Bewusstsein hilft gegen Ängste

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2021/39
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20183
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(39):1268

Publiziert am 28.09.2021

Bewusstsein hilft gegen Ängste

Dass der Mensch der Meningokokke des ­Ökosystems sei und damit bald ein globales Multi­organversagen anrichtet, erinnert an eine ähnliche, schon länger bekannte Metapher, dass der Mensch das Krebsgeschwür an der Natur ist.
Natürlich kann man weiter schimpfen und sich dauer-empören, wie es uns der gigantische Leerlauf in den Social Media mit seinen Steiss-Reflexen täglich vormacht und hirnwäschig aufdrängt.
Zweifellos könnten die florierenden Ängste gemindert werden, wenn wir mal wieder unser Hirn einschalten und unsere wirklichen Hausaufgaben machen würden. Neben aller destruktiven Hetze ist auch sehr viel Unwissen, Lüge und fatale Wahrnehmungsverweigerung im Spiel:
Es darf daran erinnert werden, dass wir uns durch jahrzehntelangen, verantwortungs­losen Mangel an Förderung der freiwilligen Familienplanung in eine präapokalyptische Menge (und Enge …) von heute 7,773 Milliarden Menschen manövriert haben. Die Tausenden von Symptomen und Indizien dieser unserer eigenen Überbevölkerung auf Kosten aller ­anderen Arten werden täglich endlos und ­völlig ineffizient beklagt. Aber es geht erbarmungslos weiter: Jedes Jahr wachsen uns über 80 000 000 Menschen zu, ein ganzes Deutschland. Dabei wird auch nicht bedacht, was für ein schon irrsinniger und bald unbezahlbarer Preis zu entrichten ist (= Schulden machen in die Zukunft unserer Kinder) für das hemmungslose Überfahren des klugen Thomas-Malthus-Prinzips: Die Menschen sollten sich nicht über das (Bio-)Nahrungs­angebot hinaus vermehren. Wenn wir die überlebensnotwendige Ehrlichkeit für diese grundlegendste, globale Problematik nicht ­erbringen können, dann muss Herr van Spijk weiterhin mit seinen Ängsten leben. «Was ist ums Himmelswillen zu tun?» Die UNO weiss, dass von den 80 Millionen mehr Menschen jedes Jahr deren 70 Millionen Babys schon von ihren Müttern unerwünscht sind, diese Chancenlosen also schon miserable Startaussichten haben. Wie elend, unehrlich und verlogen ist es doch, auch diesen armen Kindern noch neben den Milliarden in den aufstrebenden Schwellenländern auch nur einen eventuellen Platz an der Sonne zu versprechen? Das hält garantiert weder die Umwelt noch die ­Gesellschaft aus. Entgegen der unheiligen Allianz und Weltmacht von konservativen ­Religionen mit dem globalen Raubtierkapitalismus sollte baldmöglichst die Postwachstums-Diskussion geführt werden. Sinnlos ist weiterhin, den kinderreichen Afrikaner gegen den energiereichen Amerikaner auszuspielen. Alle sind Opfer und Täter und können im Sinne von «weniger ist mehr» beide etwas ­beitragen. Diese überlebens­notwendige Bewusstseinsbildung allüberall ist grund­legendst systemrelevant und matchentscheidend. Technologie und Verbote sind sicher gut und nötig, aber nie so echt nachhaltig und buchstäblich notwendig wie die freiwillige Familienplanung. Die Propagierung der Biszweikindfamilie (ersetzen statt vermehren …) bringt nur Win-win-Situationen auch bei Armut, Hunger, Migration, Kriegen, Ressourcenschonung und Umweltschutz. Kennen Sie eine effizientere, ganzheitlichere, kausalere, humanere, machbarere, billigere und nachhaltigere Einzelmassnahme? Kollege van Spijk, legen Sie doch bitte Ihre bisher an die Ängste verschwendete Energie um in die permanente, laute Förderung der freiwilligen Familienplanung. Es wird Ihnen dabei ­garantiert nachhaltig besser gehen. Gerade wir Ärzte haben hier eine sehr verantwortungsvolle und unendlich dankbare Aufgabe. Schweigen ist globales Gift.
Freundliche Grüsse