Unterschied zwischen Aktivismus und Wissenschaftlichkeit

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2021/2930
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20009
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(2930):958

Publiziert am 20.07.2021

Unterschied zwischen Aktivismus und Wissenschaftlichkeit

Ich möchte dem Medizin-Ethiker Prof. Dr. Rouven Porz zu seinem Beitrag gratulieren.
Wir Ärzt*innen verstehen uns als Helfende, sind uns aber unserer Machtposition viel zu wenig bewusst.
Es ist wohl kaum Zufall, dass dieser Beitrag in der Corona-Zeit gedruckt wurde, in welcher die medizin-ethischen Prinzipien Respekt, Fürsorge, Nicht-Schaden und Gerechtigkeit allseits so ausgelegt werden, wie sie gerade passend scheinen.
Ich empfehle allen Kolleg*innen, einmal die Begriffe «Talk Spezial – die grosse Corona-Abrechnung – Prof. Ioannidis» in eine Suchmaschine einzugeben und sich das 22-minütige Gespräch anzuhören.
Falls Sie sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben sollten, werden Sie dort auf den Unterschied zwischen Aktivismus und Wissenschaftlichkeit hingewiesen und ebenso auf die Tatsache, dass die meisten von uns den Pfad bzw. das Funktionsprinzip der Wissenschaftlichkeit leider verlassen haben oder sich zu wenig dafür einsetzen.
Von dieser Erkenntnis ist es dann nur noch ein kurzer Weg zur Frage nach Macht und Verantwortung.
Denn wenn wir nicht mehr respektvoll auf alle Wissenschaftler*innen hören und keinen Diskurs mehr führen über divergierende wissenschaftliche Positionen, dann bleibt nur die Erkenntnis, dass dies nicht mehr gewünscht und nicht mehr möglich ist und dass die Machtstrukturen, die das verhindern, sehr mächtig sein müssen.
Ein gesundes Mass an Misstrauen gegenüber Machtstrukturen ist heute mehr denn je mehr als angebracht. Sonst drohen uns der Verlust medizin-ethischer Prinzipien und ein wissenschaftliches Mittelalter.