Gesunde Menschen in einer gesunden Umwelt

Praxistipp
Ausgabe
2022/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21295
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(5152):80-81

Publiziert am 21.12.2022

NachhaltigkeitWas hat die Altlast auf einem Chemiegelände mit dem Arztberuf zu tun? Viel. Denn die sichere Entsorgung von chemischen Substanzen in Böden kann die Krankheitslast in der Bevölkerung verringern – und somit Kosten im Gesundheitswesen sparen.
Gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) verursachen krankmachende Umwelteinflüsse rund ein Viertel aller Krankheits- und Todesfälle [1]. Zu diesen Einflüssen gehört etwa die Verschmutzung von Boden, Luft und Wasser durch chemische Stoffe. Klar ist: Weniger Umweltbelastung verringert die globale Krankheitslast erheblich.
Deponien und kontaminierte Fabrikgelände bilden ein potenzielles Risiko für unsere und die Gesundheit kommender Generationen. Deshalb müssen solche Altlasten sicher und rasch aus der Umwelt entfernt werden. Dafür engagieren wir uns von den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz (AefU) seit Jahren. Dabei mussten wir feststellen, dass Industrie und Behörden zum Teil nicht mit dem nötigen Engagement handeln. So zum Beispiel beim Benzidin.
© Luca Bartulović
Benzidin ist – wie andere aromatische Amine – ein gesichertes humanes Karzinogen [2]. Es löst beim Menschen nach längerer Latenzzeit Blasenkrebs aus. Darum stuft die Schweizer Grenzwertliste Benzidin in der höchsten krebserregenden Kategorie C1A ein. Erstmals beschrieb der deutsche Arzt Ludwig Rehn 1895 an einem Chirurgenkongress bei Arbeitern der Firma Hoechst gehäufte Blasengeschwülste. Kollege Rehn wies auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Anilin-Farbstoffen und Blasenkrebs hin. Zuerst bestritten dies andere Mediziner, Fabrikärzte und die Industrie. Heute anerkennt die SUVA Blasenkrebs als Berufskrankheit. Bei den beruflich bedingten Krebserkrankungen liegt der Blasenkrebs an zweiter Stelle.
Die Ciba AG stellte auf dem Chemiegelände im Basler Stadtteil Klybeck Jahrzehnte lang Benzidin her und produzierte daraus die heute verbotenen Benzidin-Farbstoffe. Das erwähnen zwar die Nachfolgefirmen Ciba SC (heute BASF) und Novartis in ihrem historischen Bericht von 2000. Trotzdem haben sie im Klybeck nie systematisch nach Benzidin gesucht [3]. Nun soll auf dem Chemieareal ein neues Wohnquartier entstehen. Bauen ohne vorherige Untersuchung auf Benzidin aber geht gar nicht.
Seit Jahren läuft Benzidin aus der Deponie Gamsenried der Lonza AG bei Brig (VS) aus. Die Substanz verschmutzt das Grundwasser zwischen Brig und Visp weit über dem Grenzwert [4]. Aus gesundheitlicher Sicht gilt: Benzidin darf nicht ins Grundwasser gelangen, erst recht nicht ins Trinkwasser, auch nicht in Spuren. Darum ist eine Sanierung dringlich. Lonza spricht in Bezug auf die Dauer etwas schwammig von einem «Generationenprojekt». Aber das ist zu lang. Wir fordern, die Deponie innerhalb von 15 Jahren sicher, einmalig und definitiv zu sanieren.
Dr. med. Bernhard Aufdereggen
Präsident der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU). An dieser Stelle schreibt er regelmässig über Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen.
Bernhard Aufdereggen

Was hat dies mit ärztlicher Tätigkeit zu tun?

Ein Viertel der globalen Krankheitslast lässt sich auf die Verschmutzung der Umwelt zurückführen. Deshalb gilt:
1 www.who.int/publications/i/item/9789241565196
2 www.suva.ch/download/factsheets/aromatische-amine-und-harnblasenkrebs--factsheet
3 www.aefu.ch/themen/chemikalien/chemiegelaende-klybeck-von-basf-novartis/
4 www.aefu.ch/themen/chemikalien/quecksilber-lonza/