Umsetzung Art. 58 zu Qualität und Wirtschaftlichkeit

Qualitätsentwicklung im ambulanten Sektor: Pilotphase bestanden

FMH
Ausgabe
2021/1920
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19805
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(1920):650-651

Affiliations
a lic. phil. hum., wissenschaftliche Mitarbeiterin DDQ/SAQM; b Dr. phil. Health Sciences, Projektleiterin Qualität & HTA curafutura; c Dr. PH, Qualitätsbeauftragter santésuisse

Publiziert am 12.05.2021

Bis am 1. April 2022 müssen die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer nationale Qualitätsverträge erarbeiten. Eine mögliche Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe im (praxis-)ambulanten Bereich wurde mit einem Ende 2020 abgeschlossenen Pilotprojekt erprobt. Die Erfahrungen daraus werden nun in die Vertrags- und Konzeptarbeiten einfliessen.
Der revidierte Gesetzesartikel zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit Art. 58 KVG wurde am 19. Juni 2019 von den eidgenössischen Räten ver­abschiedet und ist am 1. April 2021 in Kraft getreten. Er enthält die Vorgabe, dass die Verbände von Leistungserbringern und Ver­sicherern dem Bundesrat bis am 1. April 2022 nationale Qualitätsverträge zur Genehmigung vorlegen. Wenn dies nicht geschieht, kann der Bundesrat subsidiär eingreifen. In diesen neuen Qualitätsverträgen müssen unter anderem Qualitätsmessungen, Verbesserungsmassnahmen und deren Überprüfung und Ver­öffent­lichung vereinbart werden (Box nächste Seite). Die ­zwischen den Verbänden abgeschlossenen Qualitätsverträge sind für alle Leistungserbringer verbindlich [1].

Neuer Artikel 58 KVG zur Stärkung von Qualität und ­Wirtschaftlichkeit

Wurde am 21.6.2019 verabschiedet und trat am 1.4.2021 in Kraft (www.admin.bag.ch → Versicherungen → Krankenversicherung → Qualitätsentwicklung in der Schweiz)
Der neue Artikel 58 sowie Artikel 58a Absatz 2 lit. a–g KVG bringen folgende zentrale Änderungen mit sich:
Der Bundesrat legt – nach Anhörung der interessierten Organisationen – 4-Jahres-Ziele zur Sicherung und Förderung der Qualität fest. Der Bundesrat setzt weiter eine Eidgenössische Qualitätskommission ein. Unter anderem beauftragt diese Dritte, nationale Programme zur Qualitätsentwicklung / systematische Studien durchzuführen, neue Qualitätsindikatoren zu entwickeln oder bestehende Indikatoren weiterzuentwickeln. Diese Qualitätskommission berät auch den Bundesrat, die Kantone, die Leistungserbringer und die Versicherer und kann Empfehlungen abgeben. Die Leistungserbringer – also auch die Ärztinnen und Ärzte – müssen die vertraglich festgelegten Regeln zur Qualitätsentwicklung einhalten, damit sie zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig sein können. Diese vertraglichen Regeln werden in gesamtschweizerisch geltenden Qualitätsverträgen festgehalten.
Qualitätsverträge
Die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer schliessen gesamtschweizerisch geltende Qualitätsverträge ab. Darin ist mindestens Folgendes zu regeln:
– Die Qualitätsmessungen und die Massnahmen zur Qualitätsentwicklung;
– die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der Festlegung von Verbesserungsmass­nahmen;
– die Überprüfung der Einhaltung der Verbesserungsmassnahmen;
– die Veröffentlichung der Qualitätsmessungen und der Verbesserungsmassnahmen;
– die Sanktionen bei Verletzungen des Vertrags;
– das Erstellen eines Jahresberichts über den Stand der Qualitätsentwicklung zuhanden der Eidgenössischen Qualitätskommission und des Bundesrats.
Der Bundesrat genehmigt die Qualitätsverträge. Können sich die Verbände der Leistungs­erbringer und der Versicherer nicht auf einen Qualitätsvertrag einigen, legt der Bundesrat die Regeln fest.

Pilotprojekt im ambulanten Bereich ­abgeschlossen

Im Pilotprojekt [2] «Veröffentlichung der Qualitätsaktivitäten der (praxis-)ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte» wurden zwischen Sommer 2019 und Ende 2020 Wege der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgabe erprobt. Lanciert hatte dieses Pilotprojekt die Schweizerische Akademie für Qualität in der Medizin (SAQM) der FMH, gemeinsam mit santésuisse und curafutura. Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse daraus sind in einem Schluss­bericht [2] festgehalten.
Im Pilotprojekt wurden in einem Bottom-up-Prozess von den teilnehmenden sechs medizinischen Fachgesellschaften1 insgesamt 17 Qualitätsaktivitäten aus den jeweiligen Fachbereichen definiert, wie z.B. Qualitätszirkel, Patient-reported outcome oder Anwendung von Smarter Medicine-Empfehlungen. Die Arbeitsgruppe Qualität FMH/Versicherer, bestehend aus Vertretenden der FMH, santésuisse und curafutura, gab dabei die Rahmenbedingungen vor. Die FMH koordinierte und unterstützte die Pilot-Fachgesellschaften nach Bedarf beratend sowie administrativ.

Hohe Teilnahme

Insgesamt veröffentlichten im Rahmen des Pilotprojekts rund 3300 (praxis-)ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte auf www.doctorfmh.ch, welche der drei bis fünf gemeinsam von Fachgesellschaft und Arbeitsgruppe Qualität FMH/Versicherer empfohlenen Qua­litätsaktivitäten ihres Fachbereichs sie umsetzen. Dies entspricht einer Teilnahme von 43 Prozent, was für eine freiwillige Erhebung einem sehr hohen Wert ­entspricht. Drei Viertel der Teilnehmenden setzten mindestens drei der von ihren Fachgesellschaften empfohlenen Qualitätsaktivitäten um. Mit den vor­liegenden Resultaten kann erstmals gezeigt werden, wie viele der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte angeben, welche Qualitätsaktivitäten sie umsetzen.
Für die Überprüfung der von den Ärztinnen und Ärzten selbst deklarierten Qualitätsaktivitäten legten die Fachgesellschaften im Pilotprojekt verschiedene Prozesse fest und testeten diese. Beispielsweise wurden Dokumente wie ein Swiss Cancer Network-Zertifikat überprüft oder Fachgespräche zur Anwendung von Guidelines durchgeführt. Die Erfahrungen daraus bilden die Grundlage, auf welcher sich die zukünftigen Strukturen, Kriterien und Verfahren der Überprüfung entwickeln lassen.
Ein sehr hoher Anteil von 43 Prozent der (praxis-)ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte nahm an der Umfrage zur Umsetzung empfohlener Qualitäts­aktivitäten teil.

Ausblick

Im Hinblick auf die Umsetzung von Art. 58a KVG soll der Ansatz des Pilotprojekts genutzt und aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickelt werden. Die FMH, curafutura und santésuisse sind bestreb­t, eine gemeinsame tragfähige vertragliche Lösun­g zu erarbeiten, welche die neuen gesetzlichen Vorgaben erfüllt.
FMH/SAQM
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Tel. 031 359 11 1
saqm[at]fmh.ch
1 Bundesamt für Gesundheit. Qualitätsentwicklung in der Schweiz. 12.3.2021. www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/qualitaetsentwicklung-schweiz.html
2 Arbeitsgruppe Qualität FMH/Versicherer. Pilotprojekt Veröffent­lichung der Qualitätsaktivitäten der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte. Schlussbericht. 30.3.2021. www.saqm.ch → Art. 58 Qua­lität und Wirtschaftlichkeit → Pilotprojekt «Veröffentlichung der Qualitätsaktivitäten der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte»