In memoriam Ernst Schneider (27. März 1940 – 25. Juli 2021)

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Ausgabe
2021/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20171
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(40):1289

Publiziert am 05.10.2021

Nach langer Erkrankung ist Dr. med. Ernst Schneider am 25. Juli 2021 im Alter von 81 Jahren verstorben. Wir verlieren einen vielseitig interessierten, humanistisch gebildeten, engagierten Menschen, Freund und Mentor, der die Angiologie der Schweiz mitgestaltet hat. Sein Lebensweg hat ihn geprägt, und wir, die ihn eine Wegstrecke begleiten durften, haben von ihm gelernt.
Ernst Schneider wurde in Talmesch (Rumänien) geboren. An der Universität Cluj (Klausenburg) promovierte er 1962 zum Doktor der Medizin. Auf die klinische Weiterbildung 1962 bis 1965 in der Universitätsklinik Cluj folgte eine sechsjährige wissenschaftliche Assistenzzeit.
Wegweisend für seine private und berufliche Zukunft war 1971 die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Die Weichen für die angiologische Karriere stellte er an der Angiologischen Klinik «Max Ratschow» in Darmstadt-Eberstadt von 1971 bis 1973. Auch wenn die Anerkennung des Titels «Facharzt für Innere Medizin» durch die Ärztekammer Hessen 1973 die Bezeichnung Angiologie nicht beinhaltete, blieb er der Gefässmedizin tief verbunden und wurde Mitgestalter dieser ­Disziplin.
Ab 1975 arbeitete Schneider im Universitätsspital ­Zürich in der Abteilung Kardiologie mit invasiver ­Tätigkeit und ab 1977 in der Abteilung Angiologie bei Prof. Alfred Bollinger. Nach Aufenthalt im Midwest Heart and Vascular Institute, Wichita, Kansas, wurde er 1987 Leitender Arzt unter wechselnden Klinik­direktorinnen und -direktoren bis zu seiner Pensionierung am 31. März 2005. Danach nutzte er sein ­Können für die treu verbundenen Patientinnen und Patienten bis 2018 als Belegarzt der Privatklinik Hirslanden Zürich.
Während seiner dreissigjährigen Tätigkeit im Universitätsspital Zürich war Ernst Schneider ab 1980 für die Koordination der «Interventionellen Angiologie» zuständig. Er fühlte sich Prof. Andreas Grüntzig, dem ­Pionier der vaskulären Katheterintervention, verbunden und entwickelte die interventionelle Angiologie nach dessen Weggang weiter. Bereits 1980 führte er im Universitätsspital Zürich die lokale Thrombolyse und Thrombusaspiration akuter arterieller Verschlüsse ein und wandte sämtliche gängigen Techniken der interventionellen Angiologie im Bereich der Extremitäten und viszeralen Arterien an. Sein Wissen gab er an junge, talentierte Kolleginnen und Kollegen weiter, die über die Schweiz verteilt die invasiven Techniken im «Schneider-Stil» weiterleben. Sein wissenschaftliches Schaffen galt der interventionellen Technik mit Entwicklung des Mikroporballonkatheters für lokale Thrombolyse und perkutane Thrombembolektomie. 1992 ­erhielt er für die Verdienste im Gebiet der Katheter­therapie die Andreas-Grüntzig-Goldmedaille der International Andreas Grüntzig Society.
Durch profundes Verständnis für Gefässmedizin, krea­tives Schaffen und interdisziplinäre freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Gefässchirurgie hatte er die Schweizerische Gesellschaft für Angiologie (SGA) auch als Vorstandmitglied mitgeprägt. So wurde am Schweizerischen Angiologie-Jahreskongress, den er 1999 in ­Zürich organisiert hatte, die Union der Schweizer ­Gefässgesellschaften (USGG) als Dachverband der Facharztgesellschaften für Gefässerkrankungen gegründet, deren Ziel bis heute ein konstruktives «Mit­einander» ist.
Neben diesen Leistungen beeindruckte Schneider durch vielseitige Interessen und seinen hellen Geist. Letzterer machte den Umgang mit ihm nicht immer einfach, da seine Geschwindigkeit im Denken manch einen hinter sich liess. Neben der Angiologie galt seine Begeisterung auch gutem Essen, schönem Wein, schnellen Autos und dem Fischen, dies alles teilte er gern mit Freunden und seiner Partnerin. Dieses Feuer führte ihn nach der Pensionierung nochmals in die erfolgreiche Erforschung einer durch Bryozonen verursachte, proliferative Nierenerkrankung bei Forellen. Nie rasten, immer Neues, geistig und handwerklich aktiv, so kennen wir Ernst Schneider.
Wir verlieren in Ernst einen grossen Angiologen mit Ecken und Kanten, mit grossem Herz, Witz und Intelligenz. Wir vermissen ihn und geben uns Mühe, dass seine «Mission Angiologie» durch uns ein Stück weiterlebt.
Dr. med. Corina Canova, Prof. Dr. med. Iris Baumgartner, Prof. Dr. med. Jon Largiadèr
corina.canova[at]gefaesse-so.ch