Fakt ist: die Gesamtkosten sind angestiegen (mit Replik)

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2022/2526
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20866
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(2526):856

Publiziert am 22.06.2022

Fakt ist: Die Gesamtkosten sind an­gestiegen (mit Replik)

Aus ganzheitlicher Sicht ist es eigentlich von sekundärer Bedeutung, ob die Gesamtkosten des Gesundheitswesens mit Kopfprämien oder einkommensabhängigen Steuergeldern bezahlt werden. Das ist ausschliesslich eine Frage der sozialen Lastenverteilung. Von primärer Bedeutung ist aber der Fakt, dass die Gesamtkosten des Gesundheitswesens innert zehn Jahren von 67 auf 93 Milliarden angestiegen sind. Und das ist nicht alles! Die aktuelle Versorgung kann nur aufrechterhalten werden dank eines enormen «Braindrains», wobei andere Länder die Ausbildungskosten der Zuwanderer bezahlen. Im Wettbewerb um gute Fachkräfte profitieren wir – noch! – vom vorteilhaften Frankenkurs. Zudem ist davon auszugehen, dass in Zukunft die Berufsverbände auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt deutlich höhere Forderungen stellen werden. Angesichts dieser Perspektiven ist es verantwortungsethisch bedenklich, sich auf die Kostenverteilung zu fokussieren und die Gesamtschau auszublenden.
Wäre es für die FMH nicht an der Zeit, öffentlich auszusprechen: Ja, das Kostenwachstum im Gesundheitswesen ist eine Gefahr für ­unsere Gesellschaft, vorab für die nächste ­Generation, und ja, wir wollen konstruktiv bei ­Lösungen mithelfen. Vielleicht würde ein solches Bekenntnis dazu beitragen, das an­gespannte Verhältnis zwischen Politik und Ärzteschaft zu deblockieren.

Replik auf «Fakt ist: Die Gesamt­kosten sind angestiegen»

Sehr geehrter Herr Bieri
Worin ich Ihnen völlig zustimme, ist, dass die Schweiz ihre Gesundheitsfachkräfte selbst ausbilden sollte. In diesem Sinne weist die FMH auch jährlich mit ihrer Ärztestatistik auf die Überalterung der Ärzteschaft und unsere Abhängigkeit vom Ausland hin.
Im Gegensatz zu Ihnen halte ich es aber für verantwortungsethisch sogar geboten, die Kostenverteilung und damit die soziale Lastenverteilung zu fokussieren. Die Prämien­belastung der Haushalte unterscheidet sich stark. Bei unserer letzten Analyse reichte sie von 3,9% des Bruttohaushaltseinkommens bei den einkommensstärksten Haushalten bis zu 14,1% bei den einkommensschwächsten Haushalten [1]. Die heutige Politik wird diesen bereits heute stark belasteten Haushalten ­immer grössere Probleme verursachen, wenn ein immer grösserer Teil der Gesundheitsausgaben über die Kopfprämien finanziert wird.
Und last but not least setzt sich die FMH bereits seit langem aktiv und konstruktiv für eine Kostendämpfung im Gesundheitswesen ein. Wir unterstützen unter anderem die mit Abstand wichtigste Reform – EFAS –, die ein sehr grosses Sparpotenzial jährlich aufweist (www.pro-efas.ch). Die Bedeutung dieser Reform erfasst aber nur, wer eben den Unterschied zwischen Kosten und Prämien versteht, denn damit wird eine Gesamtschau nicht ausgeblendet, sondern überhaupt erst möglich.