In memoriam Heinrich von Grünigen (1941-2021)

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Ausgabe
2021/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20215
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(42):1358

Publiziert am 19.10.2021

Ein plötzlicher Abschied

Eben noch aktiv und eloquent tätig in seiner «neuen» Berufung nach der Pensionierung 2001 beim SRF, verstarb Heinrich von Grünigen am 27. August 2021 ­überraschend. HvG prägte die Schweizerische Adipositas-Stiftung (SAPS/FOSO) zentral. Mit ihm haben wir die «Seele der Stiftung» verloren. Dennoch bleiben wir an unserem Stiftungsziel, der Adipositas, dran und machen weiter.
HvG wurde am 22. März 1941 in Bern (Liebefeld) geboren. Besuche im Auftrag der SAPS beim Bundesamt für Gesundheit im Berner Quartier seiner Kindheit erinnerten ihn an viele Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend. Nach Besuch des Gymnasiums studierte er Publizistik. 1963–65 war er Chefredaktor des Berner Studenten und nach Studienabschluss als Journalist für den Berner Bund tätig. Es folgte eine Fahrt mit seinem «Döschwo» nach Sheffield/UK, wo er als Assistant Teacher tätig war. Auf Wunsch eines Mitarbeiters des ehemaligen Radios Beromünster sollte er an der Fussball-WM 1966 in den Tiefen des Fussballstadions einen Fussballer, «einen Herrn Beckenbauer», für ein Sportinterview aufstöbern.
Als Delegierter im Verband der Schweizer Studierendenschaften VSS trug ihm dies unter dem Verdacht, der militanten Linken anzugehören, 1968 sogar eine «Fiche» ein, die bis 1984 weitergeführt wurde. 1967 ­begann die Tätigkeit für das Schweizer Radio DRS, das spätere SRF. Er lernte 1970 in Bern seine spätere Frau Verena Speck kennen und lieben. Die Herkunft seiner Frau und die Nähe zum Radiostudio Zürich verschlugen den Urberner, mit einem Intermezzo in Basel, endgültig nach Zürich-Oerlikon. 1978 wurde er Abteilungsleiter «Unterhaltung und Moderation» und 1984 Programmleiter DRS 1.
Ab 1971 machte er militärisch Karriere innerhalb der damaligen Abteilung für Presse und Funkspruch APF im Stab Bundesrat in der politisch-publizistischen Leitung. Der Verfasser erinnert sich lebhaft an eine Bahnfahrt mit dem pensionierten Privatmann, aber immer noch Oberst, im modernen speziell angefertigten Kampfanzug mit Béret. Als Vertreter SRF war er 1980 an der Gründung des Kulturpreises «Salzburger Stier» beteiligt. Er präsidierte dessen Vorstand während vieler Jahre.
Ab seiner Pensionierung 2001 liess er sich, der lebenslang mit seinem Körpergewicht Kämpfende, dazu gewinnen, mit anderen Weggefährtinnen und -gefährten der 1997 gegründeten und um die Jahrtausendwende serbelnden SAPS als Geschäftsführer und Stiftungsratspräsident neues Leben einzuhauchen. Nach zwanzig Jahren intensiver Tätigkeit für die SAPS, nebst ­Engagement für Terre des hommes Schweiz als Stiftungsratspräsident von 2003 bis 2010, hat sich die SAPS tatsächlich ­erholt, blühte auf und erlangte ein natio­nales wie internationales Renommee. Für seine Verdienste in der «Aufbau- und Aufklärungsarbeit im Kampf gegen das grosse gesundheitliche und gesellschaftspolitische Problem der Adipositas» erhielt HvG am 30. April 2011 den Titel Dr. med. honoris causa der Medizinischen ­Fakultät der Universität Zürich.
HvG war ein begnadeter «Netzwerker», gewandter Schreiber, aufmerksamer Beobachter, Ideenentdecker und -entwickler, spannender Geschichtenerzähler, einfühlsamer Gesprächspartner und talentierter Diplomat im Umgang mit allerhand Zeitgenossen jeglicher Couleur.
Als Selbstbetroffener war er in Sachen Übergewicht und Adipositas ein absolut glaubwürdiger und erfahrener Experte. Er scheute kaum je vor Selbstexperimenten zur Bekämpfung seines Übergewichts zurück. Die Neben- und Nachwirkungen sämtlicher zeitgenössischen Hilfsmittel kannte er alle. Gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung Adipöser kämpfte er vehement. Für zuckerärmere Lebensmittel-Rezepturen, für eine Zuckersteuer mit Zweckbindung, ebenso. Unermüdlich informierte er Medien, Fachleute und Publikum über die «Krankheit Adipositas».
Für HvG war längst klar: «Bei Übergewicht geht es nicht um Schuld und Versagen.»
Im Namen der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS / Fondation Suisse de l’Obésité FOSO
Dr. med. Renward S. Hauser, Vizepräsident SAPS/FOSO
renward.hauser[at]
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