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Medizinethische Themen schreibend verarbeiten
Dr. phil., Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte, Universität Zürich
Premio Pusterla Bereits zum fünften Mal konnten Medizinstudierende der Universität Zürich ihre medizinethischen Essays für den Premio Pusterla einreichen. Fachjury und Publikum kürten im Literaturhaus Zürich gemeinsam die drei besten Texte. Wir stellen die Gewinnertexte vor.
Wie schon in den vier vorangegangenen Jahren konnten sich auch im Herbstsemester 2021 an der Universität Zürich die über 430 Erstsemesterstudierenden der Human- und Zahnmedizin an dem Essaywettbewerb «Premio Pusterla Medizinethik» beteiligen. Nachdem die Studienanfängerinnen und -anfänger sich an drei Nachmittagen in Kleingruppen im Rahmen eines kompakten Einführungskurses mit ethischen Aspekten des medizinischen Tätigkeitsfeldes auseinandergesetzt hatten, galt es, die obligatorische Lehrveranstaltung mit dem Verfassen eines kurzen Aufsatzes abzuschliessen, der der Darstellung und Diskussion eines ethisch herausfordernden Falles im klinischen oder praktischen Kontext gewidmet war.


So hatten die jungen Studierenden gleich zu Beginn ihres Studiums Gelegenheit, schwierige moralische und zum Teil persönlich fordernde Fragen, die sich in ihrem künftigen Beruf typischerweise stellen können und die sich nicht mit Faktenwissen alleine beantworten lassen, in der Form einer schriftlichen Reflexion zu erörtern und, soweit jeweils möglich, einen entsprechenden Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Dabei sollten die im Kurs vermittelten und eingeübten Inhalte noch einmal anhand eines Praxisbeispiels angewendet und in ihrer Relevanz für den ärztlichen Alltag verdeutlicht werden.
Mehr als eine Pflichtaufgabe
Viele Studierende wählten für diese Kurztexte Fallgeschichten, zu denen sie einen persönlichen Bezug hatten, erzählten von Patientinnen und Patienten aus ihrem familiären oder näheren Umfeld, die in Krisensituationen auf medizinische Hilfe angewiesen und dabei mit manchmal unklaren oder schwierigen Situationen konfrontiert waren. In manchen Aufsätzen wurde spürbar, dass das Verfassen für die Autorin oder den Autor mehr war als die Erfüllung einer Pflichtaufgabe im Rahmen des Regelstudiums, dass nicht nur die Themen und Konflikte, die geschildert wurden, sondern auch die Form der Verarbeitung, die schriftliche Darstellung und Reflexion ein besonderes Engagement der oder des Erstsemestrigen wachgerufen hatten. Bei einigen blitzte nicht nur eine ganz persönliche Note auf, in der die Studienwahl und der Berufswunsch, später als Ärztin oder Arzt Menschen zu helfen, zum Ausdruck kam, auch die Freude am Formulieren und dem In-Sprache-Bringen des Allzumenschlichen (und mitunter Allzumedizinischen) fand sich in dem einen oder anderen Pflichtaufsatz. So war es dann für einen verhältnismässig grossen Anteil des Semesters ein stimmiges Folgeangebot, im Anschluss an die Vorlesungszeit den eigenen Text noch einmal durchzugehen, zu überarbeiten, dabei sprachlich zu schärfen und für den Essaywettbewerb einzureichen.


Publikum und Jury waren sich einig
Wie schon in den Vorjahren waren auch unter den Einreichungen des aktuellen Jahrgangs bemerkenswert viele Essays von beeindruckender Qualität. So konnten ohne Kompromisse die zehn besten Texte für die zweite Runde ausgewählt werden. Nun hatten die Studierenden Gelegenheit, im Rahmen eines persönlichen Schreib-Coachings (durch die Schweizer Autorin und Redaktorin Silvia Tschui) weiter an ihrem Text zu arbeiten, stilistische sowie dramaturgische Unebenheiten zu glätten, und das Ergebnis erneut einzugeben. Von einer Fachjury, die medizinisch-fachliche mit literarisch-schriftstellerischer Expertise sowie einer Patientenperspektive vereinte (Melitta Breznik, Frank Clasemann, Christoph A. Meier), wurden daraufhin in einem anonymisierten Verfahren die drei Essays bestimmt, denen es nach Einschätzung der drei Jurorinnen und Juroren am besten gelungen war, relevante medizinethische Themen in einer ansprechenden sprachlichen Form zu präsentieren. Die beiden Kandidatinnen und der Kandidat nahmen am öffentlichen Finale des Wettbewerbs teil, das in diesem Jahr im Literaturhaus Zürich einen besonders stimmigen Rahmen fand. Alle drei trugen ihre Texte live vor, woraufhin nicht nur die Jurymitglieder ihre Voten abgaben, sondern auch das Publikum abstimmen konnte. Das so gebildete Gesamturteil kürte Anissa Amstutz mit ihrem Essay «Behandlung gegen den Willen» über das Delir als ethische Herausforderung zur Gewinnerin des Premio Pusterla Medizinethik 2022, Kim Sturzenegger gewann mit «Dreimonatsspritze bei Frauen mit einer kognitiven Beeinträchtigung» den zweiten Platz und Aaron Severin Baumann belegte mit «In dubio pro aegrota» zum anhaltend brisanten Thema der Suizidbeihilfe den dritten Rang. Der Gewinnertext ist in dieser Ausgabe der Schweizerischen Ärztezeitung abgedruckt, die beiden anderen Texte sind online abrufbar.
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