Februar 2022

Dexmedetomidin (Dexdor®): Belege für erhöhtes Mortalitätsrisiko bei Intensivpatienten ≤65 Jahren, wenn Dexmedetomidin zur tiefen Sedierung angewendet wird

Wichtige Sicherheitsinformationen
Ausgabe
2022/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20553
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(09):284-285

Publiziert am 01.03.2022

Orion möchte Sie in Abstimmung mit Swissmedic über folgenden Sachverhalt informieren:

Hintergrundinformationen zu den Sicherheitsbedenken

Dexmedetomidin (Dexdor®) wird angewendet für:
– die Sedierung erwachsener, intensivmedizinisch behandelter Patienten, die eine Sedierungstiefe benötigen, die ein Erwecken durch verbale Stimulation noch erlaubt (dies entspricht einer Klassifikation von 0 bis –3 nach der Richmond Agitation-Sedation Scale [RASS]);
– die Sedierung erwachsener, nicht intubierter Patienten vor und/oder während dia­gnostischer oder chirurgischer Massnahmen, die eine Sedierung erfordern, d.h. prozedurale Sedierung/Wachsedierung.

Zusammenfassung

• Die Studie SPICE III war eine randomisierte klinische Studie, in der bei 3904 kritisch kranken erwachsenen Patienten auf der Intensivstation der Effekt der Sedierung mit Dexmedetomidin auf die Mortalität jeglicher Ursache mit jenem der «üblichen Standardtherapie» verglichen wurde. Mit Blick auf die 90-Tage-Gesamtmortalität ergab die Studie keinen Unterschied zwischen der Dexmedetomidin- und der Standardtherapie-Gruppe (Mortalität von 29,1% in beiden Gruppen).
• Die Studie zeigte einen Effekt des Alters auf das Mortalitätsrisiko auf. Dexmedetomidin war in der Altersgruppe ≤65 Jahren mit einem höheren Mortalitätsrisiko ­assoziiert als andere Sedativa (Odds Ratio 1,26; 95%-Glaubwürdigkeitsintervall 1,02 bis 1,56). Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht bekannt.
• Am stärksten ausgeprägt war diese Heterogenität des Effekts auf die Mortalität in Abhängigkeit vom Alter in Fällen, in denen Dexmedetomidin früh in hoher Dosis angewendet wurde, um bei Patienten eine tiefe Sedierung zu bewirken, die aus ­anderen Gründen als zur postoperativen Versorgung aufgenommen wurden. Mit zunehmendem APACHE-II-Score stieg sie an.
• Bei Anwendung von Dexmedetomidin zur leichten Sedierung war der Effekt auf die Mortalität nicht nachweisbar.
• Diese Ergebnisse sollten bei jüngeren Patienten gegenüber dem erwarteten klinischen Nutzen von Dexmedetomidin im Vergleich zu anderen Sedativa abgewogen werden.
• Dexmedetomidin ist bei Intensivpatienten nur für eine Sedierung bis zu einer Tiefe von –3 nach RASS zugelassen.
An der von einem akademischen Sponsor in Auftrag gegebenen Studie SPICE III nahmen 4000 Intensivpatienten teil, die eine mechanische Beatmung benötigten und nach dem Zufallsprinzip entweder einer Sedierung mit Dexmedetomidin als primärem Sedativum oder mit der Standardtherapie (Propofol, ­Midazolam) zugewiesen wurden. Die Zieltiefe der Sedierung beschränkte sich nicht auf das zugelassene Anwendungsgebiet von Dexdor® für die Sedierung im intensivmedizinischen Kontext (RASS 0 bis –3); auch tiefere Sedierungen (RASS –4 bis –5) waren erlaubt. Die Applikation von Dexdor® wurde je nach klinischem Bedarf nach der Randomisierung noch für bis zu 28 Tage fortgesetzt.
Insgesamt wurden 3904 Patienten in eine ­Intention-to-treat-Analyse einbezogen. Mit Blick auf die 90-Tage-Gesamtmortalität ergab die Studie keinen Unterschied zwischen der Dexmedetomidin- und der Standardtherapie-Gruppe (Mortalität von 29,1% in beiden Gruppen). Das mediane Alter der in die Analyse einbezogenen Patienten lag bei 63,7 Jahren. 976 der Patienten unter dem medianen Alter erhielten Dexmedetomidin als primäres ­Sedativum. Davon verstarben 219 Patienten innerhalb von 90 Tagen nach der Randomisierung (22,4%). 975 der Patienten unter dem medianen Alter wurden gemäss Standardtherapie (Propofol, Midazolam) sediert. Davon verstarben 176 Patienten innerhalb von 90 Tagen nach der Randomisierung (18,1%).
In nachfolgenden Analysen wurde eine Heterogenität des Behandlungseffekts von Dexdor® festgestellt. Bei Patienten ≤65 Jahren war ein erhöhtes 90-Tage-Mortalitätsrisiko zu ­beobachten (Odds Ratio 1,26 [95%-Glaubwürdigkeitsintervall 1,02–1,56]). Der zugrunde ­liegende Mechanismus ist zwar noch unklar, am stärksten ausgeprägt war die Heterogenität des Effekts auf die Mortalität in Abhängigkeit vom Alter jedoch in Fällen, in denen Dexmedetomidin früh in hoher Dosis angewendet wurde, um bei Patienten eine tiefe Sedierung zu bewirken, die aus anderen Gründen als zur postoperativen Versorgung aufgenommen wurden. Mit zunehmendem APACHE-II-Score stieg sie an.
Diese Ergebnisse sollten bei Patienten bis zu einem Alter von 65 Jahren gegenüber dem erwarteten klinischen Nutzen von Dexdor®, wenn es gemäss den Empfehlungen in der Produktinformation angewendet wird, im Vergleich zu anderen Sedativa abgewogen werden.
Bei Anwendung von Dexmedetomidin zur leichten Sedierung oder bei Patienten >65 Jahre war der Effekt auf die Mortalität nicht nachweisbar.
Der Mechanismus, über den Dexmedetomidin das Sterberisiko von intensivmedizinisch behandelten Patienten ≤65 Jahren erhöhen könnte, ist nicht bekannt.
Dexmedetomidin ist bei Intensivpatienten nur für eine Sedierung bis zu einer Tiefe von –3 nach RASS zugelassen.
Die Produktinformation wurde um einen Warnhinweis ergänzt, der die Evidenz und Risikofaktoren für ein erhöhtes Mortalitätsrisiko bei Intensivpatienten ≤65 Jahren beschreibt. Die aktualisierte Arzneimittelinformation wird auf www.swissmedicinfo.ch veröffentlicht.

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