Aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle – Jahresbericht 2020

FMH
Ausgabe
2021/1920
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.19829
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(1920):644-649

Affiliations
a Rechtsanwältin, Co-Leiterin der Gutachterstelle; b Rechtsanwältin, Dr. iur., Co-Leiterin der Gutachterstelle

Publiziert am 12.05.2021

Die Rolle der Gutachterstelle

Die aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle beauftragt auf Antrag eines in der Schweiz behandelten Patienten einen oder mehrere Gutachter*, um festzustellen, ob im konkreten Fall der Arzt in der Privatpraxis oder im ­Spital eine Sorgfaltspflichtverletzung oder das Spital einen Organisationsfehler begangen hat. Die Gut­achter werden von der betreffenden medizinischen Fachgesellschaft vorgeschlagen oder bestätigt, so dass unabhängige und kompetente Gutachter gefunden werden können. Das Honorar des Gutachters wird von den Haftpflichtver­sicherern (welche Mitglied des Schweizerischen Ver­sicherungsverbands SVV sind) der Ärzte oder Spitäler übernommen. Für ein schriftliches oder mündliches Gutachten muss der Patient eine ­Bearbeitungsgebühr von CHF 1000 zuzüglich MWST entrichten.
Die Gutachterstelle ist ein nützliches und effizientes Instrument für Patienten und Ärzte. Sie ermöglicht den Patienten die kostengünstige Klärung der Frage, ob sie Opfer eines ärztlichen Fehlers geworden sind, und sie gibt dem Arzt bzw. seinem Haftpflichtversicherer eine zuverlässige Grundlage, um den Fall ausser­gerichtlich zu regeln.
Die aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle hat im Jahr 2020 insgesamt 32 Gutachten erstellt. In 19 Fällen wurden eine oder mehrere Sorgfaltspflichtverletzung/en bejaht; in 13 Fällen konnte keine Sorgfaltspflichtverletzung festgestellt werden.

Verfahren

Die FMH-Gutachterstelle ist nicht für alle Streitigkeiten zuständig. Sie gibt ein Gutachten nur dann in Auftrag, wenn der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat und zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt werden konnte. Da es bei der FMH-Gutachterstelle um aussergerichtliche Gutachten geht, darf die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung oder des Organisationsfehlers nicht Gegenstand eines bereits erlassenen Gerichtsentscheids oder eines laufenden Verfahrens sein.
Die wichtigsten Schritte des Verfahrens finden sich in Abbildung 1 auf der vorherigen Seite.
Abbildung 1: Ablauf des Verfahrens bei einem Antrag auf Begutachtung.

Statistik der aussergerichtlichen ­Gut­achterstelle

Analyse der Statistik und Vergleich zu den letzten Jahren

Erstellte Gutachten im Jahr 2020: 32
– davon Behandlungen durch Ärzte in der Privat­praxis: 14 (43,8%);
– davon reine Spitalbehandlungen: 15 (46,9%);
– davon Behandlungen in beiden Institutionen: 3 (9,3%);
– davon fachübergreifende Gutachterteams: 5.
In den letzten fünf Jahren (2015–2019) belief sich die Gutachtenanzahl auf durchschnittlich 50.
Quote der bejahten Sorgfaltspflichtverletzungen bzw. Organisationsfehler im Jahr 2020: 59,4%;
– im Jahr 2019: 33,3%;
– in den letzten zehn Jahren (2010–2019): 
zwischen 31,5 und 50,6%;
– in den letzten fünf Jahren (2015–2019): 
zwischen 31,5 und 45,2%.
Anzahl der Nichteintretensentscheide im Jahr 2020: 5;
– im Jahr 2019: 13;
– Durchschnitt der letzten fünf Jahre (2015–2019): 12.

Begrenzte Aussagekraft der Statistik

Keine Repräsentativität auf Schweizer Ebene

Diese Zahlen spiegeln lediglich die Tätigkeit der ­FMH-Gutachterstelle im Jahr 2020 wider. Unsere Gutach­terstelle hat kein Monopol für das Erstellen von Gut­achten, die Patienten geben regelmässig private Gutachten in Auftrag, und die Spitäler bearbeiten jedes Jahr selbst mehrere bei ihnen anhängig gemachte Vorwürfe von Sorgfaltspflichtverletzungen oder Organisationsfehlern. Aufgrund der geringen Datenbasis und der fehlenden Vergleichswerte wäre es also nicht zulässig, auf der Grundlage dieser Statistik Hochrechnungen betreffend die Häufigkeit der jähr­lichen Sorgfaltspflichtverletzungen in den verschie­denen Fachgebieten oder allgemein in der Schweizer Medizin anzustellen.
Tabelle 1: Erstellte Gutachten* und Ergebnis, aufgeschlüsselt nach Sprachregion, 2020.
 Erstellte GutachtenSorgfaltspflichtverletzung** ­bejahtSorgfaltspflicht­verletzung verneint
Sorgfaltspflicht­verletzung
unbestimmt
Deutschschweiz12930
Tessin2110
Westschweiz18990
Ganze Schweiz32
(100%)
19
(59,4%)
13
(40,6%)
0
(0%)
* Im Sinne eines den Parteien übergegebenen «schriftlichen Dokuments».
** Der Begriff der Sorgfaltspflichtverletzung deckt Diagnose- bzw. Behandlungsfehler, Verletzungen der Aufklärungspflicht sowie Organisationsfehler ab.
Tabelle 2: Kausalität*, aufgeschlüsselt nach Sprachregion, 2020.
 Sorgfaltspflicht­verletzung bejahtKausalität
bejaht
Kausalität ­verneintKausalität
unbestimmt
Deutschschweiz9810
Tessin1100
Westschweiz9630
Ganze Schweiz19
(100%)
15
(79%)
4
(21%)
0
(0%)
* Die Kausalität gilt als bejaht, wenn der Gutachter sie als sicher, sehr wahrscheinlich oder ­überwiegend wahrscheinlich eingestuft hat.

Nur teilweise Spiegelung der geleisteten Arbeit der Gutachterstelle

Die Statistik gibt nur die Ergebnisse der im Jahr 2020 erstellten 32 Gutachten wieder, nicht aber den hohen Verwaltungsaufwand, den unsere Gutachterstelle im Vorfeld betreibt. Die Gutachterstelle analysiert die neuen Anträge – im Jahr 2020 waren es 82 – anhand des Reglements und fordert bei Bedarf die fehlenden Unter­lagen an. Von diesen 82 Anträgen wurden 40 an die Delegierten der betreffenden Fachgesellschaft verschick­t. Die restlichen Anträge befinden sich in Bearbei­tung, insbesondere deshalb, weil die Parteien noch nicht alle erforderlichen Unterlagen bereitgestellt haben. Selbst dann, wenn eine Fragestellung nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, bemüht sich die Gutachterstelle, den Patienten nützliche Hinweise für das weitere Vorgehen zu geben.
Tabelle 3: Nichteintreten, aufgeschlüsselt nach Sprachregion, 2020.
 Nichteintreten
Deutschschweiz3
Tessin0
Westschweiz2
Ganze Schweiz5
Tabelle 4: Erstellte Gutachten und Ergebnis für die ganze Schweiz, 1982–2020.
 Erstellte GutachtenSorgfaltspflicht­verletzung ­bejahtSorgfaltspflicht­verletzung verneint
Sorgfaltspflichtverletzung
unbestimmt
1982–20203863
(100%)
1330
(34,4%)
2434
(63%)
99
(2,6%)
2011–2020630
(100%)
265
(42%)
359
(57%)
6
(1%)

Kausalität zwischen Sorgfaltspflicht­verletzung und Gesundheitsschaden

Wird eine Sorgfaltspflichtverletzung bzw. ein Organisationsfehler festgestellt, muss der Gutachter abklären, ob diese Verletzung bzw. dieser Fehler die Ursache des vom Patienten geltend gemachten Gesundheitsschadens ist.
Bei der Beurteilung eines Kausalzusammenhangs muss der Gutachter feststellen, wie sich der Gesundheitszustand des Patienten ohne die festgestellte Verletzung darstellen würde. Hätte der Patient den ­gleichen Gesundheitszustand (d.h., wäre derselbe Gesundheitsschaden auch ohne Fehler eingetreten), ist die Verletzung nicht kausal. Der Gutachter äussert sich zur Kausalität nur in medizinischer, nicht aber in rechtlicher Hinsicht.
Im Jahr 2020 wurden 19 Sorgfaltspflichtverletzungen bzw. Organisationsfehler bejaht. Davon haben die Gutachter die Kausalität in 15 Fällen anerkannt.
Tabelle 5: Erstellte Gutachten und Ergebnis* nach Fachgebiet, 2020 und 1982–2020.
 Erstellte GutachtenSorgfaltspflicht­verletzung ­bejahtSorgfaltspflicht­verletzung verneintSorgfaltspflicht­verletzung unbestimmt
 20201982–202020201982–202020201982–202020201982–2020
Allgemeine Innere ­Medizin450421822308014
Anästhesiologie012704108303
Chirurgie587323113535027
Dermatologie 0310902002
Gastroenterologie 3223901300
Gynäkologie und ­Geburtshilfe44914189029408
Handchirurgie06802404202
Herz- und thorakale
Gefässchirurgie
0280901801
Kardiologie 02701201401
Kieferchirurgie0270302400
Kinderchirurgie0150501000
Nephrologie02000200
Neurochirurgie211423717602
Neurologie0290802001
Onkologie010040600
Ophthalmologie1156148010206
Orthopädische
Chirurgie
779132954481015
Oto-Rhino-Laryngologie HNO012603109104
Pädiatrie17513204003
Pathologie 06040200
Pharmakologie 02020000
Physikalische ­Medizin und ­Rehabilitation013030901
Plastische und ­Wieder-
herstellungschirurgie1134028110402
Pneumologie 03020100
Psychiatrie0210801300
Radiologie 05911604004
Radio-Onkologie01010000
Rheumatologie 0180601200
Thoraxchirurgie06000100
Urologie 28601227103
* Im Falle multidisziplinärer Gutachten wird jede festgestellte Sorgfaltspflichtverletzung dem entsprechenden Fachgebiet zugeordnet. Die Zahl der erstellten Gutachten und die Zahl der in den verschiedenen Fachgebieten festgestellten Sorgfaltspflichtverletzungen können deshalb ­voneinander abweichen.

Aufklärung des Patienten

Die Frage nach der genügenden Aufklärung allein kann nicht Gegenstand eines FMH-Gutachtens sein. Sie kann aber zusätzlich zur vermuteten Sorgfaltspflichtverletzung und/oder zum vermuteten Organisationsfehler gestellt werden.
Eine klare, umfassende und gut dokumentierte Aufklärung ist wichtig. Dies einerseits, damit der Patient die Auswirkungen der Behandlung richtig versteht und Entscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage treffen kann. Andererseits, damit der Arzt belegen kann, wie er den Patienten aufgeklärt hat und dass er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist.
Im Jahr 2020 eruierten die Gutachter in einem der Fälle, in denen kein Diagnose- und/oder Behandlungsfehler bzw. Organisationsfehler begangen wurde, eine ungenügende Aufklärung und bejahten die Kausalität.

Qualitätssicherung

Durch die folgenden Mechanismen wird eine hohe Qualität der Gutachten gewährleistet:
– Nominierung des Gutachters / der Gutachter durch die im jeweiligen Fall betroffene/n medi­zinische/n Fachgesellschaft/en, um eine Beurteilung durch neutrale und kompetente Gutachter sicherzustellen. Die Mandatierung des Gutachters / der Gutachter erfolgt am Ende eines Ablehnungsverfahrens.
– Erstellung des Gutachtens auf Grundlage eines seit vielen Jahren verwendeten Schemas, das die Gutachter dabei unterstützt, ihren Text zu strukturieren und alle entscheidenden Punkte zu berücksichtigen.
– Lesung der Gutachtensentwürfe durch den Rechtsdienst der FMH, um sicherzustellen, dass die Gutachten klar verständlich, umfassend und schlüssig sind.

Dauer des Verfahrens

Bei den im Jahr 2020 vorgelegten Gutachten haben die Verfahren im Durchschnitt 21 Monate ab Einreichen des vollständigen Antrags gedauert. Diese für die betroffenen Patienten und Ärzte, die eine möglichst rasche Klärung der aufgeworfenen Fragen wünschen, lange Verfahrensdauer lässt sich unter anderem mit den folgenden Gründen erklären:
– Das Verfahren ist reglementiert, transparent, und alle Beteiligten werden einbezogen. Dies benötigt Zeit. Je nach Fall dauert nur schon die Suche nach kompetenten Gutachtern mehrere Monate. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die vorgeschlagenen Gutachter abgelehnt werden.
– Das Zusammentragen der medizinischen Unterlagen, die für die Erstellung des Gutachtens benötigt werden, ist häufig mit Schwierigkeiten verbunden. Hinzu kommt, dass nur wenige Anträge bei Einreichung vollständig sind.
– Die berufliche Belastung vieler Gutachter ist derart hoch, dass sie die benötigte Zeit für die Ausarbeitung eines Gutachtens kaum finden können; oft wird dafür ein Teil der Freizeit geopfert.
– Hinzu kommen der Zeitaufwand des Rechtsdienstes der FMH für das juristische Lesen der Gutachtensentwürfe und gegebenenfalls die Zeit, die der Gutachter benötigt, um sein Gutachten zu über­arbeiten.
– Sind mehrere Gutachter beauftragt, benötigt jeder Verfahrensschritt mehr Zeit, begonnen bei der Anhörung und Untersuchung des Patienten bis zur Schlussredaktion des Gutachtens.

Neues Reglement und FMH-Gemeinschaftliches Gutachterkonsilium

Am 1. Oktober 2019 ist das vollständig überarbeitete Reglement in Kraft getreten. Da die vor diesem Datum eingereichten Anträge noch unter das alte Reglement fallen, kamen 2020 das alte und das neue Reglement parallel zur Anwendung.
Im Rahmen eines bis Ende 2021 angelegten Pilotprojekts eröffnet das neue Reglement die Möglichkeit eines FMH-Gemeinschaftlichen Gutachterkonsiliums. Dabei handelt es sich um ein mündliches Verfahren, bei dem der Gutachter den Parteien am runden Tisch medizinische Fragen erläutert. Der Fall muss für eine solche Gutachtenart geeignet sein, ebenso wie sämt­liche Parteien mit einem solchen Vorgehen einverstanden sein müssen.
Seit Beginn des Pilotprojekts haben wir acht Anträge auf ein Gemeinschaftliches Gutachterkonsilium erhalten:
– In einem Fall musste der für November 2020 vorgesehene runde Tisch wegen des Coronavirus verschoben werden.
– In einem Fall läuft derzeit die Gutachtersuche.
– Drei Fälle sind in Prüfung.
– In drei Fällen musste ein schriftliches Gutachten organisiert werden, weil entweder nicht alle Parteien mit dem Gemeinschaftlichen Gutachterkonsilium einverstanden waren oder aber das Dossier für eine solche Vorgehensweise nicht geeignet war.

Zur Erinnerung: 
neue Bestimmung der Standesordnung

Am 9. Mai 2019 nahm die Ärztekammer in die Standesordnung der FMH eine neue Bestimmung auf, die zum 1. April 2020 in Kraft getreten ist. Demnach sind die Mitglieder der FMH nunmehr verpflichtet, das Honorar des Gutachters des von der Gutachterstelle in Auftrag gegebenen Gutachtens zu übernehmen, wenn ihre Haftpflichtversicherung nicht Mitglied des Schweize­rischen Versicherungsverbands (SVV) ist und keine Kostengutsprache gewährt. Wenn die Haftpflichtver­sicherung Mitglied des SVV ist, zahlt sie auf der Grundlage des 1982 zwischen FMH und SVV geschlossenen «Gentlemen’s Agreement» unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens und ihrer Einschätzung hinsichtlich des Nutzens eines solchen Gutachtens das Honorar der Gutachter.
Weitere Informationen finden Sie in dem entsprechenden Artikel in der Schweizerischen Ärztezeitung [1].

FMH/SIM-Arzthaftungsmodul für ­Medizinische Gutachter

Im Zuge der Einführung des neuen Reglements haben FMH und Swiss Insurance Medicine SIM ein Arzthaftungsmodul für Medizinische Gutachter auf die Beine gestellt. Ärzte verschiedener medizinischer Fach­gebiete und erfahrene Juristen werden – aus theo­retischer Sicht und anhand praktischer Beispiele – ­spe­zifische Fragen auf dem Gebiet der Arzthaftung behandeln, wie z.B. die Sorgfaltspflicht von Ärzten, ihre Verpflichtung zur Aufklärung der Patienten, die Tätigkeit des Gutachters, den Ablauf eines Gemeinschaftlichen Gutachterkonsiliums sowie die Kommunikation bei medizinischen Zwischenfällen.
Dieses Modul, an dem die Rechtsanwältinnen der Gutachterstelle aktiv teilnehmen, fand im Januar 2020 im Rahmen eines Pilotprojekts in Basel statt. Angesichts seines Erfolgs wurde es im August 2020 erstmals offi­ziell in der Deutschschweiz ausgerichtet. Im November 2020 sollte das Modul in der Westschweiz stattfinden, musste aber wegen der Pandemie verschoben werden.
Weitere Informationen zu diesem Ausbildungsmodul finden Sie auf der entsprechenden Website der Gutachterstelle.

Referate

Die Rechtsanwältinnen der Gutachterstelle referieren insbesondere an Veranstaltungen, welche die Ausbildung medizinischer Gutachter oder das Haftpflichtrecht allgemein betreffen. 2020 hielten sie per Videokonferenz Referate für die interdisziplinäre Plattform für Versicherungsmedizin SIM und die Universität von Neuenburg (CAS Patientenrechte und öffentliche Gesundheit) sowie vor Ort in Basel und Zürich im Rahmen des Arzthaftungsmoduls der FMH/SIM für Medizinische Gutachter.

Feedback-Formulare – Ergebnisse

Sechs Monate nachdem das Gutachten den Parteien zugestellt wurde, sendet die Gutachterstelle den Parteien ein Feedback-Formular zu, um Informationen über den weiteren Verlauf der Streitigkeit zu erhalten. Das Ausfüllen dieses Formulars erfolgt freiwillig. Wir stellen einmal mehr erfreut fest, dass sowohl die Pa­tienten als auch die Haftpflichtversicherungen sich die Mühe machen, das Formular auszufüllen und uns ­zuzusenden.
Die Ergebnisse des Jahres 2020 stehen im Einklang mit denen der Vorjahre:
– Wenn das Gutachten eine Sorgfaltspflichtverletzung bzw. einen Organisationsfehler festgestellt und die Kausalität bejaht hat: Das Ergebnis wird oft von den Haftpflichtversicherungen akzeptiert, und die Patienten werden entschädigt. Manchmal bestreiten die Haftpflichtversicherungen die Kausalität, und beide Parteien müssen verhandeln. Nicht alle Patienten zeigen sich mit der ihnen angebotenen Entschädigung zufrieden. Einige entscheiden sich dann für eine Zivilklage.
– Wenn das Gutachten keine Sorgfaltspflichtverletzung bzw. keinen Organisationsfehler festgestellt hat oder aber eine solche Verletzung festgestellt, aber die Kausalität verneint hat: Die Patienten sind zwar unzufrieden mit dem Ergebnis, die grosse Mehrheit verzichtet jedoch auf eine gerichtliche Klage oder auf ein privates Gutachten.
In den uns seit Einführung des Feedback-Formulars 2016 bis heute von den Haftpflichtversicherungen übermittelten Daten sind die folgenden Entschädigungen aufgeführt*:
Tabelle 6: Von den Haftpflichtversicherungen ­übermittelte Entschädigungen.
Betrag der Entschädigung in CHFAnzahl
1–10 0004
11 000–20 0002
21 000–50 0002
51 000–100 0005
101 000–200 0003
201 000–500 0002
> 500 0004

Wissenschaftlicher Beirat

Der wissenschaftliche Beirat überwacht im Auftrag des FMH-Zentralvorstands die Tätigkeit der Gutachterstelle. Er hat keine Entscheidungskompetenz, sondern entlastet den Zentralvorstand von seiner Aufsichtspflicht und unterstützt die Gutachterstelle bei der ­Lösung allfälliger Schwierigkeiten in einem Dossier. Da das Berichtsjahr durch die Pandemie betroffen war, trat der wissenschaftliche Beirat nur ein einziges Mal zu einer Präsenzsitzung zusammen. Er hat stichprobenweise acht Gutachtendossiers und sechs Nichteintretensentscheide geprüft, wobei eine dieser Qualitätskontrollen per Zirkularbeschluss erfolgte.
Der wissenschaftliche Beirat setzt sich wie folgt zusammen:
– Dr. med. Andreas Rindlisbacher, Präsident, Vertreter der Ärzte;
– Dr. med. Jürg Knessl, Vertreter der Patienten;
– Michel Bögli, lic. iur., Vertreter der Versicherungen;
– Dr. med. Gerhard Ebner, Vertreter der SIM.

Dank

Zahlreiche Akteure tragen zum guten Funktionieren der aussergerichtlichen FMH-Gutachterstelle bei. Wir danken den medizinischen Fachgesellschaften und ­ihren Delegierten für die wertvolle Unterstützung und den Gutachtern für ihre Verfügbarkeit und ihre grossartige Arbeit. Ebenfalls danken wir den behandelnden Ärzten sowie den Spitalleitungen, die bei den Begutachtungen mitgewirkt haben.

Empfehlung an Patienten

Wenden Sie sich telefonisch an die aussergerichtliche Gutachterstelle der FMH, bevor Sie den definitiven Antrag auf Begutachtung einreichen. Diese Vorbesprechungen tragen dazu bei, viele Fragen von vornherein zu klären, damit das Verfahren möglichst optimal und schnell ablaufen kann. Beispiele für behandelte Fragen:
– Wenn man den Ablauf Ihrer Behandlung betrachtet, welche Ärztinnen und Ärzte hätten eine Sorgfaltspflichtverletzung begehen können?
– Welche Dokumente brauchen Sie?
– Worin besteht der Gesundheitsschaden?
– usw.

Kontakt, Antragsformular, Informationen

Um die Einreichung eines Antrags auf Begutachtung zu vereinfachen, verfügen wir über ein Formular in zwei verschiedenen Formaten: Das Web-Formular kann am Bildschirm ausgefüllt und uns online übermittelt werden. Das PDF-Formular kann am Bildschirm ausgefüllt werden, muss aber handschriftlich unterzeichnet und uns per Post zugesandt werden.
Die beiden Versionen des Formulars finden Sie hier: www.fmh.ch → Dienstleistungen → Recht → FMH-Gutachterstelle. Auf unserer Website finden Sie zudem umfangreiche Informationen zum Ablauf des Verfahrens. Für weitere Fragen stehen Ihnen unsere Mitarbeitenden gerne zur Verfügung:
Aussergerichtliche ­Gutachterstelle der FMH
Postfach
CH-3000 Bern 16
Tel. 031 359 12 10
Fax 031 359 12 12
1 Hartmann C. Neue standesrechtliche Regelung. Schweiz Ärzteztg. 2019;100(39):1292–3.