Vier Wochen ohne Plastikeinkäufe

Zu guter Letzt
Ausgabe
2022/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20466
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(05):164

Affiliations
Stellvertretende Chefredaktorin der Schweizerischen Ärztezeitung

Publiziert am 01.02.2022

Vier Wochen lang plastikfrei einkaufen: Das ist mein neues privates Projekt. Warum? Plastik verschmutzt die Umwelt und kann in den Mägen von Meerestieren landen, die daran sterben. Es zersetzt sich darüber ­hinaus in immer kleinere Teile, bis wir es in Form von ­Mikroplastik zum Beispiel über die Ernährung in ­unsere Körper aufnehmen. Das alles bereitet mir Bauchschmerzen. Deshalb haben meine Familie und ich eine Plastikfastenkur beschlossen. Sie soll erst ­einmal vier Wochen lang dauern. Das Ziel ist: Gewohnheiten überdenken und Alternativen kennenlernen. Vielleicht schleichen sich ja neue plastikfreie Gewohnheiten ein. Die Spielregeln: Wir dürfen vier Wochen lang nichts kaufen, das aus Plastik besteht oder in Plastik eingepackt ist. Wir dürfen aber verbrauchen, was wir schon haben. An ­dieser Stelle erwarte ich geradezu, dass Sie schmunzeln und mir – würden wir uns gegenübersitzen – raten, vor Beginn der vier plastikfreien Wochen einen Grosseinkauf zu tätigen. Genauso reagierten die Menschen, denen ich von meinem Vor­haben erzählt habe. Und ich gebe zu, es ist mehr als ein Zufall, dass ich jetzt, kurz vor Beginn des Experiments, in Plastik verpacktes Toilettenpapier gekauft habe, ­obwohl das bisherige noch nicht ganz aufgebraucht war.
Ich habe aber auch schon vorbereitend Gutes tun ­wollen: Auf der Suche nach unverpacktem Käse wählte ich hochmotiviert drei Sorten an der Käsetheke eines nahegelegenen Supermarktes aus. Leider sind die ­grossen Käselaibe allesamt in Frischhaltefolie gehüllt. Nach dem Abschneiden meines Käsestücks schmiss die Verkäuferin die Folie weg und wickelte den Käselaib in eine neue Plastikhülle. War ich also doch wieder Schuld an Plastikverbrauch. Das ist nicht Sinn der ­Sache. Wie meine Familie und ich die vier Wochen ­kulinarisch überleben werden, steht nach diesem ­Erlebnis noch in den Sternen.
Aber auf eine Ausnahme haben wir uns von Anfang an geeinigt. Medizinische Produkte kaufen wir unab­hängig von unserer Plastikfastenkur. Denn von Zahnpasta über Pflaster bis zu Tabletten werden wir weiterhin das medizinisch sinnvollste Produkt und nicht das am nachhaltigsten eingepackte kaufen. Man sollte meinen, dass ich als gesunde Redaktorin mit ­Plastikmüll, der aus medizinischen Notwendigkeiten heraus entsteht, wenig zu tun habe. Aber die Realität sieht anders aus, vor allem in Pandemiezeiten. Ich trage etwa Einwegmasken, die in Plastikverpackungen stecken und aus Kunststoff gefertigt wurden.
Auch ohne Pandemie ist mein Plastikmüllberg aus mehr oder weniger medizinischen Gründen gross. Er besteht aus vielem, worauf ich nicht verzichten kann (Zahnpastatuben), und manchem, das ich sel­tener brauche als angenommen (Plastikpackungen mit ab­gelaufenem Paracetamol und Ibuprofen). Es fühlt sich allerdings für mich als Verbraucherin schwierig an, hier grundlegende Veränderungen zu bewirken.
Bei der Ernährung sehe ich das anders. Im besten Fall kann ich als Konsumentin durch mein geändertes Kauf­verhalten oder auch den völligen Verzicht auf manche Lebensmittel das künftige Angebot mitbestimmen. Bei medizinischen Produkten ist das nicht so einfach. Ich möchte meinen Zähnen die beste Zahnpasta nicht ­vorenthalten. Und ich will im Fall einer Krankheit nicht auf das wirkungsvollste Medikament verzichten, nur weil es in Plastik verpackt ist. ­Ironischerweise sorgt diese Kompromisslosigkeit bezüglich meiner persönlichen Gesundheit dafür, dass meine Umwelt droht, kränker zu werden – und damit letztlich auch ich.
Doch bevor ich nun in Sorgen über zu viel Plastikmüll im Gesundheitswesen versinke, mache ich mich auf, um eine hoffentlich realistische Herausforderung zu meistern. Ich will plastikfrei verpackten Käse finden. Denn mit vollem Magen lassen sich auch alle anderen Herausforderungen besser angehen.
eva.mell[at]emh.ch