Innovative Testmethode

Schneller zum richtigen Antibiotikum

Tribüne
Ausgabe
2021/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19486
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(06):214-215

Affiliations
Freischaffender Journalist

Publiziert am 10.02.2021

Wie findet man schnellstmöglich das wirksame Antibiotikum für eine Patientin oder einen Patienten? Das Start-up «Resistell» hat einen neuartigen Test für Antibiotikaresistenzen entwickelt.
Wer sich bewegt, hat verloren. Was bei einem beliebten Kinderspiel gilt, trifft auch im Reich der Mikroben zu. Mit einer neuartigen Testmethode misst das Start-up «Resistell» die feinsten Bewegungen von Mikroben. Solange sich Bakterien bewegen, verraten sie damit auch, dass sie noch leben. Werden nun verschiedene antibiotische Wirkstoffe der Probe zugefügt, lässt sich die wirksame Substanz daran erkennen, dass die Be­wegung der Mikroben stoppt.
Mit diesem eleganten Prinzip krempelt Resistell das bisherige Vorgehen um. Herkömmliche Verfahren messen das Bakterienwachstum in Kulturen, was ­deutlich länger dauert. «Musste man vorher ein bis zwei Tage auf das Testergebnis warten, wissen wir jetzt innerhalb von ein paar Stunden, welches Antibiotikum wirkt», sagt Dr. Danuta Cichocka, Mikrobiologin und CEO von Resistell. Bei der Weiterentwicklung von Resistell soll in Zukunft ein zusätzlicher Vorteil der Methode nutzbar gemacht werden: Die Intensität der mikrobiellen Bewegung gibt auch gleich einen Hinweis, wie hoch die Dosis der Antibiotikagabe sein muss.
Resistell
«Musste man vorher ein bis zwei Tage auf das Testergebnis warten, wissen wir jetzt innerhalb von ein paar Stunden, ­welches Antibiotikum wirkt», sagt Dr. Danuta Cichocka, Mikrobiologin und CEO von Resistell.

Oberflächen abtasten

Das Start-up Resistell wurde 2018 gegründet und besteht aus einem Team mit Expertise in Mikrobiologie, Ingenieurwesen, Datenwissenschaft und Entrepreneurship. Die Grundlagen für das neuartige Anti­biotika-Testverfahren legte eine interdisziplinäre Forschungsgruppe um Physikprofessor Giovanni Dietler und Mediziner Sandor Kasas an der ETH Lausanne. Die Forschenden gingen für ihre neue Testmethode von der Rasterkraftmikroskopie aus – ein Verfahren, das die Abtastung von Oberflächen und die Messung selbst atomarer Kräfte erlaubt – und entwickelten diese ­weiter.
Das Start-up Resistell besteht aus einem Team mit Expertise in Mikrobiologie, Ingenieur­wesen, Datenwissenschaft und ­Entrepreneurship. Unten, dritte von rechts, ist CEO Danuta Cichocka.
Resistell liefert Resultate dort schnell, wo wenige Stunden über Leben und Tod entscheiden können – etwa beim Antibiotikaeinsatz bei einer Sepsis. Dabei will ­Resistell nicht nur den Patientinnen und Patienten helfen, sondern auch das Problem der Antibiotikaresistenzen entschärfen helfen: «Insbesondere in lebensbedrohlichen Situationen setzen Ärztinnen und Ärzte heute schnell Breitbandantibiotika ein, weil die Zeit fehlt, eine spezifisch wirksame Substanz zu suchen. Breitbandantibiotika sollten aber die letzte Therapie­option sein, denn sie haben mehr Nebenwirkungen», sagt Cichocka. Setzen die Ärztinnen und Ärzte andererseits auf ein spezifisches Antibiotikum, das allerdings zu schwach wirkt, besteht die Gefahr, dass sich Resistenzen bilden – und auch Breitbandantibiotika später nicht mehr wirksam sind.

Corona verschärft das Problem

Wegen der Corona-Pandemie verschärft sich das Pro­blem der Antibiotikaresistenzen weltweit noch, ist Cichocka überzeugt. Denn Antibiotika werden noch häufiger eingesetzt, um bei Covid-19-Patienten bakterielle Ko-Infektionen zu verhindern.
Resistell hat erfolgreiche Finanzierungsrunden hinter sich. Jetzt sollen Anfang 2021 klinische Studien am Universitätsspital Lausanne und später an zwei Universitätsspitälern in Deutschland und Dänemark beginnen. Zuerst wollen die Forschenden die Zulassung des neuen Verfahrens zur Behandlung von Sepsis erlangen, anschliessend sollen Studien mit Erregern von Lungeninfektionen und sexuell übertragbaren Krankheiten folgen. CEO Danuta Cichocka ist zuversichtlich, dass Resistell Ende 2022 auf den Markt kommen kann.
Mehr Infos unter: www.resistell.com
adrianritter[at]gmx.ch