Arbeitssicherheit

Branchenlösung Ärztliche Praxis

FMH
Ausgabe
2021/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19688
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(11):387-388

Affiliations
a MHS, Expertin, Departement Dienstleistungen und Berufsentwicklung der FMH; b Dr. med., Vizepräsident der FMH und Departementsverantwortlicher Dienstleistungen und Berufsentwicklung

Publiziert am 16.03.2021

Nach dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) versicherte Unternehmen müssen die Vorschriften aus den Richtlinien der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) einhalten [1]. Um dieser gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, hat die FMH eine Branchenlösung für die ambulante Medizin ausgearbeitet, die es Ärztinnen und Ärzten als Arbeitgebern ermöglicht, ihre Verantwortung auf zugängliche, interaktive und praxisorientierte Weise wahrzunehmen.

Einleitung

Eine Branchenlösung dient dem Arbeitgeber als Sicherheitssystem, mit dem er sämtliche Aspekte in seinem Unternehmen, die für das Personal oder die Struktur ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellen, abdecken kann. Die Branchenlösung ist eine Antwort auf die ASA-Methode, welche das Ziel verfolgt, die wichtigsten Anforderungen auf dem Gebiet der ­Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zusammenzufassen [2]. Wie der Name schon sagt, muss es sich um eine Lösung handeln, die auf die gesamte betreffende (wirtschaftliche) Branche anwendbar ist und die im Allgemeinen von den entsprechenden Dach­verbänden oder Vereinigungen initiiert wird. In der Humanmedizin muss ­zwischen Spitalmedizin und ambulanter Medizin unterschieden werden. Für den Spitalbereich greift die Branchenlösung H+, im ambulanten Bereich findet ab dem Sommer 2021 die vom Schweizerischen Verein für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und der FMH ausgearbeitete Branchenlösung Anwendung. Bei diesem Projekt von nationaler Reichweite mussten die sicherheitsbezogenen Besonderheiten und Bedürfnisse der verschiedenen medizinischen Fachbereiche berücksichtigt werden, um eine Lösung von Medizinern für Mediziner zu entwickeln, die den Realitäten vor Ort gerecht wird, ohne unnötige Aufwände und Kosten zu verursachen.

Arbeitssicherheit: eine gesetzliche Pflicht

Seit dem Jahr 2000 sind sämtliche Wirtschaftsbranchen rechtlich dazu verpflichtet, über eine Branchenlösung zu verfügen. Arztpraxen waren lange Zeit davon ausgenommen, da der Schwerpunkt auf der Gesetzeskonformität von grösseren sozialmedizinischen Strukturen wie Spitälern und Pflegeheimen lag. Zwanzig Jahre später sieht die Realität anders aus: Die Praxen werden nicht nur komplexer, sondern auch zunehmend grösser, wodurch sie in den Fokus der kantonalen Arbeitsinspektorate rücken. Auch wenn die gesetzliche Grundlage des Bundes in den Kantonen unterschiedlich zur Anwendung kommt, so sind die Verpflichtungen doch überall dieselben und für alle verbindlich.

Welche Verpflichtungen haben Ärztinnen und Ärzte als Arbeitgeber?

«Für alle Branchen gilt: Der Arbeitgeber ist für die ­Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz in seinem Betrieb verantwortlich […]» Auf dieser Grundlage konkretisiert die ASA-Richtlinie «die Pflichten der Arbeitgeber über den Beizug von Spezialisten der Arbeitssicherheit gemäss Verordnung über die Unfallverhütung sowie die Massnahmen zur Förderung der system­orientierten Prävention von Berufsunfällen, Berufskrankheiten (Arbeitssicherheit) und des Gesundheitsschutzes» [3]. Konkret wird es in den Arztpraxen hauptsächlich darum gehen, «Sicherheitsbeauftragte» (SIBE) zu bestimmen. Der/Die Sicherheitsbeauftragte arbeitet sich zunächst in die Grundlagen der Arbeits­sicherheit und des Gesundheitsschutzes ein. An­schlies­send obliegt es ihm/ihr, die entsprechenden Auf­gaben mit Hilfe der Branchenlösung umzusetzen und die in der Arztpraxis anwendbaren Massnahmen und Aktionen zu planen [4]. Durch den Beitritt zu der von der EKAS zertifizierten Branchenlösung kommt die Arztpraxis ihren rechtlichen Verpflichtungen nach.

Passt die Branchenlösung zu ­meiner ­Praxis?

Bei einer Branchenlösung muss das Spektrum so breit wie möglich gefasst sein, aber gleichzeitig noch umsetzbar bleiben. Die Branchenlösung ist modular strukturiert. Jedes Modul enthält Unterkapitel zu den in Arztpraxen auftretenden Gefahren. Eine inter­disziplinäre Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten hat als beratendes und partizipatives Organ an der Aus­arbeitung mitgewirkt. Diese Ärztinnen und Ärzte ­haben ihre Erfahrungen in die Sicherheitsmodule einfliessen lassen und ihre Praxen zur Verfügung gestellt, um vor der Erstellung der Modul-Endfassungen deren praktische Umsetzbarkeit zu testen. Dadurch sollte eine klare und einfache Anwendung der Sicherheitsmodule ermöglicht werden. Natürlich muss in der ambulanten Medizin ein sehr breites Spektrum an Fachbereichen abgedeckt und gleichzeitig gewährleistet werden, dass die jeweils erforderlichen Informationen leicht zugänglich sind. Dank der benutzerfreundlichen Software PREVITAR kann jede Arztpraxis die für sie ­anwendbaren Module und Kapitel auswählen und interaktiv ein eigenes «Sicherheitshandbuch» erstellen. Diese personalisierten Hilfsmittel unterstützen die ­Sicherheitsbeauftragten der Praxis bei der Gefahren­ermittlung und Massnahmenplanung in ihrem Zuständigkeitsbereich [5].

Fazit

Die Branchenlösung für Arztpraxen wurde von den kantonalen Ärztegesellschaften angeregt und ist das Ergebnis von zweieinhalb Jahren Arbeit. Sie fusst auf einer eingehenden Untersuchung der Situation in der ambulanten Medizin, bei der bereits bestehende Richtlinien und Lösungen von Partnern zusammengetragen und einbezogen wurden, um einen administrativen Doppelaufwand zu vermeiden. Die Branchen­lösung hat den Anspruch, den Realitäten vor Ort Rechnung zu tragen, erschwinglich und für das Praxispersonal zugänglich zu sein und insbesondere den Mitgliedern der FMH zugutezukommen.
Einen Schutzhelm braucht es in Praxen eher nicht, aber auch Ärztinnen und Ärzte ­müssen für die Sicherheit ihrer Angestellten sorgen.
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