Gemeinsam einstehen für eine starke Gesundheitsversorgung

FMH
Ausgabe
2021/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19497
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(0102):4

Affiliations
Dr. med., designierte Präsidentin der FMH

Publiziert am 05.01.2021

Zum Jahreswechsel ziehen wir oft Bilanz über die Vergangenheit – und schauen nach vorne auf erkennbare Herausforderungen. Für die FMH ist mit dieser Jahreswende zudem ein Legislaturwechsel verbunden – und für mich persönlich ein Neubeginn im Amt als Präsidentin. Anlass genug, das Woher und das Wohin zu überdenken – in einem etwas weiteren Zeithorizont.
Wenn ich am 1. Februar als Präsidentin der FMH antrete, darf ich die Führung einer Standesorganisation übernehmen, die in den letzten Jahren deutlich an ­Stabilität gewonnen hat. Nicht zuletzt angesichts der hohen Wogen, die mit der Revision des ambulanten Arzttarifs verbunden waren, hat mein Vorgänger besonders die Konsolidierung nach innen vorangetrieben. Dieses Zusammenschweissen unserer über 70 Mitglieds­verbände war letztlich die Conditio sine qua non, die es uns erlaubte mit dem TARDOC einen Tarif einzureichen, der alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
In der kommenden Legislatur wird es diesen Zusammenhalt und den Fokus auf ein gemeinsames Ziel mehr brauchen denn je. Mit den beiden Kostendämpfungspaketen des Bundesrats stehen aktuell Gesetzesänderungen zur Debatte, die vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wären. Wo die obligatorische Grundversicherung bislang allen Einwohnern der Schweiz eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zusicherte, soll zukünftig dieser Anspruch durch Kostendeckel begrenzt werden. Im ersten Kostendämpfungspaket kommt dieses Vorhaben noch verschleiert daher: Nur wenige bemerken, dass «degressive Tarife» Ärzte dazu motivieren sollen, Leistungen vorzuent­halten, um vorab festgelegte Mengen- oder Kostengrenzen nicht zu überschreiten. Im zweiten bundes­rätlichen Kostendämpfungspaket ist das Ziel einer politisch gesteuerten Gesundheitsversorgung offensichtlich: Der Bund möchte zur «Erstberatung» verpflichten und deren Preise festlegen – zudem soll nur noch vergütet werden, was im Rahmen politisch definierter Kostenziele liegt. Freiheiten von Versicherten, Leistungserbringerinnen und Tarifpartnern würden stark beschnitten – das Gesundheitswesen politisch übersteuert. Spürbare Einschnitte in Patientenversorgung und Behandlungsqualität wären die Folge.
Die nächsten Jahre könnten somit die Zukunft unseres Gesundheitswesens entscheidend prägen. Obwohl uns die aktuelle Covid-19-Pandemie deutlich vor Augen führt, wie wichtig ein guter Zugang zu einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung ist, bereitet die Politik massive Einschränkungen vor. Die FMH als Stimme der Ärzteschaft wird aufzeigen müssen, welche Folgen diese Pläne für die Patientenversorgung hätten. Dabei ist heftiger Gegenwind absehbar und uns gut vertraut: Man wird uns als Profiteure mit Verlustängsten diffamieren und versuchen, einen Keil zwischen die Ärztegruppen zu treiben. Gerade Letzteres dürfen wir nicht zulassen: Mehrheiten für ein starkes Gesundheits­wesen brauchen Allianzen – und diese erfordern auch Kompromisse, die nicht immer leichtfallen, aber lohnen.
Nehmen wir also die anstehenden Herausforderungen zum Anlass, geschlossen für ein Gesundheitswesen einzutreten, das uns erlaubt, alle Patienten und Patientinnen gleichermassen qualitativ hochstehend zu behandeln. In den kommenden Jahren könnten wir viel verlieren – wir können aber auch etwas gewinnen: Wir können aufzeigen, dass es trotz steigender Gesundheitskosten Alternativen gibt zu Rationierung und Qualitätsverlust. Wir können in einer von Panikmache und Prämienpolitisierung geprägten Debatte für Versachlichung und Differenzierung eintreten. Wenn wir als Ärzteschaft in den kommenden Jahren zusammenstehen und unseren Fokus klar auf eine starke Patientenversorgung und gegen politische Budgetierung richten, kann sowohl unser Gesundheitswesen als auch die Ärzteschaft nur gewinnen, zusammen mit den Patientinnen.