Workshop von Coach my Career

Wissen teilen

FMH
Ausgabe
2022/3334
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.20961
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(3334):1024-1025

Affiliations
a Mitglied des Zentralvorstandes der FMH, Leiterin Departement Stationäre Versorgung und Tarife, b Projektverantwortlicher Coach my Career beim VLSS

Publiziert am 17.08.2022

Von den Erfahrungen routinierter Führungskräfte profitieren: Ein Förderprogramm des globalen Technologiekonzerns ABB stand am Ursprung von Coach my Career, dem Mentoring-Programm für junge oder angehende Ärztinnen und Ärzte. Am jüngsten Workshop trafen die beiden Welten aufeinander.
Die ABB machte es vor. Schon früh erkannte das Industrieunternehmen den Wert erfahrener Manager und suchte nach Wegen, um das Wissen ehemaliger Führungskräfte in der ABB zu halten und gezielt zu nutzen. Dafür gründete es ein eigenes Beratungs-
unternehmen, in welches höhere Kader ab dem 60. Altersjahr eintreten, erläuterte Nicole Kamm Steiner, HR-Managerin bei ABB Schweiz. Im Beratungsunternehmen können die erfahrenen Manager ihr Wissen auch bis über die Pensionierung hinaus nutzbringend einsetzen. Die Idee, von den Erfahrungen älterer Führungskräfte zu profitieren, stand Pate für Coach my Career.
Bei der ABB ist es inzwischen nur ein Programm ­unter vielen. Der Technologiekonzern unternimmt grosse Anstrengungen, um Wissen organisationsintern zu teilen und um die beruflichen Karrieren der Mitarbeitenden zu planen und zu fördern. Auch setzt sich die ABB aktiv mit Fragestellungen zu Inklusion und Diversität auseinander. Das machten die Aus­führungen von Nicole Kamm Steiner und ihrer Kollegin Barbara Fehr deutlich. Barbara Fehr leitet bei der ABB ein Mentoringprogramm, das gezielt Frauen ­fördern und Mädchen für technische Berufe begeistern soll.

An Spitälern setzt Umdenken ein

Technologiekonzerne investieren stark in betriebsinterne Modelle der Wissensvermittlung und Karriereförderung. An Schweizer Spitälern sind Förder- und Mentoringprogramme noch längst nicht Standard. Doch vereinzelt scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben. Marie-Claire Flynn, Oberärztin an der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen, berichtete am Workshop von Coach my Career über die Erfahrungen bei «Aiming Higher». «Aiming Higher» wurde von der ­Universität St. Gallen (HSG) in enger Zusammenarbeit mit Ver­treterinnen und Vertretern von Partnerspitälern entwickelt. Es ist ein spezifisches Ausbildungsprogramm für Ärztinnen ab dem zweiten Assistenzjahr, die eine Karriere im Spital oder eine akademische Laufbahn anstreben. Zentrales Element dabei: ein Mentoring. Programmteilnehmerinnen werden – wie bei Coach my Career – von einer erfahrenen Ärztin, einem ­erfahrenen Arzt beraten. Daneben können sich die Assistenzärztinnen im Rahmen von Online-Trainings oder Seminaren in Themen wie Führung/Selbstführung, Verhandlungs- und Auftrittskompetenz sowie Laufbahnplanung vertiefen. «Auf dem Weg nach oben verlieren wir zu viele Frauen. Wir müssen den ­bestehenden Pool an weiblichen Talenten besser ausschöpfen», betonte Flynn. Dies gelinge aber nur, wenn sich Assistenzärztinnen früh mit Karrierefragen auseinandersetzten. Und dazu sei, so Flynn, eine systematische Sensibilisierung nötig. «Aiming Higher» wird an fünf verschiedenen Spitälern angeboten [1]1.
Bei Coach my Career engagieren sich mittlerweile 118 erfahrene Ärztinnen und Ärzte. Rund 20 Mentorinnen und Mentoren tauschten am Workshop in Olten ihre Erfahrungen aus. (zVg)

Gute Vorbereitung

«Eine erfolgreiche Beratung basiert auf Wohlwollen, Interesse, Fachkompetenz und Respekt», ist Flynn überzeugt. Damit das Mentoring für beide Seiten gelinge, müssten Coaches vor allem in der Lage sein, gutes Feedback zu geben. Mentees dagegen, so Flynn, sollten sich auf die Gespräche gut vorbereiten, Ziele formulieren und Themen festlegen.
Genau dies hatte Christoph Bieri getan, der am Workshop als Mentee seine persönlichen Eindrücke des ­Beratungsgesprächs schilderte. Der Berner Medizinstudent im sechsten Jahr steckte seine Interessen-
gebiete ab und visualisierte sie in einer Grafik. Seine Grafik bildete die Grundlage für die Beratung. Seine Coaches hätten ihm dadurch verschiedene Karrierewege aufzeigen können, erläuterte Bieri. Auch sei ihm überzeugend dargelegt worden, dass sich nicht alles planen lasse. Sein weiterer Fahrplan: Er fängt nun in ­einer Klinik an und schlägt dann wohl die Richtung Allgemeine Innere Medizin ein. Die positive Rückmeldung von Christoph Bieri steht stellvertretend für die gesamte Entwicklung von Coach my Career. Mentoren wie Mentees schätzen den gemeinsamen Austausch. Sie erleben ihn als konstruktiv und angenehm. Dies bestätigte auch eine kurze Online-Umfrage unter den Mentorinnen und Mentoren im Saal.

Mehr als hundert Beratungsgespräche

Inspiriert vom Programm des Technologiekonzerns ABB hat sich Coach my Career, das generationenübergreifende Mentoringprogramm, in den letzten vier Jahren rasant entwickelt. 118 erfahrene Ärztinnen und Ärzte stellen ihr Wissen mittlerweile ehrenamtlich als Mentor, als Mentorin zur Verfügung. Sie decken 47 verschiedene Fachdisziplinen inklusive Schwerpunkte ab. Coronabedingt wurde Coach my Career mehr als ein Jahr unterbrochen. Doch seit Wiederaufnahme wächst die Nachfrage nach Beratungen rasant. Bis heute haben 117 Beratungsgespräche stattgefunden. Mit diesem Erfolg geben sich die Beteiligten nicht zufrieden. Das machen auch die intensiven Diskus­sionen am Workshop deutlich. Mentorinnen und Mentoren sehen bei der Vor- und Nachbereitung der Gespräche Verbesserungspotenzial. Dies ist ganz im Sinne der federführenden Berufsorganisationen, ­welche Coach my Career von einem ad hoc organisierten Projekt zu einem langfristig gedachten Programm ausbauen möchten.

Das ist «Coach my Career»

Vor vier Jahren haben FMH, VLSS, VSAO, mfe und SWIMSA mit aktiver Unterstützung des SIWF das Projekt Coach my Career gestartet. Das Mentoringprogramm richtet sich an Medizinstudierende kurz vor dem Examen sowie an junge Ärztinnen und Ärzte sowie junge klinische Führungskräfte, die sich aktiv mit Karrierefragen auseinandersetzen. Die kommende Ärztegeneration wird von erfahrenen Mentorinnen und Mentoren niederschwellig beraten. Coach my Career ist einzig-
artig, weil es verschiedene Generationen von Medizinern und deren Berufsorganisationen vereint. Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte bezahlen 150 Franken, Studierende 50 Franken. Coaches leisten Freiwilligenarbeit, können aber bei Bedarf ihre Reisespesen geltend machen. Weitere Informationen: ­https://www.vlss.ch/karriere/coach-my-career
markus.gubler[at]vlss.ch