Besuch vom Arbeitsinspektor

FMH
Ausgabe
2022/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20835
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(23):756-757

Publiziert am 07.06.2022

Der Arzt Michael O. Kurrer war gerade auf dem Weg zu einem externen Termin, als ihn der Anruf eines Arbeitsinspektors erreichte, der seinen Besuch in der Praxis ankündigte. Was darauf folgte und wie der Arzt von Arbeitssicherheit Schweiz ­unterstützt wurde, zeigt das folgende Interview mit PD Dr. med. Michael O. Kurrer, Facharzt für Pathologie und Ärztlicher Leiter Pathologikum Zürich, sowie Stefan Kuchelmeister, Geschäftsführer Arbeitssicherheit Schweiz.
Co-Redaktionsleitung Arbeitssicherheit Schweiz
PD Dr. med. Michael O. Kurrer, Facharzt für Pathologie, Ärztlicher Leiter Pathologikum Zürich
Stefan Kuchelmeister, Geschäftsführer Arbeitssicherheit Schweiz
Herr Kurrer, Sie haben Besuch vom Arbeitsinspektor erhalten. Erzählen Sie uns davon.
Bereits am Telefon stellte mir der Arbeitsinspektor ­einige Fragen, die ich wo immer möglich beantwortete. Ja, der Sicherheitsbeauftragte der Praxis sei ich, und im Rahmen unserer Akkreditierung durch das College of Pathologists würde ich mich regelmässig mit Fragen der Arbeitssicherheit befassen und ja, ein entsprechendes Dokument sei erstellt. Nein, die Verordnungen 3 und 5 zum Arbeitsgesetz seien mir im Moment nicht detailliert präsent. Ja, einer Branchenlösung würden wir uns sofort anschliessen, sobald sie von der FMH freigeschaltet würde. Der Arbeitsinspektor beendete das Gespräch mit der Bitte, mich mit den Verordnungen 3 und 5 zum Arbeitsgesetz vertraut zu machen.
Wenig später erhielt ich seinen zusammenfassenden Bericht per Post, einige Monate später kam die Besuchs­ankündigung, gefolgt vom eigentlichen Besuch des Arbeitsinspektors. Höflich, aber beharrlich wies er uns dabei auf Dinge hin und erstellte uns einen Bericht mit Auflagen, welche innert drei Monaten zu erfüllen waren.
Herr Kuchelmeister, ist es üblich, dass Arbeits­inspektoren Arztpraxen besuchen?
Ja. Arbeitsinspektoren haben als Durchführungs­organe die Aufgabe, bei allen Arbeitgebern die Umsetzung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu kontrollieren. Dabei nehmen sie Stichproben in allen Branchen vor, also auch in Arztpraxen.
Sie haben Auflagen erwähnt, Herr Kurrer. Können Sie Beispiele nennen?
Als Arztpraxis von Fachärzten für Pathologie entnehmen wir unter anderem Gewebeproben, welche für die Planung von Diagnostik und Therapie der Patienten wichtig sind. Diese Proben werden je nach Relevanz per Kurier transportiert, auch sonntags. Für die Sonntagsarbeit braucht es jedoch eine Bewilligung. Unsere Mitarbeitenden dürfen also nicht ohne Bewilligung an Sonn- und Feiertagen oder vor 5 Uhr morgens Proben entgegennehmen und bearbeiten.
Im Vorfeld des Besuchs hatten wir zudem die Regale überprüft. Sind sie korrekt an der Wand befestigt? Sie waren es! Aufgefordert wurden wir jedoch, alle ­Arbeitsplätze nach den ergonomischen Grundsätzen zu überprüfen.
Sind solche Auflagen zielführend, Herr Kuchelmeister?
Wenn die Gefahr besteht, dass ein Regal kippen könnte, ist eine Sicherung natürlich sinnvoll. Und bezüglich der erwähnten Arbeitszeiten gibt das Arbeitsgesetz klare Vorgaben, ab wann Ausnahmebewilligungen notwendig sind. Wir von Arbeitssicherheit Schweiz ­unterstützen unsere Mitglieder bei all diesen Fragen mit unserer Branchenlösung, damit sie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gesetzeskonform und mit einem vernünftigen Aufwand umsetzen können. Dazu arbeiten wir mit den Arbeitsinspektoraten zusammen und begleiten unsere Mitglieder auch regelmässig bei Kontrollen durch Arbeitsinspektoren.
Herr Kurrer, inzwischen haben Sie sich der Branchenlösung von Arbeitssicherheit Schweiz angeschlossen. Ist das Thema damit für Sie erledigt?
Die Branchenlösung wurde im Herbst 2021 freigeschaltet, und wir haben uns sofort angeschlossen! Kurz ­darauf besuchten zwei Mitarbeitende, die Sicherheitsbeauftragte und ihre Stellvertreterin, den Kurs von ­Arbeitssicherheit Schweiz. Nun folgt schrittweise die Umsetzung. Wir denken, dass wir den Prozess in den nächsten zwei Jahren abgeschlossen haben werden. Zugute kommt uns, dass wir uns schon zuvor regel­mässig mit dem Thema befasst haben.
Das klingt nach Arbeit für Ihre Mitglieder, Herr Kuchelmeister. Was ist denn der Vorteil einer ­Branchenlösung?
Für eine systematische Umsetzung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz müssen nach den gesetz­lichen Bestimmungen Arbeitsärzte, Arbeitshygieniker und Sicherheitsfachleute beigezogen werden. Zur Branchenlösung für eine spezifische Branche, wie hier am Beispiel Arztpraxen, kommen entsprechende ­Spezialisten kollektiv hinzu. Für die einzelne Arzt­praxis ist das sehr kostengünstig. Ausserdem haben sie die Sicherheit, dass unsere Branchenlösung laufend den gesetzlichen und technischen Entwicklungen ­angepasst wird.
Man darf nicht vergessen: Der Aufbau eines betrieb­lichen Sicherheitssystems ist mit Aufwand verbunden. Mit unserer digitalen Branchenlösung lässt er sich aber deutlich reduzieren, und unsere Kurse erleichtern eine fokussierte Umsetzung.
Hand aufs Herz, Herr Kurrer, wie notwendig sind Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Arztpraxen?
In unserem Fachbereich Pathologie gehen wir mit ­gefährlichen Stoffen um und arbeiten mit Geräten mit erhöhter Verletzungs- und Unfallgefahr. Daher sind uns Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz seit der Gründung der Praxis Anfang 2013 ein Anliegen. Beispielsweise arbeiten wir in einem Xylol-freien Prozess, der nun zunehmend auch in anderen Schweizer Pathologie-Instituten eingeführt wird.
Aber auch in den meisten anderen Arztpraxen wird mit gefährlichen Stoffen gearbeitet, und es gibt Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungs- und Unfallgefahr. Jede Schreinerei und jedes Restaurant fallen unter die Bestimmungen bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und können jederzeit überprüft ­werden. Das gilt also auch für uns Ärztinnen und Ärzte.
Schwierig ist das Thema dennoch, weil wir bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz regelmässig tech­nische und administrative Entscheidungen fällen müssen, für die Güterabwägungen vorgenommen werden und Verhältnismässigkeiten zu berücksichtigen sind. Hier haben wir keine Routine. Ein starker Partner an der Seite ist in diesem Prozess daher unverzichtbar!
Herzlichen Dank, Herr Dr. Kurrer und Herr Kuchel­meister, für das Interview.
Mehr Informationen zum Modulbuch «Ärztliche Praxis» finden Sie auf der Website von Arbeitssicherheit Schweiz: www.arbeitssicherheitschweiz.ch/de/angebote/­branchenloesung/aerztliche-praxis und unter www.fmh.ch/dienstleistungen/berufsentwicklung/branchen­loesung.cfm
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