Patientengespräch: Gedanken zum Titelbild der Ausgabe 45

Briefe an die Redaktion
Ausgabe
2022/47
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21263
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(47):23

Publiziert am 22.11.2022

Patientengespräch: Gedanken zum Titelbild der Ausgabe 45

Augenkontakt – das sieht man auf den ersten Blick. Ist ja auch nicht schwierig mit der jungen Patientin mit so schönen Augen. Sie ist dem Arzt zugewandt und stützt sich mit beiden Armen so weit auf seinen Schreibtisch, dass sie ihre rechte Hand schon fast in seinen Bereich bringt, wo ein Dossier mit Ultraschallbildern liegt. Beide schweigen – ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Er ist ergraut, aber voller Vitalität ihr zugewandt. Sogar der rote Kugelschreiber in seiner rechten Hand weist auf sie hin.
Der Bildschirm ist blau ohne Daten, uninteressant. Eine Tastatur ist nicht zu sehen. Das analoge Blutdruckgerät liegt unscharf im Fokus unbeachtet auf dem Tisch. Der rote Schlauch des Stethoskops liegt näher bei der Patientin als beim Arzt.
So macht die Sprechstunde Spass. Auch Berühren wird nicht schwierig sein, wenn dann die klinische Untersuchung gefragt ist.
Wie ist es, wenn die alte ungepflegte Patientin deprimiert in ihren Sessel versinkt, die Stimme leise und vorwurfsvoll verzweifelt? Wenn Augenkontakt kaum möglich ist und Berührung vom Arzt Überwindung braucht? Gleichzeitig sollte er sich am Bildschirm mit Blick aufs Laborblatt vergewissern, dass er keine Hypothyreose übersieht. Da wird die Sprechstunde zur professionellen Herausforderung.
Dr. med. Urs Glenck, pensionierter Hausarzt, Ebertswil