Wir leben in einer X-Klassengesellschaft

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2021/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20241
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(42):1364

Publiziert am 19.10.2021

Wir leben in einer X-Klassengesellschaft

Die politische Abstimmungsempfehlung von Kollege Peter Böhi aus Altstätten sei herzlich verdankt – ich werde meinen Abstimmungsentscheid wohl nochmals gründlich reflektieren müssen.
Würde man die rund 60% der Geimpften als demokratisches Votum interpretieren, dann hätte sich die Mehrheit für das Impfen entschieden; und – wie nach demokratischen Entscheiden üblich – müsste dann die Minderheit den gefällten Mehrheitsentscheid akzeptieren. Ich denke es wäre an der Zeit, dass nun die Geimpften auf die Strasse gingen, um ihre Rechte marktschreierisch durchzusetzen.
Das Gerede von Freiheit wird zusehends unerträglich: Zehntausende von Gesetzestextseiten in der Schweiz tun täglich nichts anderes als unsere Freiheit einzuschränken. Ich persönlich würde hierzulande gerne auf der linken Strassenseite fahren, kann dies aber nicht tun, da mich die Gesetze in dieser Freiheit einschränken – selbst, wenn ich dabei meine Eigenverantwortung wahrnähme. Um das Problem zu lösen, fliege ich mehrmals pro Jahr nach Indien, wo man sich noch nicht entschieden hat, auf welcher Strassenseite gefahren werden muss.
Gleiches gilt für die immer wieder missbräuchlich als Ursache allen Übels ins Feld geführte Zweiklassengesellschaft. Nehmen wir doch einfach emotionslos zur Kenntnis, dass wir nicht in einer Zweiklassengesellschaft, sondern in einer X-Klassengesellschaft leben: Es gibt Grosse und Kleine, Dicke und Dünne, Alte und Junge, Weisse und Nichtweisse, Reiche und Arme, Männer, Frauen und ***, Gesunde und Kranke, Karnivore und Veganer, Mono- und Polygame, Geimpfte und Ungeimpfte, und eben auch Gescheite und Dumme.