Ernährungsmedizin, ein neuer interdisziplinärer Schwerpunkt

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Ausgabe
2021/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20014
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(33):1048

Affiliations
a Prof. Dr. med., Präsident der GESKES; b Prof. Dr. med., Med. Klinik, Kantonsspital Aarau; c Prof. Dr. med., Service d’endocrinologie, Hôpitaux universitaires de Genève; d Prof. Dr. med., Inselspital Bern; e Prof. em., Dr. med.

Publiziert am 18.08.2021

Zur Verankerung der Ernährungsmedizin in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung bietet die Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz (GESKES) neu ein Weiterbildungsprogramm für den interdisziplinären Schwerpunkt «Ernährungsmedizin» an.
Mehrere Gründe haben uns veranlasst, uns für die Schaffung des Titels «Ernährunsmedizin» und dessen Anerkennung durch das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) einzusetzen:
Die Rolle der adäquaten Ernährung für die Gesundheit wird grundsätzlich meistens anerkannt, ­jedoch ist oft die wissenschaftlich fundierte ­Ernährungsmedizin nicht Teil des medizinischen Handelns.
Die Ernährungsmedizin hat aus verschiedenen Gründen an Bedeutung gewonnen. Einerseits sind ernährungsabhängige Erkrankungen wie Adipositas und ­deren Folgen weltweit am Zunehmen. Es ist auch festzustellen, dass heute das Publikum vermehrt auf ­gesundheitliche Aspekte der Ernährung achtet. Es bestehen gesellschaftliche Trends in der Ernährung, die aus gesundheitlicher Sicht nicht unproblematisch sind (Beispiel: vegane Ernährung).
Andererseits nimmt die krankheitsbedingte Mangel-
ernährung aufgrund der Fortschritte in der Medizin und der Zunahme der Lebenserwartung bei uns an Häufigkeit zu. Die Bedeutung einer adäquaten Ernährungstherapie bei Mangelernährung ist unter anderem in der «EFFORT»- Studie aus der Schweiz [1] nachgewiesen worden.

Wissenschaftlich fundierte ­Ernährungsmedizin

Zudem sind heute Techniken zur künstlichen Ernährung (enteral, par­enteral) verfügbar, deren korrekte und sichere Anwendung eine besondere Ausbildung erfordert. Nicht selten sind bei polymorbiden Patientinnen und Patienten komplexe Ernährungssituationen vorhanden, die eine adäquate ernährungsmedizinische Betreuung benötigen.
Mit der Etablierung von klinischen Einheiten oder ­Institutionen, die einen ernährungsmedizinischen Schwerpunkt aufweisen, soll die klinische Ernährung in interdisziplinären und interprofessionellen Teams gestärkt werden. Insbesondere soll die wissenschaftlich fundierte Ernährungsmedizin gefördert werden. Das Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten in diesem Gebiet soll sich durch Ausweisinhaberinnen und Ausweisinhaber mit ernährungsmedizinischer Kompetenz positiv auf die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten auswirken. Bisher war die Ernährungs­medizin in der Aus- und Weiterbildung oft ein vernachlässigtes Gebiet.
Ein Ziel der Förderung der Ernährungs­medizin ist es, dass alle Ärztinnen und Ärzte grundlegende Kenntnisse in diesem Gebiet haben. Sie sollten in der Lage sein, wichtige Elemente einer Beratung zu vermitteln oder medizinische Massnahmen zu treffen, die bei ­einer Vielzahl von Krankheiten eine prophy­laktische oder therapeutische Wirkung haben. Ernährungsmedizinische Massnahmen im klinischen Umfeld erfüllen auch die WZW-Kriterien (WZW = wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) [2].
Ärztinnen und Ärzte mit anerkanntem Facharzttitel, die die theoretische und praktische Weiterbildung gemäss Programm absolviert haben, können bei der GESKES einen Antrag zur Verleihung des Titels stellen. Weitere Informationen über die Weiterbildung sind auf der Website der GESKES (www.geskes.ch) vorhanden.
Prof. em. Dr. med. ­Ulrich Keller
Fichtlirain 33
CH-4105 Biel-Benken
ulrich.keller[at]quickline.ch
1 Schuetz P, Fehr R, Baechli V, Geiser M, Deiss M, Gomes F, et al. ­Individualised nutritional support in medical inpatients at ­nutritional risk: a randomised clinical trial. The Lancet. 2019;393(10188):2312–21.
2 Frei A. Gesundheitsökonomische Studie im Auftrag des BAG. BAG Bulletin. 2007;20:355.