Künstliche Intelligenz versus Heilkunst und Erfahrung

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2022/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20897
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(2728):909

Publiziert am 05.07.2022

Künstliche Intelligenz versus ­Heilkunst und Erfahrung

Landauf, landab ertönt laut und lauter das Loblied auf die «Künstliche Intelligenz» und ihren unermesslichen Nutzen für die moderne Medizin. Die Suchmaschine löst die kniffligsten diagnostischen Fragen, der Algorithmus präsentiert die Therapie. Die Diagnosen in meiner Hausarztpraxis sind allerdings eher banal: Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes, Depression, Rückenschmerzen. Diese Krankheiten verursachen soziale Probleme, langwierige Leiden und grosse Kosten. Die ­Diagnosen lassen sich stellen noch bevor der Computer hochgefahren ist. Eine Waage genügt, ein Blutdruckmessgerät, eine kapilläre Blutentnahme, aufmerksames Beobachten und ein vertrauliches Gespräch mit der Patientin und dem Patienten. Ich brauche für diese Diagnosen keine «Künstliche Intelligenz». Eigentlich brauche ich überhaupt keine Intelligenz. Was mir hilft sind die Lehrer, die mir gezeigt haben, worauf es ankommt. Und ein paar Jahre Erfahrung. Schwierig wird es bei der Betreuung der betroffenen Patientinnen und Patienten. Wären nicht hier ein paar Investitionen angebracht? Investitionen für eine Hausarztmedizin mit einer kontinuierlichen Betreuung und einer stabilen Arzt-Patient-­Beziehung. Inklusive einer angemessenen Honorierung der Beratung in der Sprechstunde und der kommunikativen Kompetenz des behandelnden Arztes.