Klima und Kultur

FMH
Ausgabe
2021/43
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2021.20268
Schweiz Ärzteztg. 2021;102(43):1393

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Public Health und Gesundheitsberufe

Publiziert am 27.10.2021

Langfristige Trends mit Zunahme von Hitzetagen, Starkregen, gewissen Krankheiten und den sie über­tragenden Vektoren: Es handelt sich hierbei nicht um Wetterschwankungen, sondern um Klimaveränderungen. In den letzten Jahren wurden in der ärztlichen Sprechstunde die Auswirkungen auf unsere Patientinnen und Patienten mit beispielsweise vorbestehenden Herz- und Nierenerkrankungen deutlich: präventive Anpassung des Verhaltens, kurzfristige Anpassung der Medikation bei Hitzetagen. Da Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klima offensichtlich und wissenschaftlich belegt sind, ist es nachvollziehbar, dass die Delegierten an der Ärztekammer vom 7. Oktober 2021 dem Grundlagendokument «Planetary Health – Strategie zu den Handlungsmöglichkeiten der Ärzteschaft in der Schweiz zum Klimawandel» zugestimmt haben. Die Erarbeitung der Strategie erfolgte breit abgestützt innerhalb der FMH, mit wissenschaftlicher Unterstützung vonseiten des Schweizerischen Tropen- und Public Health Instituts. Das Departement Public Health, Gesundheitsberufe und Heilmittel ist mit der Leitung der Umsetzung beauftragt. Wir hoffen, dass alle Beteiligten weiterhin engagiert und konstruktiv partizipieren, und danken in diesem Sinne allen bisherigen Mitgliedern der Arbeitsgruppe und den sie delegierenden Organisationen. Ein ausführlicher Artikel findet sich in dieser Ausgabe der Schweizerischen Ärztezeitung auf Seite 1394. An der letzten Ärztekammer wurde damit auch ein Zeichen gesetzt, dass die Ärzteschaft einig und generationenübergreifend handlungsfähig ist.
Gerade diese Einigkeit wird in den nächsten Jahren entscheidend sein. Die Pandemie zeigte auf, dass die Schweiz im Public-Health-Bereich wesentlich schlechter aufgestellt ist als in der Gesundheitsversorgung, wobei die föderale Struktur im Pandemiefall sicher eine Herausforderung darstellt. Trotzdem bleibt der Hauptteil der Verantwortung beim zuständigen Bundesrat, bei seinen Personalentscheiden und eben auch beim Klima, hier im Sinne einer Kultur, die weder der Public Health noch dem Erhalt einer qualitativ guten Gesundheitsversorgung, die Hausarztmedizin eingeschlossen, förderlich ist. Eine kritische Beleuchtung des Vorgehens der Administration ist im Gange. Wie präsentiert sich der bisherige Pandemieverlauf in der Schweiz seit Beginn 2020 bis heute? Wie war und ist der Inzidenzverlauf, wie die Mortalität? Eine Aufarbeitung durch das Bundesamt für Statistik, inklusive eines Vergleichs mit anderen europäischen Ländern, wäre erhellend. Wie war die Auslastung der Spitäler und der Intensivstationen? Wochenberichte auf der Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) geben jeweils Aufschluss. Eine Gesamtsicht, zeitlich in Zusammenhang gestellt mit getroffenen wie auch nicht getroffenen Massnahmen, wäre interessant.
Je nach Kanton gestalteten sich das Management, der Einbezug der Ärzteschaft, das Testen und das Impfen sehr unterschiedlich. So gibt es heute Arztpraxen, die noch gar nie die Möglichkeiten hatten zu impfen oder Arztpraxen, die aufgrund administrativer Hürden und praxisferner Regelungen die Impftätigkeit wieder eingestellt haben. Hier besteht Potenzial in einer besseren Zusammenarbeit mit den Medizinal- und Gesundheitsberufen, um den Herausforderungen dieser Pandemie besser entgegenzuwirken. Adäquate Partizipation und Kooperation sind aus Public-Health-Sicht eine Voraussetzung dafür. Auch ist das Epidemien­gesetz besser als sein Ruf, wenn man es korrekt umgesetzt hätte. Die Schweizer Gesundheitsversorgung ist kantonal geregelt, und so hat sich gezeigt, dass jene Kantone, welche die kantonalen Ärztegesellschaften aktiv einbezogen haben, weiter fortgeschritten sind in der Pandemiebekämpfung: Manchmal bügeln die Kantone nationale Fehler aus, manchmal akzentuieren sie diese.
Passiv zu bleiben und auf einen «Klimawandel» zu hoffen reicht für uns leider nicht mehr aus. Einigkeit und aktives Vorgehen der Ärzteschaft sind wichtig.