Feedback ist eines der wichtigsten Qualitätsinstrumente sowohl im klinischen Alltag als auch beim Lernen. Feedback wird heute zwar immer mehr eingefordert, aber es sollte dann bitte doch positiven Inhaltes sein. Eine Rückmeldung kann aber nicht immer nur lobend sein: Kritische Aspekte müssen angesprochen werden, und dies ist nicht angenehm. Rückmeldungen dienen dazu, Lücken zu erkennen und daraus zu lernen. Die Akzeptanz von Feedback steigt, wenn heikle Punkte in einer respektvollen und professionellen Art und Weise besprochen werden können. Gutes konstruktives Feedback ist nicht wertend, sondern beschreibend, möglichst konkret und nicht verallgemeinernd und vor allem geprägt von einer wertschätzenden Haltung.
Seit vielen Jahren führt eine Gruppe der ETH Zürich unter der Leitung von Michael Siegrist, Professor für Consumer Behavior, die jährlichen Befragungen der Ärzte und Ärztinnen in Weiterbildung zur Qualität der Weiterbildungsstätten durch. Neben den Standardfragen werden jedes Jahr wechselnde Modulfragen zu aktuellen Themen gestellt. 2019 wurden die Assistenzärztinnen und -ärzte gefragt, ob sie sich durch das Medizinstudium gut auf ihre aktuelle Tätigkeit vorbereitet fühlten und wie gut aus ihrer Sicht praktische und soziale Fähigkeiten vermittelt worden waren. Die Resultate dieser Erhebung sind erfreulich: Im Vergleich zu früheren Jahren sei das Medizinstudium praxisnaher geworden, und soziale Aspekte würden vermehrt berücksichtigt (siehe Seiten 944–947). Verbesserungspotenzial bestehe aber weiterhin, und genau hier müssen wir ansetzen: Die ärztliche Aus- und Weiterbildung muss in Zukunft noch enger zusammenrücken. Die Rückmeldungen der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung können den Fakultäten helfen, eine optimale und bedarfsgerechte Ausbildung anzubieten.
Zugleich ist das Medizinstudium, das seit einigen Jahren kompetenzbasiert ist, die Basis für die anschliessende Weiterbildung. Mit der Einführung der von der Schweizerischen Medizinischen Interfakultätskommission SMIFK erarbeiteten «Hauptrelevanten Ziele und Rahmenbedingungen für integriertes Lernen und Bildung in der Schweiz», genannt «PROFILES», wurden auch die «Entrustable Professional Activities (EPAs)» implementiert, die für die ärztliche Weiterbildung eine gute Basis bilden. Sie stehen für «Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten», welche den Fortschritt der Trainees in Hinblick auf die erlangte Selbständigkeit evaluieren. Das SIWF arbeitet mit Hochdruck daran, die Kompetenzorientierung in die ärztliche Weiterbildung einzubauen und auch EPAs aus den PROFILES für deren Einsatz in der Weiterbildung weiterzuentwickeln. Ein engeres Kontinuum zwischen Aus- und Weiterbildung ist auch hier wünschenswert und möglich.
Das Thema Feedback stösst auch bei den Oberärzten und leitenden Ärztinnen, die einen Weiterbildungsauftrag haben, auf grosses Interesse: Die Module über Assessment und Feedback in den Teach-the-teachers-Kursen, die das SIWF zusammen mit dem Royal College of Physicians organisiert, sind jeweils am schnellsten ausgebucht. Mit der Neuausrichtung der ärztlichen Weiterbildung auf Kompetenzorientierung und der Einführung der EPAs werden diese Themen noch wichtiger: Die Beurteilung der
Entrustability ist im Prinzip eine Rückmeldung der beurteilenden Oberärztin an den Assistenzarzt: «… ich traue Dir zu, dass Du diese ärztliche Tätigkeit selbständig durchführen kannst …» Das SIWF hat kürzlich ein Arbeitspapier zu diesem Thema publiziert (
www.siwf.ch/files/pdf26/siwf-konzeptpapier-kompetenzorientierung-2021.pdf). Konstruktives Feedback und kompetenzbasierte ärztliche Weiterbildung haben eines gemeinsam: Beide bedingen ein Umdenken und einen Kulturwandel in der Betreuung unserer Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung – mit dem Ziel, auch in Zukunft gute Ärztinnen und Ärzte zu haben.
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