«Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift»

Praxistipp
Ausgabe
2022/41
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21099
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(41):72-73

Publiziert am 11.10.2022

KarriereJürg Unger wollte Psychologe werden. Nach einem beruflichen Kurzcoaching in der Küche seiner Eltern entschied er sich anders: Er wurde Psychiater. Später CEO, Praxisinhaber und Chefarzt. Ausserdem gab er den Anstoss zum Programm Coach my Career, um jungen Ärztinnen und Ärzten bei der Karriereplanung zu helfen.
Auf Einladung der Schweizerischen Ärztezeitung werde ich als Vertreter des Programms Coach my Career (www.fmh.ch/dienstleistungen/stationaere-tarife/coach-my-career.cfm) an dieser Stelle regelmässig über wiederkehrende Themen aus den Beratungsgesprächen schreiben. Zum Start möchte ich mich erst einmal vorstellen. Das zeigt den persönlichen Hintergrund meiner zukünftigen Beiträge.
Vor der Matura 1974 engagierte ich mich für körperlich Beeinträchtigte und meinte, ich könne gut lösungsorientierte Gespräche mit Menschen in besonderen Situationen führen. Deshalb wollte ich Psychologie studieren. Mein von mir sehr geschätzter, viel älterer Schwager riet mir als Zahnarzt: «Werde Psychiater, denn als Psychologe bleibst Du immer der Angestellte der Ärzte.» Das war mein erstes berufliches Kurzcoaching in der Küche meiner Eltern. Ich studierte Medizin und war bald fasziniert vom Hirn und der Kindermedizin, sodass Neuropädiatrie mein Ziel wurde. Erst vier Jahre nach dem Staatsexamen 1980 war mir eine Pädiatriestelle zugesagt. So begann ich in der Kinderpsychiatrie, die im Studium keinen guten Ruf hatte. Aber bald erkannte ich die enorme Vielseitigkeit dieses Fachs und erwarb nach acht Jahren den Facharzt. In dieser Zeit reisten meine Frau und ich zweimal mehrere Monate lang. Dies liess uns später als Eltern von vier Kindern leichter auf Vieles verzichten – eine wichtige Erfahrung.

Die nächsten Karriereschritte

Als Oberarzt am Kinderspital Zürich erweiterten seltene Krankheitsbilder meine Fachkenntnisse und forderten therapeutische Kreativität. Die Co-Leitung bei der Aufbauarbeit der Kinderschutzgruppe und deren Etablierung als Opferhilfsstelle im Kanton Zürich ermöglichte viel interdisziplinäre Arbeit in- und ausserhalb der Medizin, erste Führungserfahrungen und nationale Vernetzung.
Der nächste Karriereschritt war die Wahl zum Chefarzt des Kinderpsychiatrischen Dienstes im Aargau 1996. In den folgenden Jahren entwickelte ich zusammen mit meinem Team die klassische Organisation der Aargauer Kinderpsychiatrie hin zu zeitgemässeren Strukturen. Als Chefarzt war ich Vorgesetzter von 120 Mitarbeitenden. Dafür bereitete mich das Studium nicht vor. Deshalb begann ich regelmässig mit einem Führungscoach zusammenzuarbeiten. Gegen Ende dieses Berufsabschnittes wurde die Psychiatrie Aargau von einer unselbstständigen Staatsanstalt in eine Spital AG umgewandelt und ein Verwaltungsrat eingesetzt. Dieser machte mich kurzerhand zum CEO der ganzen Psychiatrie und plötzlich war ich Chef von über 1000 Mitarbeitenden.
Nach knapp drei Jahren wurde mir klar, dass ich eine falsche Aufgabe übernommen hatte. Um meine Glaubwürdigkeit zu bewahren, gab ich Einfluss, Prestige und wohltuendes Einkommen auf und eröffnete eine Praxis in Zürich. Nach wenigen Jahren in der Praxis berief mich der Verwaltungsrat als Chefarzt zurück. Ich sagte zu, weil mich diese Aufgabe immer begeistert hatte und ich eine moderne Versorgungsstruktur gestalten wollte.

Karriereplanung für die Jungen

Mittlerweile im Management des Gesundheitswesens ausgebildet, entwickelte ich mit meinen Teams einen auf digitalen Mitteln beruhenden Patientenintake, fachliche Spezialangebote und einen neuen Patientenpfad für die stationäre und teilstationäre Behandlung. Dafür bauten wir ein neues Kinderpsychiatrisches Zentrum. Ab 60 plante ich, meine Bogenkarriere einzuläuten: Ich schlug den Vorgesetzten vor, meine Nachfolge zu wählen und mir in der Rolle eines Senior Consultant während der letzten Berufsjahre bei reduziertem Pensum eine gute Einarbeitung des neuen Chefarztes zu ermöglichen. Das wollte der Verwaltungsrat nicht, sodass ich die Möglichkeit wahrnahm, die letzten Berufsjahre im Zentralvorstand der FMH meine Berufspolitische Arbeit fortzusetzen. Die vielseitigen, neuen Kontakte durch die Aufgabe im Zentralvorstand nutzte ich für den Anstoss zum Programm Coach my Career, um so die Chancen für zukünftige Generationen der Ärzteschaft zu steigern, gemäss dem chinesischen Philosophen Sun Tzu: «Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift.»
Dr. med. Jürg Unger
Viele Kolleginnen und Kollegen bezeichneten Jürg Unger während seiner Berufstätigkeit als atypischen Psychiater. Dies vielleicht, weil sein Motto lautet: «actions speak louder than words.» An dieser Stelle schreibt er regelmässig über Karrierefragen.