Organisationen der Ärzteschaft
Der «Ärzte Kodex – Medizin vor Ökonomie»
Gegen die zunehmende Ökonomisierung der Medizin
a Prof. Dr. med.; b Dr. med.; c Co-Präsidium der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin
Schweizer Ärztinnen und Ärzte geraten zunehmend unter Druck, die Patientenversorgung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Dies kann zu Über- und Fehlversorgung führen und beeinflusst die Behandlungen negativ. Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin tritt dieser Fehlentwicklung entgegen, indem sie den «Ärzte Kodex – Medizin vor Ökonomie» der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. unterstützt – als schweizweit erste Fachgesellschaft.
Die Delegierten der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) haben an der vergangenen Delegiertenversammlung den «Ärzte Kodex – Medizin vor Ökonomie» der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) kritisch diskutiert und ihm im Anschluss ihre Unterstützung ausgesprochen. Mit dem Kodex verpflichten sich Medizinerinnen und Mediziner, ihr ärztliches Handeln stets am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten und den Behandlungsentscheid nicht primär auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Nutzenoptimierung vorzunehmen. Die SGAIM lehnt diese zunehmende Fehlentwicklung im Schweizer Gesundheitswesen bereits seit vielen Jahren ab. So gehört die SGAIM als schweizweit grösste medizinische Fachgesellschaft zu den Gründungsmitgliedern des Trägervereins «smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland». Dieser hat sich zum Ziel gemacht, die medizinische Über- und Fehlversorgung in der Schweiz zu mindern.


Patientenwohl an erster Stelle
In Deutschland lassen sich die Auswirkungen des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks auf Fehlentwicklungen in der Medizin seit vielen Jahren noch deutlicher beobachten als in der Schweiz. Doch auch hierzulande leiden Ärztinnen und Ärzte unter Kostendruck, zunehmender Bürokratisierung und unrealistischen Zielvorgaben. Besonders in den Spitälern sind Personalreduktionen, die Ausrichtung der Angebotsstrategie auf Fächer mit günstigen Fallzahlen sowie der Verzicht auf Weiterbildung zu beobachten. Auch in der ambulanten Medizin droht mit den geplanten Kostendämpfungsmassnahmen des Bundes eine Wiederholung der Fehler, die im deutschen System geschehen sind: Unabhängig davon, was eine Patientin oder ein Patient benötigt, sind Ärztinnen und Ärzte dort gezwungen, die Behandlungen zu rationieren, sobald eine definierte Kostengrenze überschritten wird. «Müssen Leistungen aus der eigenen Tasche oder mit einer Zusatzversicherung bezahlt werden, ist eine Zweiklassenmedizin Wirklichkeit geworden», warnt Dr. med. Regula Capaul, Co-Präsidentin und Mitglied der Qualitätskommission der SGAIM. Weiter betont sie: «Wir beobachten bereits seit Jahren mit Sorge, wie der ökonomische Druck auf Ärztinnen und Ärzte zunimmt – zum Leid unserer Patientinnen und Patienten […] Dieser Druck steht im Widerspruch zum Auftrag von Ärztinnen und Ärzten, dem Wohl aller Patientinnen und Patienten nach bestem Fachwissen und mit einer angemessenen Medizin Sorge zu tragen.» Es besteht das Risiko, dass eine falsche Priorisierung der ärztlichen Tätigkeiten seitens der Patientinnen und Patienten zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust führt. Hier setzt der «Ärzte Kodex» an.
Reflektieren und sensibilisieren
Der «Ärzte Kodex» soll Fachärztinnen und -ärzten der Allgemeinen Inneren Medizin dabei helfen, die Auswirkungen der Ökonomisierung auf ihren Arbeitsalltag kritisch zu reflektieren. Zudem sollen Entscheidungsträgerinnen und -träger, Medien und Öffentlichkeit bezüglich der Problematik sensibilisiert werden. Die SGAIM möchte mit der Unterstützung des «Ärzte Kodex» eine öffentliche Debatte anstossen. Im Kampf für eine massvolle, patientenzentrierte Medizin ist eine breite Unterstützung aus den Reihen der Ärzteschaft notwendig. Auch andere Fachgesellschaften in der Schweiz werden deshalb animiert, sich im Zuge des zunehmenden Drucks der Wirtschaft hinter die Grundsätze der optimalen Patientenbetreuung zu stellen.
Der Ärzte Kodex
Der «Ärzte Kodex – Medizin vor Ökonomie» der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. wurde 2017 veröffentlicht. Inzwischen haben sich viele regionale, nationale und internationale Organisationen den Forderungen angeschlossen, darunter die Ärztekammer Hamburg, die Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM) oder die European Federation of Internal Medicine (EFIM). Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) ist schweizweit die erste medizinische Fachgesellschaft, die den Ärzte Kodex unterstützt.
Mehr Informationen unter www.sgaim.ch und www.dgim.de/veroeffentlichungen/aerzte-codex/
Über uns
Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) ist Ende 2015 aus der Fusion der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGIM) entstanden. Die SGAIM ist die grösste medizinische Fachgesellschaft der Schweiz und vertritt die Interessen ihrer rund 7500 Mitglieder, welche als Fachärzte und -ärztinnen der Allgemeinen Inneren Medizin sowohl stationär als auch ambulant tätig sind.
Das Wichtigste in Kürze
• Ärztinnen und Ärzte geraten zunehmend unter Druck, die Patientenversorgung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, was zu Über- und Fehlversorgung führt und Behandlungen negativ beeinflusst.
• Fachärztinnen und Fachärzte sollen mit Hilfe des «Ärzte Kodex» ihren Arbeitsalltag reflektieren und so eine adäquate Behandlung der Patientinnen und Patienten sicherstellen.
• Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin unterstützt diesen Kodex als schweizweit erste Fachgesellschaft.
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