Label «responsible practice FMH»

Die Standesordnung leben – und sichtbar machen

FMH
Ausgabe
2022/20
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20794
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(20):669-670

Affiliations
a Journalistin, b M.Sc., MPH; c lic. rer. oec., Leiterin; Abteilung Daten, Demographie und Qualität DDQ FMH

Publiziert am 17.05.2022

Im vergangenen Sommer hat die FMH das Label «responsible practice FMH» aus der Taufe gehoben. Gesundheitsorganisationen können damit ihre aktive Umsetzung der FMH-Standesordnung und ihrer Werte zeigen. Drei Praxisführende geben Auskunft darüber, was sie zur Einführung des Labels bewogen hat.
Mit der Schaffung des Labels «responsible practice FMH» will die FMH der Standesordnung stärkeres ­Gewicht verleihen. Der Anstoss dafür kam von FMH-Mitgliedern, was für das Verantwortungsbewusstsein der Ärzteschaft spreche, schrieb FMH-Vizepräsident Dr. med. Christoph Bosshard zur Lancierung des Labels in der Schweizerischen Ärztezeitung. Es bestätigt Gesundheitsorganisationen, dass sie sich für die in der Standesordnung festgehaltenen Berufspflichten und berufsethischen Regeln der FMH engagieren. Darunter fallen Themen wie berufliche Kompetenz bzw. Fort­bildung, Patientenaufklärung, Schweigepflicht, Qualitätssicherung und medizinische Weisungsfreiheit. E­rwerben können das Label «responsible practice FMH» Organisationen, deren Schwerpunkt in der ärztlichen Tätigkeit am Patienten besteht, also Arztpraxen, Polikliniken und Gesundheitszentren. Zudem muss mindestens deren ärztliche Tätigkeit unter der Leitung von FMH-Mitgliedern stehen.
Mit dem Label «responsible practice FMH» zeigen Praxisleitende dass sie die Standesordnung leben. © Aisha Nuraini  |  Dreamstime.com

Qualität und freie ­Berufsausübung

Wenn Gesundheitsorganisationen nicht von FMH-Mitgliedern geführt werden – was im ambulanten Bereich immer häufiger wird –, ist die FMH-Standesordnung für sie nicht bindend. Dasselbe gilt für in der Schweiz tätige Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Arztdiplom, die nicht alle Mitglieder der FMH sind. Mit dem Label können Gesundheits­organisationen gezielt ein Zeichen für die Qualität ihrer ärztlichen Tätigkeit und die freie Berufsausübung setzen. Denn «eine Struktur wie unsere AG, die Ärztinnen und Ärzte einstellt, wird teilweise kritisch beäugt», weiss Dr. med. MBA Patricia Kellerhals. Als CEO des monvia Gesundheitszentrums, das acht Gruppenpraxen vereint und ISO-zertifiziert ist, war ihr Interesse für das Label sofort geweckt. «Es soll unsere sorgfältige, evidenz­basierte und unabhängige Arbeit noch sichtbarer machen. Patientinnen und Patienten, Partner, Behörden und aktuelle wie künftige Mitarbeitende sollen unsere Bemühungen zur Einhaltung der Standes­ordnung sehen.» Das Label verstärke die Glaubwür­digkeit des Unternehmens und werde bei der Rek­rutierung helfen, ist Patricia Kellerhals überzeugt. «Ausserdem vermittelt das Label den Mitarbeitenden viel Wertschätzung und Anerkennung für ihre Arbeit.» Nicht zuletzt helfe das Label, Qualitätssicherung den Ärz­tinnen und Ärzten nicht als Kontrolle, sondern als konstruktive Fehlerkultur zu vermitteln.

Vertrauen schaffen

Auch Prof. Dr. med. Claudio Rosso von ARTHRO Medics schätzt das Label «responsible practice FMH». «Wir können damit auf die Qualitätsbestrebungen unserer Praxis und auf unsere Selbstverpflichtung zur ethischen Berufsausübung aufmerksam machen.» Dies sei bei anderen qualitätssichernden Instrumenten nicht immer möglich. Dank des Labels im Wartezimmer sei nachvollziehbar, dass sich seine Praxis einen hohen Standard setze. «Damit können wir Vertrauen dafür schaffen, dass wir tun, was gut ist für die Patientinnen und Patienten – und nicht für unseren Geldbeutel.» Dies sei gerade für sein Fach der Orthopädischen Chirurgie zentral, dem oft der Vorwurf des zu häufigen Operierens gemacht werde.
Ferner hat der Label-Antrag Claudio Rosso erneut ins Bewusstsein gerufen, wie wichtig der selbstkritische Blick auf die eigene Arbeit ist. «Als Arzt muss ich meine Grenzen kennen und auf die kollegiale Zusammen­arbeit setzen», sagt er. «Denn selbst wenn wir Kollegen teilweise auch Konkurrenten sind, so haben wir doch die gleiche Mission, nämlich den Patienten zu heilen.»
Dr. med. Rodolfo Maduri, Facharzt für Neurochirurgie, Clinique de Genolier, Genolier VD: Das Label als «wichtige Botschaft für den hohen Standard der Patientenversorgung».
Prof. Dr. med. Claudio Rosso, Facharzt für ­Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, ARTHRO Medics AG, ­Basel: «Wir können mit dem Label zum Ausdruck bringen, dass wir uns für Qualitätssicherung und value-based medicine einsetzen.»
Dr. med. MBA Patricia Kellerhals, CEO monvia gesundheitszentrum, ­Luzern: «Grössere Glaubwürdigkeit und erleichterte Rekrutierung» dank des Labels «responsible practice FMH».

Im Dienst der Patienten

«In unserer Praxis haben wir uns bei unserer Arbeit schon immer an der Standesordnung der FMH orientiert», sagt Neurochirurg Dr. med. Rodolfo Maduri. Die Einführung des Labels bot ihm dennoch eine willkommene Gelegenheit, seine Mitarbeitenden für die Patientenbedürfnisse zu sensibilisieren, um diesen besser gerecht zu werden. So sei etwa der Datenschutz für die Patientinnen und Patienten ein wichtiges Anliegen. «Sie mögen es beispielsweise nicht, wenn man sie im Wartezimmer mit Namen aufruft», erzählt Rodolfo Maduri. Also habe er ein System mit einem Piepton wie in einem Selbstbedienungs-Restaurant eingeführt. «Es war eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Massnahme, für die wir ausgezeichnete Rückmeldungen erhielten.»

Schlankes Antragsprozedere

Um das Label «responsible practice FMH» zu erhalten, müssen die interessierten Unternehmen einige Dokumente einsenden, um die Umsetzung der FMH-Standesordnung nachzuweisen. Rodolfo Maduri erlebte den dafür nötigen Aufwand als überschaubar und die Zusammenarbeit mit der FMH als sehr angenehm. Ein Eindruck, den die anderen interviewten Praxisleitenden teilen. «Ganz ohne Arbeit geht es nicht, aber wir Ärzte sind es uns ja gewohnt, Formulare auszufüllen», sagt Claudio Rosso. Für Patricia Kellerhals liess sich der Label-Antrag zügig zusammenstellen. «Wir arbeiten sehr prozess- und qualitätsorientiert, insofern waren wir bereit.» Nicht einmal das Einholen der Certificates of Good Standing habe viel Zeit gekostet, «aber es hat bewusst gemacht, dass es um eine seriöse Sache geht».

Anregungen zur Weiterentwicklung

Es bleibt die Frage, welche Themen das Label künftig auch noch oder verstärkt berücksichtigen könnte. Für Patricia Kellerhals ist in der Standesordnung das Thema Interprofessionalität noch untervertreten, ihr fehlt die Erwähnung weiterer medizinischer Berufe. «Angesichts des wachsenden Ärztemangels können wir die Gesundheitsversorgung nur aufrechterhalten, wenn Ärztinnen und Ärzte viel mehr delegieren.» ­Rodolfo Maduri wünscht sich, dass die FMH die Patientinnen und Patienten noch besser über die Ziele des ­Labels informiert. «Denn für Laien ist es nicht einfach zu verstehen, was gute medizinische Qualität überhaupt ausmacht.» Zudem würde er ein online einsehbares Register der zertifizierten Praxen begrüssen. In der Standesordnung der FMH vermisst er ferner eine Präzisierung dazu, in welcher Weise Ärztinnen und Ärzte sich auf den Sozialen Medien präsentierten dürfen. «Es besteht das Risiko, dass die Patientenrechte im Internet aus Marketing-Gründen missachtet werden», sagt Rodolfo Maduri. Diese Rückmeldungen und Reflexionen zeigen: Das Label macht die qualitativ überzeugende medizinische Arbeit der Ärzteschaft sichtbar und unterstützt die Bestrebungen der FMH, ihren Mitgliedern nützliche Instrumente für den Berufsalltag zu bieten – beispielsweise in Form von Empfehlungen zum Umgang mit Social Media [1]. Die Weiterentwicklung und Stärkung des Labels ist ein zentrales Anliegen der FMH. Die Erfahrungen der Organisationen sind eine wichtige Grundlage dafür.

Beantragen Sie das Label «responsible practice FMH»

Sie erwägen, sich für das Label «responsible practice FMH» zu zertifizieren? Sie finden alle Informationen und Unterlagen dazu auf www.fmh.ch/responsible-practice.de. Ihre Fragen beantworten wir gerne via E-Mail an ddq[at]fmh.ch oder telefonisch unter der Nummer 031 359 11 11.
FMH / Abteilung DDQ
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ddq[at]fmh.ch
1 www.fmh.ch > Dienstleistungen > E-Health > Social-Media-­Empfehlungen (www.fmh.ch/dienstleistungen/e-health/social-media-empfehlungen.cfm)