Erfahrungen von UHUnten

Wie der Start ins Wahlstudienjahr gelingt

Zu guter Letzt
Ausgabe
2021/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19559
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(09):346

Affiliations
Cand. med., Universität Zürich, Vice-President for Public Relations, Swiss Medical Students’ Association (swimsa)

Publiziert am 03.03.2021

Vor dem ersten Tag im Wahlstudienjahr fragt man sich üblicherweise, was einem als Unterassistentin respektive als Unterassistent bevorsteht. Was wird von einer Studentin, einem Studenten erwartet, der die letzten vier bis fünf Jahre damit verbracht hat, Vor­lesungsfolien zu lesen, und versucht hat, sich deren Inhal­t so gut es geht zu merken, um die beliebten Multiple Choice-Fragen beantworten zu können? Die Vermutungen sind unterschiedlicher Natur: Der eine stellt sich vielleicht schon vor, wie er erfolgreich eine Reanimation auf der Notfallstation durchführt, die andere erhofft sich, während des Chirurgie-Monats überhaupt ein Skalpell halten zu dürfen. Wiederum andere bereiten sich sogar mit Literatur und Nähsets fleissig auf die geplanten Fachgebiete vor. Oder aber man hofft einfach, all die wichtigen Pathologien und Therapie­ansätze aus den Vorlesungen, die man zuvor intensiv studiert hat, erfolgreich wiedergeben zu können und so gleich in der ersten Praktikumswoche eine gute Figu­r zu machen – wenn man dann überhaupt jene Krankheitsbilder antrifft.
Wider aller Erwartungen kommt dann doch alles anders. Man fühlt sich verloren wie am ersten Kinder­gartentag. Unbeholfen wie beim ersten Englisch-Aufsatz an der Kanti und überflüssig wie das Stethoskop im Psychiatrie-Praktikum.
Folgendes Szenario ist am ersten Arbeitstag durchaus möglich: Als Erstes wird man mit einem «Oh, ein neues Gesicht» oder direkt «Wo ist denn jetzt die andere Unterassistentin?» begrüsst. Wenn man genug mutig ist und sich gleich bei der ersten Gelegenheit vorstellt, kommt es ebenfalls vor, dass man ein knappes «Ah, grüezi» bekommt. Mit der Zeit lernt man die Codewörter zu entziffern. Ein «Ah, grüezi» kann dann so viel heissen wie «Schön, Sie sind eine von uns». Wohingegen ein freundliches «Freut mich, ich bin die Leitende Oberärztin» auch «Ich bin sehr beschäftigt. Bei allfälligen Fragen vereinbaren Sie bitte einen halbstündigen Termin im Sekretariat» bedeuten kann.
Nach dem üblichen Vorstellungsprozedere wird man dann gleich in die Alltagstätigkeiten integriert. Oder, besser gesagt, im Schlepptau der Ärzteschaft während der Visite zur Sekretärin ausgebildet. Mit einem Laptop ausgerüstet geht man brav hinter der Gruppe her. Man beachte bitte die korrekte Einreihung: Zuvorderst geht die Chefärztin oder der Chefarzt, darauf folgt die Oberärzteschaft und die Assistenzärzteschaft. Und schliesslich (diskret) der UHU (kurz für Unterassistent respektive Unterassistentin) im «Backstage». Den besten ersten Eindruck macht man hier, indem man die hierarchische Rangfolge beachtet, und lieber nicht, indem man bei der erstbesten Gelegenheit alle möglichen Differentialdiagnosen eines akuten Abdomens runter­rattert. Während man also alle Informationen rund um die untersuchten Patientinnen und Patienten, die man aufschnappen konnte, fleissig dokumentiert, muss man sich darauf gefasst machen, dass hin und wieder (genauer genommen alle zwei bis drei Minuten) ein Mitglied der Ärzteschaft hektisch nach hinten fuchtelt, um zu signalisieren, dass sofort ein aktuelles Labor­ergebnis benötigt wird (auch das wieder ein Code, den es erstmal zu entziffern gilt). Meine persönliche Empfehlung zur Vorbereitung des Wahlstudienjahres: Tritt den ersten Arbeitstag ohne grosse Erwartungen an (dann wird man auch positiv überrascht). Trainiere deine Nerven (es warten langsame, alte Computer) und Finger (für schnelles Schreiben). Überleg dir vorher gut, ob du zum über­motivierten UHU mutieren willst (dann musst du aber auch alle Codewörter schnell entziffern können) oder ob du lieber als Sekretärs-UHU im Hintergrund bleibst (auf den billigen Plätzen sozusagen).
vppr[at]swimsa.ch