Mini-CEX und DOPS zur Unterstützung der ärztlichen Weiterbildung

FMH
Ausgabe
2022/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20656
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(13):420-422

Affiliations
a Institut für Medizinische Lehre (IML), Abteilung für Assessment und Evaluation, Universität Bern, Schweiz; b Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Schweiz

Publiziert am 29.03.2022

Der dritte Artikel der Themenserie des SIWF zur kompetenzbasierten ärztlichen Bildung befasst sich mit den Arbeitsplatz-basierten Assessments Mini-CEX und DOPS und zwar insbesondere wie diese gewinnbringend für die Beteiligten ein­gesetzt werden können. Es werden dabei praxisnahe Empfehlungen auf Basis existierender Literatur gegeben und auch der Bezug zur Kompetenz-basierten Weiterbildung unter Einbezug von Entrustable Professional Activities hergestellt.
Kompetenz-basierte Weiterbildung (CBME) legt den ­Fokus auf die tatsächlich zu erwerbenden Kompetenzen von weiterzubildenden Ärztinnen und Ärzten. Das Ziel ist, dass die für das jeweilige Fachgebiet relevanten klinischen Tätigkeiten am Ende der Weiterbildung ohne Supervision sicher ausgeführt werden können. Diese Tätigkeiten werden Deutsch als Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten (APTs) oder Englisch als Entrust­able Professional Activities (EPAs) bezeichnet. Um diese zu bewerten und insbesondere den Weiterzubildenden rechtzeitig fokussiertes und unterstützendes Feedback zu geben, sind hochwertige arbeitsplatz-­basierte Assessments notwendig.

Mini-CEX und DOPS bewerten ­Kompetenzen

Mini-CEX (Mini Clinical Evaluation Exercise) und DOPS (Direct Observation of Procedural Skills) sind zwei gut untersuchte Arbeitsplatz-basierte-Assessment-Formate, die aktuell in der ärztlichen Weiterbildung in der Schweiz eingesetzt werden. Das Schweizerische Ins­titut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) empfiehlt mindestens vier dokumentierte Mini-CEX oder DOPS pro Jahr [1]. In einer alltäglichen klinischen Situation beobachtet eine Supervisionsperson die oder den Weiterzubildenden bei einer ärztlichen Tätigkeit und beurteilt hierbei verschiedene ärztliche Kompetenzen. Bei Mini-CEX werden eher Patienten-nahe Handlungen wie z.B. die Anamnese, die klinische Untersuchung, sowie die Aufklärung und Beratung beurteilt, bei DOPS eher manuelle (prozedurale) Fähigkeiten ­inklusive deren Vorbereitung, Nachsorge, Asepsis und Sicherheit. Bei beiden Instrumenten werden zusätzlich die klinische Urteilsfähigkeit, Organisation, Effizienz und das professionelle Verhalten bewertet. Nach der Beobachtung soll sich der oder die Weiterzubildende zunächst selbst einschätzen. Diese Selbstwahrnehmung wird dann mit der Einschätzung der Supervisionsperson abgeglichen. Basierend auf den Einschätzungen werden anschliessend gemeinsam Lernziele erstellt.

Stärken von Mini-CEX und DOPS

Eine Stärke von Mini-CEX und DOPS liegt in der direkten Beobachtung der täglichen Arbeit. Die Super­visionspersonen können sich so ein möglichst rea­listisches Bild von den Kompetenzen der bzw. des Weiterzubildenden machen. Im anschliessenden Feedbackgespräch erhalten die Weiterzubildenden Rückmeldung zu ihren Stärken und Schwächen und haben die Möglichkeit Lernziele zu formulieren. Durch die Beobachtung am Arbeitsplatz können Mini-CEX und DOPS in die tägliche Routine inte­griert werden.

Evidenz zu positiven Effekten

Mini-CEX und DOPS kommen in leicht variierender Form weltweit zum Einsatz. Die Zufriedenheit mit den Instrumenten fällt dabei unterschiedlich aus. Einige Studien zeigen einen positiven Effekt von Mini-CEX und DOPS auf die Performanz [2–5]. In den Studien wurden jeweils die Leistungen von Studierenden zweier Gruppen mit und ohne Intervention (Mini-CEX oder DOPS) verglichen. Dabei schnitten die Gruppen mit Mini-CEX oder DOPS besser ab als die Gruppen ohne Mini-CEX oder DOPS [6]. Mini-CEX und DOPS können also – wie intendiert – die Kompetenz-basierte ärztliche Weiterbildung unterstützen.
Der Nutzen von Mini-CEX und DOPS kann durch sieben Bedingungen verbessert werden.

Empfehlungen zur optimalen Nutzung

Mini-CEX und DOPS für die ärztliche Weiterbildung werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst [7, 8]. ­Sieben Bedingungen, die den Nutzen von Mini-CEX und DOPS erhöhen können, fassen wir im Folgenden auf Basis existierender Literatur [7, 8] zusammen:

1. Informiertheit

Als Grundbedingung für die effektive Verwendung von Mini-CEX und DOPS müssen alle Beteiligten die Funktionsweise von Mini-CEX und DOPS kennen und sich der (meist) formativen Funktion bewusst sein. Hierfür sind entsprechende Weiterbildungsangebote zentral. Auch die Motivation von Weiterzubildenden und deren Supervisionspersonen spielt eine Rolle. Wollen die Supervisionspersonen die Einzelnen in ­ihrer Weiterbildung unterstützen oder werden Mini-CEX und DOPS als unangenehme Pflichtübung gesehen? Wünschen sich die Weiterzubildenden Feedback zu ihrer Arbeit oder haben sie eigentlich Angst, bewertet zu werden?
Da die Verwendung von Mini-CEX und DOPS immer auch von lokalen Gegebenheiten abhängt, sollte im Vorhinein geklärt werden, wie Mini-CEX und DOPS ablaufen: Wer hat welche Verantwortlichkeiten? Wer sucht eine geeignete klinische Situation aus? Wann werden Mini-CEX und DOPS durchgeführt? Gibt es ­einen festen Zeitraum / eine geschützte Zeit? Kann die Supervisionsperson sich auf die Beobachtung und das Feedback konzentrieren und sich zum Beispiel für ­einen festgelegten Zeitraum von den klinischen Verantwortlichkeiten befreien?

2. Geschützter Rahmen/ Lernatmosphäre

Damit sich die Weiterzubildenden «sicher» fühlen und das Feedback gut annehmen können, sollten Mini-CEX und DOPS in einem geschützten Rahmen stattfinden. Bestehen bei den Weiterzubildenden Zweifel darüber, dass Mini-CEX und DOPS rein zu Lernzwecken verwendet werden, kann dies ihre Wahl der zu beobachtenden Situation und der Wahl der Supervisionsperson deutlich beeinflussen.

3. Vertrauensvolle Beziehung

Je besser die Beziehung zwischen Weiterzubildenden und ihren Supervisionspersonen, desto wirkungs­voller sind Mini-CEX und DOPS. Weiss die Supervi­sionsperson, wo der/die Weiterzubildende in ihrem Weiterbildungsprozess steht, kann sie oder er die beobachtete Leistung einordnen und geeignete Verbesserungsvorschläge machen. Dies ist sehr stark abhängig vom individuellen Erfahrungsstand der Weiterzubildenden. Für die Weiterzubildenden ist die Beziehung zu den Supervisionspersonen wichtig, da sie sich von einer verletzlichen Seite zeigen und allenfalls Schwächen eingestehen müssen. Um die Beziehung zu fördern, können Weiterzubildenden zum Beispiel festen Supervisionspersonen zugeteilt werden.

4. Geeignete klinische Situation

Damit Mini-CEX und DOPS möglichst wirkungsvoll sind, sollte eine geeignete klinische Situation aus­gewählt werden, die der individuellen Erfahrung und dem Kompetenzniveau der/des Weiterzubildenden ­angemessen und klinisch relevant ist.

5. Begleitung des Lernfortschritts

Entsprechend der beobachteten Performanz formulieren die Weiterzubildenden und Supervisionspersonen im Feedbackgespräch ein oder mehrere individuelle Lernziele. Das Erreichen der Lernziele sollte von den Supervisionspersonen begleitet werden. Mini-CEX und DOPS sind besonders gewinnbringend, wenn sie longitudinal eingesetzt werden.

6. Integration in das Curriculum

Die Relevanz von Mini-CEX und DOPS steigt, wenn sie in ein Curriculum eingebettet sind. Die klinischen ­Situationen könnten dann entsprechend der wichtigsten Lernziele ausgewählt werden. Idealerweise sollte es klare Standards geben, was in den verschiedenen Bereichen und Weiterbildungsstadien von den Weiter­zubildenden erwartet wird und gelernt werden und ­demensprechend auch die Mini-CEX und DOPS eingeplant werden kann. Die Weiterzubildenden würden von der Struktur und den klaren Erwartungen profitieren.

7. Lehr- und Lernkultur

Förderlich für die Verwendung von Mini-CEX und DOPS ist auch eine Organisationskultur, in der Engagement für die Weiterbildung wertgeschätzt wird. Diese Wertschätzung kann sich zum Beispiel darin widerspiegeln, dass lehrinteressierte Weiterbildnerinnen und Weiterbildner in geeigneten Karrierewegen ge­fördert werden und dass für Weiterbildnerinnen und Weiterbildner explizit Freiräume hierfür geschaffen werden.

Mini-CEX/DOPS und EPAs

Mini-CEX und DOPS können in Zukunft stärker am Konzept der EPAs ausgerichtet werden. Sobald EPAs in der Weiterbildung verwendet werden, werden die ­Weiterzubildenden kontinuierlich darin beurteilt, wie eigenständig sie bestimmte Tätigkeiten übernehmen können: Level 1: «Beobachtet eine Tätigkeit»; Level 2: «Arbeitet unter direkter proaktiver Supervision» (Supervisionsperson im Raum); Level 3: «Arbeitet unter indirekter Supervision» (Supervisionsperson jederzeit abrufbar); Level 4: «Arbeitet unter entfernter super­vision» (Supervisionsperson nicht vor Ort); Level 5: «Kann andere Kolleginnen und Kollegen supervidieren». Anstelle des aktuellen Gesamteindrucks am Ende von Mini-CEX/DOPS («über den Erwartungen»; «entsprechend der Erwartungen»; «unter den Erwartungen») erfolgt die Einschätzung dann anhand des Levels an benötigter Supervision (‹Entrustment-Skala›).
Mini-CEX und DOPS können durch andere Arbeitsplatz-basierte Assessmentformate ergänzt werden. Im internationalen Kontext wurden beispielsweise «Case-based Discussions» und «Entrustment-based Discussions» entwickelt [9]. Im Zentrum steht bei beiden Formaten eine strukturierte didaktische Interaktion mit Beschreibung der ausgeführten Tätigkeit (einer EPA entsprechend) durch die Weiterzubildenden und gezielten Fragen der Supervisionsperson zu klinischem Verständnis, Risikoeinschätzung und Vorgehen bei unterschiedlichen Patientinnen und Patienten oder Kontext (z.B. «was würdest du tun, wenn diese Patientin oder dieser Patient plötzlich aufhören würde zu atmen?»). Am Ende werden eine Empfehlung für das ­zukünftig notwendige Supervisionslevel und vereinbarte Lernziele dokumentiert.

Ausblick

Arbeitsplatz-basierte Assessments wie Mini-CEX und DOPS sind wichtige Elemente für die Weiterbildung, auch für ein EPA-basiertes Curriculum. Zur optimalen Entfaltung ihres Potentials sollten Lehrende und ­Lernende darauf vorbereitet werden, wie man diese ­gewinnbringend einsetzt. Die Beachtung der oben ­beschriebenen sieben Bedingungen für das gute Gelingen von Mini-CEX und DOPS können dabei helfen.
Die Autorinnen und Autoren: Andrea Lörwald, PhD ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Lehre der Universität Bern. In ihrem PhD untersuchte sie, wie Mini-CEX und DOPS verwendet werden können, um das Lernen am Arbeitsplatz optimal zu unterstützen.
Dr. med. Eva Hennel, PhD, MME arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Lehre der Universität Bern und forscht zu Feedback in der ärztlichen Weiter­bildung.
PD Dr. med. Severin Pinilla PhD, M.Ed. ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Praktischer Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie Bern.
Prof. Dr. Dr. med. et MME Sören Huwendiek ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Abteilungsleiter am Institut für Medizinische Lehre Bern.
Andrea Lörwald
Severin Pinilla
Eva Hennel
Sören Huwendiek
andrea.loerwald[at]iml.unibe.ch
1 SIWF. Weiterbildungsordnung (WBO). https://www.fmh.ch/files/pdf19/wbo_d.pdf: SIWF; 2016.
2 Kim S, Willett LR, Noveck H, Patel MS, Walker JA, Terregino CA. Implementation of a Mini-CEX Requirement Across All Third-Year Clerkships. Teaching and learning in medicine. 2016;28(4):424–31.
3 Suhoyo Y, Schönrock-Adema J, Rahayu GR, Kuks JBM, Cohen-Schotanus J. Meeting international standards: A cultural approach in implementing the mini-CEX effectively in Indonesian clerkships. Medical Teacher. 2014;36(10):894–902.
4 Roghieh N, Fateme H, Hamid S, Hamid H. The effect of formative evaluation using “direct observation of procedural skills” (DOPS) method on the extent of learning practical skills among nursing students in the ICU. Iranian Journal of Nursing and Midwifery Research. 2013;18(4):290-3.
5 Hengameh H, Afsaneh R, Morteza K, Hosein M, Marjan SM, Abbas E. The Effect of Applying Direct Observation of Procedural Skills (DOPS) on Nursing Students’ Clinical Skills: A Randomized Clinical Trial. Global Journal of Health Science. 2015;7(7):17–21.
6 Lörwald AC, Lahner F-M, Nouns ZM, Berendonk C, Norcini J, Greif R, et al. The educational impact of Mini-Clinical Evaluation Exercise (Mini-CEX) and Direct Observation of Procedural Skills (DOPS) and its association with implementation: A systematic review and meta-analysis. PloS one. 2018;13(6):e0198009.
7 Lörwald A, Lahner F-M, Mooser B, Perrig M, Widmer MK, Greif R, et al. Influences on postgraduate medical Trainees’ Learning with Mini-CEX and DOPS: a Grounded Theory Study. Medical Teacher 2019; 41(4):448–56.
8 Lörwald AC, Lahner F-M, Greif R, Berendonk C, Norcini J, Huwendiek S. Factors influencing the educational impact of Mini-CEX and DOPS: A qualitative synthesis. Medical Teacher. 2018;40(4):414–20.
9 Ten Cate O, Hoff RG. From case-based to entrustment-based discussions. The Clinical Teacher. 2017;14(6):385–9.