Eine Herausforderung für uns alle

FMH
Ausgabe
2021/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19586
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(05):157

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Public Health und Gesundheitsberufe

Publiziert am 02.02.2021

Seit nunmehr einem Jahr teilen wir unseren Alltag mit einem ungebetenen Gast. Wir werden beinahe ­wöchentlich vor neue Herausforderungen gestellt, die unsere Gesundheit, unsere Geduld und unsere Gesundheitskompetenz auf die Probe stellen. Sie erinnern sich an das Frühjahr 2020: Plötzlich stand die Welt still, die Bevölkerung begab sich in den Lockdown, die Gesundheitssysteme bereiteten sich auf die Notsituation vor, die Wissenschaft erforschte das neue Virus, und die Politik zerbrach sich die Köpfe über die nötigen und möglichen Schritte für das Gemeinwohl. Und mittendrin Sie, die Ärzteschaft. Der erste Lockdown führte auch für die Ärzteschaft zu Unwuchten und Unsicherheiten. Durch Ihren trotzdem steten Einsatz ermöglichten Sie es uns allen und vor allem Ihren Patientinnen und Patienten, durch diese schwere Zeit zu kommen, in Zusammenarbeit mit der Pflege, den Medizinischen Praxisassistentinnen und vielen wei­teren Berufstätigen im Gesundheitswesen. Sei es in ­Ihrer Rolle als Unterstützende in schwierigen Situa­tionen, als Beratende und Behandelnde bei schwer Erkrankten, bei einem nahenden ­Lebensende oder bei Menschen mit Ängsten und Un­sicherheiten, wo Sie mit ­einem offenen Ohr zur Seite standen.
Die Ungewissheit darüber, was morgen sein wird und wie schwer dieses Virus uns selbst oder unser Umfeld treffen kann, stellt eine grosse Herausforderung für die Gesundheitskompetenz dar. Die Gesundheitskompetenz des Einzelnen hängt damit zusammen, ob Zugang zu Wissen aus qualitativ guten Quellen vorhanden ist, ob das Verstehen und die Anwendung dieses Wissens möglich sind und ob entsprechende Handlungsmöglichkeiten auch vorhanden sind. Es lässt sich nicht alles auf Eigenverantwortung reduzieren, zumal dieser Begriff in letzter Zeit aus unterschiedlichsten Beweggründen bemüht wird.
Eine repräsentative Umfrage [1] der Careum Stiftung ergab, dass fast die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz es als schwierig empfindet, adäquate Entscheidungen in Bezug auf Covid-19 zu treffen. Der schnelle Wechsel von Bestimmungen und die unterschiedlichen Einschränkungen der Kantone verunsichern die Bevölkerung. Das Verständnis darüber, wie ich mich selbst und andere schützen kann, ist ­während der Pandemie das Zentrum gesundheits­kompetenten Handelns. Indem wir als Arzt oder Ärztin ­anspruchsvolle Informationen auf verständliche Weise vermitteln können und zu den aktuellen Themen beratend zur Verfügung stehen, fördern wir die Gesundheitskompetenz des Einzelnen und erhöhen die Sicherheit für die gesamte Bevölkerung.
Eine gesundheitskompetente Gesellschaft versteht die Tragweite der Situation, und wie sie sich durch einfache Massnahmen zu schützen vermag [2]. Die gesamte ­Bevölkerung der Schweiz trägt gemäss einem lesens­werten Interview in dieser Ausgabe (S. 160) eine Mit­verantwortung zur erfolgreichen Bewältigung der ­Pandemie. Ihre tägliche Arbeit, liebe Mitglieder, trägt dazu bei, Gesundheitskompetenz zu fördern und Un­sicherheit zu reduzieren. Danke, dass Sie zur Bewäl­tigung dieser Pandemie beitragen. Danke für Ihr Engagement, für Ihre Arbeit und Ihr Durchhaltevermögen.
1 Corona-bezogene Gesundheitskompetenz, zugegriffen 19.1.2021. www.migesplus.ch/publikationen/corona-bezogene-gesundheitskompetenz
2 Spring H. Health Literacy and Covid-19. Health Information &
Libraries Journal. 2020;37(3):171–2. doi.org/10.1111/hir.12322