E-Rettungswagen voraussichtlich bereits 2023 im Einsatz

Tribüne
Ausgabe
2022/2122
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20803
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(2122):743-745

Affiliations
Freier Journalist

Publiziert am 24.05.2022

Beim Patiententransport steckt der Umweltschutz in der Schweiz auf den ersten Blick noch in den Kinderschuhen. Doch es sind Bestrebungen im Gange, den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Zürich macht einen Anfang.
Auf Schweizer Strassen waren im Jahr 2021 etwas mehr als 70 000 Elektroautos zugelassen. Das entspricht rund 1,5 Prozent des gesamten Bestandes an Strassenmotorfahrzeugen, Motorräder ausgeschlossen. Im privaten Bereich oder auch im regionalen Transport­wesen und der Logistik steht einem Beitrag zum Umweltschutz durch elektrisch betriebene Fahrzeuge nichts im Weg. Im Gegenteil, hier ist der Markt breit aufgestellt. Nicht ganz so einfach ist es, im medizinischen Bereich den CO2-Ausstoss zu reduzieren, insbesondere im Patiententransport.
Aber in diesem Sektor sind zahlreiche Bestrebungen im Gange, auch wenn diese nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennbar sind. Will heissen: Es werden voraussichtlich heute und auch morgen noch nicht im grossen Rahmen Elektro-Rettungswagen in Schweizer Städten eingesetzt werden. Zumindest nicht im Ernstfall. Doch das Interesse an diesen Fahrzeugen ist vorhanden. Für eine kurze Zeit konnte die Dienstabteilung «Schutz & Rettung Zürich» (SRZ) versuchsweise ein solches Fahrzeug nutzen. Dieses schafft mit einer Akkuladung gemäss Herstellerangaben rund 200 Kilometer.
Denis Linine | Dreamstime.com

Tausende Kilometer zurückgelegt

Getestet wurde der E-Ambulanzwagen im Winter bei Minustemperaturen. «Während knapp zwei Wochen war es unserem Rettungsdienst möglich, den voll elektrisch betriebenen Rettungswagen zu testen», erläutert Claudio Corte, Abteilungsleiter Fahrzeuge bei SRZ. In den wenigen Tagen seien mit dem Fahrzeug 1040 Kilometer zurückgelegt worden.
Eine längere Testphase wäre laut Corte zwar wünschenswert gewesen, dies sei aber aufgrund der gros­sen Nachfrage nicht realisierbar gewesen. Denn die Herstellerfirma stellt landesweit nur ein Fahrzeug zu Testzwecken zur Verfügung. Deshalb haben Rettungsorganisationen aus Bern, Basel und Luzern die Gelegenheit genutzt und sind nach Zürich gekommen, um sich den E-Rettungswagen anzuschauen.
Insgesamt bei drei Spitälern wurden für die Testphase mobile Ladestationen installiert. Die Ladezeiten betragen laut dem Hersteller 3,5 Stunden im 22-kW-Modus oder 1,5 Stunden im 50-kW-Modus. Die gewonnenen Erkenntnisse waren laut Corte überaus positiv. Das klingt für den Umweltschutz vielversprechend und auch für die Dienstabteilung SRZ, die unter ihrem Dach ­Feuerwehr, Sanität, Zivilschutz, Einsatzleitzentrale und Feuerpolizei der Stadt Zürich vereinigt. Ausserdem sind die Rettungsorganisationen des Flughafens Zürich mit ihren Einsatzgebieten und Dienstleistungen integriert.

Zürich: Bis 2035 ökologischere ­Fahrzeuge

Zürich hat sich ein klares Klimaziel gesetzt und reduziert die direkten Treibhausgasemissionen im Stadtgebiet bis ins Jahr 2040 auf netto null. Das wirkt sich selbstverständlich auf die Beschaffung von Neufahrzeugen von SRZ aus. Es ist geplant, bis 2035 alle städtischen Fahrzeuge, bis auf wenige begründete Ausnahmen, auf alternative Antriebe umzustellen. «Somit wird es nicht mehr allzu lange gehen, bis auch der erste elektrisch betriebene Rettungswagen auf den Zürcher Strassen zu sehen sein wird», ist Corte überzeugt.
Der SRZ-Gesamtfahrzeugpark umfasst rund 250 Fahrzeuge. Der Rettungsdienst verfügt über 27 Rettungs­wagen. Ende 2021 wurde die Ausschreibung für Ersatzbeschaffung der Rettungswagen auf der Beschaffungsplattform SIMAP publiziert. SRZ wird Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb wie auch elektrisch betriebene Rettungsfahrzeuge anschaffen. Das Auswahlverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Corte rechnet damit, dass in Zürich bis Herbst oder Winter 2023 der erste Rettungswagen mit vollelektrischem Antrieb eingesetzt werden wird.
Im vergangenen Winter konnte Schutz und Rettung Zürich zwei Wochen lang einen ­E-Rettungswagen testen (Michael Fousert / Unsplash).

Wie sieht es in Bern und Basel aus?

Noch nicht ganz so weit sind das Inselspital und das Universitätsspital Bern, die der Insel Gruppe angehören. Gemäss Didier Plaschy, Kommunikationsmanager der Insel Gruppe ist die Rettungsflotte technisch auf dem neusten Stand. «Die Fahrzeuge werden aktuell jedoch mit konventionellem Treibstoff betrieben. Es handelt sich um komplexe und teure Fahrzeuge, die wir nach einem definierten Lebens- und Abschreibungszyklus ersetzen», hält er fest. Konkret werde jedes Jahr ein neuer Rettungswagen mit jeweils einer Vorlaufzeit von einem Jahr beschafft. Sein Kommentar: «Wir beobachten die Entwicklungen.»
Ende 2021 hat die Insel Gruppe eine neue Klimastrategie verabschiedet. «Bis 2035 wollen wir all jene Treib­hausgasemissionen eliminieren, welche die Insel Gruppe direkt beeinflussen kann», teilt Plaschy mit. Dazu zählen die Emissionen aus Strom und Wärme, Treibstoff, Anästhesiegase, Abfall und Abwasser sowie Geschäftsreisen. Zu diesem Zweck hat die Gruppe einen Energiemanager angestellt, um die Zahlen besser verfolgen zu können.
Auf gutem Weg punkto Reduktion des CO2-Ausstosses ist die Rettung Basel-Stadt. Die direkten energiebedingten Treibhausgasemissionen im Bereich der Gebäude und der Mobilität innerhalb der kantonalen Verwaltung sollen im Stadtkanton bis im Jahr 2030 auf null sinken. Weil der Rettungsdienst dem Sicherheitsdepartement unterstellt ist, wird die technische Entwicklung der Rettungsfahrzeuge mit Interesse beobachtet, wie Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation Justiz- und Sicherheitsdepartement auf Anfrage sagt. Die Be­schaffung eines elektrischen Rettungsfahrzeugs sei bei der Sanität derzeit nicht vorgesehen. «Aber natürlich klären wir ab, ob die Flotte in Zukunft durch ­Fahrzeuge mit alternativen Antriebsformen ergänzt werden kann.»
Die Kantonspolizei Basel-Stadt hat bereits 2018 sieben Alarmpikett-Fahrzeuge mit Elektroantrieb beschafft, in diesem Jahr folgen acht weitere Einsatzfahrzeuge. Auch für die Feuerwehr hat Rettung Basel-Stadt vier neue Elektro-Hilfeleistungslöschfahrzeuge gekauft.

Noch keine Alternative bei der Rega

Etwas schwieriger gestaltet sich mit Blick auf den CO2-Ausstoss der Patiententransport bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht. Die Rega verfolgt die technischen Entwicklungen von alternativen Antriebsformen in der Luftfahrt sehr genau und mit grossem Interesse, teilt Mediensprecherin Corina Zellweger mit. «In der Rettungsfliegerei und insbesondere in unserem anspruchsvollen Einsatzgebiet, wie zum Beispiel im Gebirge, ist die Zuverlässigkeit zentral. Hier gibt es derzeit keine Alternative zu unseren Rettungshelikoptern der neuesten Generation», führt sie aus.
In anderen Bereichen fördert die Rega jedoch elektrische Antriebe. «Bei sämtlichen 13 Helikopterbasen in der Schweiz werden schrittweise Ladestationen installiert, die Ambulanzjets werden mit einem elektrisch betriebenen Fahrzeug manövriert und für die Elektroautos der Mitarbeitenden wurde auch das Rega-Center mit Ladestationen ausgerüstet», zählt Zellweger auf.

Den eigenen Strom produzieren

Bei der Knecht Gruppe, welche neben Transportangeboten im öffentlichen Verkehr, im Busreise-Bereich, bei Privat- und Firmenumzügen und zahlreichen weiteren Transporten auch ambulante Dienstleistungen im Gesundheitswesen anbietet, werden in den Sparten Rettungsdienste und Patiententransporte jeden Tag Menschen bewegt. Zum Beispiel bei medizinisch begleiteten Verlegungen für stabile Patienten und Patientinnen. Diese werden sowohl liegend, im Rollstuhl oder auch sitzend chauffiert. Derzeit ist die Fahrzeugflotte in diesem Bereich noch ausschliesslich mit ­Verbrennungsmotoren ausgestattet. Im öffentlichen Verkehr und im Schulbusbereich von EUROBUS sind aber bereits mehrere vollelektrische Fahrzeuge im ­Einsatz, darunter auch die Gelenkbusse für die ETH ­Zürich. «Wir sind nicht mehr weit weg von der Elektrifizierung auf den Strassen im Bereich des Patiententransports oder des Rettungswesens. Wenn die Reichweiten der Fahrzeuge noch weiter steigen, macht die Beschaffung für uns und die Patientinnen und Patienten Sinn», führt Roger Müri, Bereichsleiter Rettung und Patiententransport, aus.
Derweil wird kräftig in die Infrastruktur investiert. Laut Müri werden verschiedene Standorte der Gruppe mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet. So haben die Eurobus-Terminals Bassersdorf und Lenzburg sowie Rottal AG Ruswil die Projektphase bereits hinter sich und befinden sich in konkreter Umsetzungs- und Bewilligungsphase. Die Umsetzung ist Ende 2023, spätestens Anfang 2024 vorgesehen. Sobald die Infrastruktur stehe, werde der zweite Schritt Richtung Elektrifizierung der Fahrzeugflotte konkret, ergänzt Müri und bringt es auf den Punkt: «Wenn wir elektrisch fahren, wird es besonders interessant, wenn wir unseren eigenen Strom produzieren können. Hierbei wollen wir einen ganzheitlichen Ansatz ins Auge fassen.»

Schwerpunktserie Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

Der Klimawandel ist eine weltweite Herausforderung. Auch das Schweizer Gesundheitswesen kann seinen Beitrag dazu leisten, ihm zu begegnen. In einer Serie betrachten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven.
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