4].
Swissmedic hat die Zusammenarbeit mit den RPVZ vertraglich geregelt. Diese nehmen die UAW-Meldungen entgegen, bearbeiten sie und geben diese in die Pharmacovigilance-Datenbank von Swissmedic ein. Die Meldungen werden von den RPVZ und Swissmedic bei der Evaluation insbesondere auf deren Signalwert überprüft. Ziel des Pharmacovigilance-Systems ist nicht nur das Sammeln von Einzelmeldungen, sondern primär auf deren Grundlage das Entdecken von noch nicht oder zu wenig bekannten Sicherheitsrisiken und bei Bedarf das Einleiten von korrigierenden Massnahmen wie beispielsweise die Anpassung der Arzneimittelinformation.

System ab 2021

Ab Januar 2021 werden die in der Regel elektronisch eingegebenen UAW-Meldungen anstatt an ein RPVZ neu direkt an Swissmedic geschickt oder wie bisher ebenfalls möglich an die zuständige Zulassungsinhaberin. Die Mitarbeitenden der Pharmacovigilance bei Swissmedic werden alle direkt eingehenden Meldungen begutachten (Triage) und entscheiden anhand definierter Kriterien, ob die Meldung zur vertieften Abklärung an ein RPVZ geschickt oder intern bearbeitet wird (Abb. 1). Zu den Meldungen, welche die Kriterien für eine vertiefte Abklärung durch ein RPVZ erfüllen, zählen ein Verdacht auf schwerwiegende unerwartete UAW oder auch Meldungen in Zusammenhang mit Medikamenten, die unter zusätzlicher Überwachung stehen (mit Black Triangle).
Die Vorteile der Erst-Triage durch Swissmedic sind evident: Alle Meldungen werden durch Swissmedic zeitnah erfasst, nach der Prüfung archiviert und laufend in die globale Pharmacovigilance-Datenbank der WHO hochgeladen; unterdessen sind es rund 12 000 UAW-Meldungen pro Jahr aus der Schweiz. Durch den neuen Prozess werden UAW-Meldungen, von denen man kaum neue Erkenntnisse für die Arzneimittelsicherheit erwarten kann – z.B. ein Hautexanthem nach Amoxicillin –, nach kurzer Prüfung auf Qualität und Kausalitätsbeurteilung durch Swissmedic erfasst und archiviert. Die RPVZ können dagegen ihre Ressourcen und Kompetenzen gezielter für diejenigen UAW-Meldungen einsetzen, welche am ehesten zur Detektion von neuen Sicherheitssignalen dienen.

Wie melden?

Das Meldetool für medizinische Fachpersonen bleibt wie bisher ElViS (Electronic Vigilance System), die elektronische Online-Plattform zur Meldung von UAW. ­ElViS hat intuitiv bedienbare Eingabemasken in den Landessprachen und erlaubt zur Übermittlung von fallrelevanten Dokumenten Anhänge in allen gängigen Formaten. Datensicherheit und Datenschutz entsprechen höchsten Standards. Der Zugriff auf ElViS erfolgt über die Startseite der Swissmedic-Homepage oder direkt vom Verzeichnis der Arzneimittelinformationen – Swissmedicinfo (www.swissmedicinfo.ch).
Abbildung 1

Rolle der RPVZ

Die RPVZ evaluieren zugewiesene vertieft abklärungswürdige UAW-Meldungen für Swissmedic. Neben dieser Aufgabe bleiben die RPVZ wie bisher als Zentren für Klinische Pharmakologie kompetente Ansprechpartner zu Fragen der Pharmakotherapie, sei es spitalintern oder auch für umliegende kleinere Spitäler oder Arztpraxen und Apotheken. Sie erfüllen damit eine wichtige Zen­trumsaufgabe auf kantonaler und regionaler Ebene.

COVID-19-Impfstoffe

Für die Meldung von unerwünschten Impfreaktionen in Zusammenhang mit den kommenden COVID-19- Impfstoffen bereitet Swissmedic zurzeit einen adaptierten Meldeprozess vor. Dieser wird wie die Meldung von UAW auf dem Meldetool ElViS basieren und den international üblichen Standards der Pharmacovigilance entsprechen.

Das Wichtigste in Kürze

• Medizinische Fachpersonen in der Schweiz sind gemäss Heilmittelgesetz und Arzneimittelverordnung seit 2002 verpflichtet, das Auftreten einer schwerwiegenden oder bisher nicht bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) zu melden.
• Ab Januar 2021 werden die in der Regel elektronisch eingegebenen UAW-Meldungen anstatt an ein Pharmacovigilance-Zentrum neu direkt an Swissmedic geschickt oder wie bisher ebenfalls möglich an die zuständige Zulassungsinhaberin.
• Für die Meldung von unerwünschten Impfreaktionen in Zusammenhang mit den kommenden COVID-19-Impfstoffen bereitet Swissmedic zurzeit einen adaptierten Meldeprozess vor. Dieser wird wie die Meldung von UAW auf dem Meldetool ElViS basieren und den international üblichen Standards der Pharmacovigilance entsprechen.