Heureka! – Organisation Ambulante Arzttarife (OAAT AG) gegründet

Leitartikel
Ausgabe
2022/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21316
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(4950):24-25

Publiziert am 07.12.2022

OAAT Die neue ambulante Tariforganisation wurde erfolgreich mit allen Tarifpartnern gegründet. Der Einbezug der betroffenen Fachgesellschaften und deren ärztlicher Kompetenz in die Erarbeitung von sachgerechten ärztlichen Pauschalen ist für die FMH zwingend.
Nachdem auf der Zielgeraden zur Gründung der gemeinsamen ambulanten Tariforganisation (OAAT AG) noch einige Differenzen zwischen den Tarifpartnern ausgeräumt werden konnten, wurde die Vereinbarung über die Eckwerte und den Zeitplan im Umgang mit den beiden Tarifwerken TARDOC und ambulante Pauschalen von allen Tarifpartnern unterzeichnet. Damit war der Weg frei für die Gründung der «Organisation ambulante Arzttarife (OAAT)».
Urs Stoffel
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Ambulante Versorgung und Tarife
Am 15. November 2022 war es dann soweit und die Gründung der OAAT AG konnte vollzogen werden. Sicherlich kann man bei dieser Gründung der Tariforganisation von einem Meilenstein in der Schweizerischen Gesundheitspolitik sprechen. Dies obwohl die Gründung ohne grosses Brimborium in den Medien und in der Öffentlichkeit erfolgte. Nach jahrelangen Versuchen, die immer wieder auf der Zielgeraden gescheitert sind, eine solche Organisation ins Leben zu rufen, darf diese Gründung als ein starkes Zeichen für ein Bekenntnis zur Tarifpartnerschaft interpretiert werden. Es heisst aber auch, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und das Heft der Tarifpolitik wieder selbst in die Hand zu nehmen, nachdem in den letzten Jahren diese Aufgabe vom Staat mittels Festsetzungsverfahren und Verordnungen übernommen wurde.
Mit der Neugründung der ambulanten Tariforganisation machen sich die Partner gemeinsam auf den Weg, um ihre Zusammenarbeit zu stärken.
© Woodooart / Dreamstime
Noch müssen aber die Tarifpartner den Beweis antreten, dass diese neue Tariforganisation auch wirklich gelebt wird. Dies nachdem die 2004 bei Inkraftsetzung des damaligen Einzelleistungstarifs TARMED gegründete Organisation TARMED Suisse ihre Aufgaben der Pflege und Weiterentwicklung des TARMED nie wirklich wahrgenommen hat. Vielmehr war die Ära TARMED Suisse geprägt von endlosen Querelen und Blockaden infolge Voraussetzung der Einstimmigkeit zwischen den Tarifpartnern. Nicht zuletzt hat diese unrühmliche Geschichte dafür gesorgt, dass nun die Ablösung des komplett veralteten, nie gepflegten und weiterentwickelten Tarifs TARMED so schwierig ist. Es besteht ein enormer Nachholbedarf nach bald 20 Jahren.
Aus den Fehlern hat man aber gelernt und die neue Organisation nach dem Mehrheitsprinzip konzipiert, so dass solche Blockaden möglichst vermieden werden sollen. Nichtsdestotrotz ist mit der Gründung der OAAT nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt, vollzogen worden. Noch stehen den Tarifpartnern nicht zu unterschätzende, grosse Herausforderungen bevor, um die beiden Tarifprojekte – den Einzelleistungstarif TARDOC und die «ambulante Pauschalen» – ins Ziel zu bringen.

Wie geht es weiter?

Die Tarifpartner (H+, FMH, Curafutura, Santésuisse und MTK) haben bereits im Vorfeld zur Gründung der nationalen ambulanten Tariforganisation OAAT vereinbart, dass die beiden Tarifprojekte – auch nach der Gründung der OAAT – jeweils weiterhin bis zur Einreichung zur Genehmigung beim Bundesrat in den bisherigen Entwicklungsgesellschaften ats-tms AG für den TARDOC und «solution tarifaires suisses sa» für die DRG-Pauschalen, weiter bearbeitet und finalisiert werden sollen. Dabei besteht ein gegenseitiges Einsichtsrecht in die Tarifprojekte und es soll ein regelmässiger Austausch zwischen den beiden Tariforganisationen stattfinden. Sie werden also nicht sofort in die OAAT überführt und innerhalb der OAAT weiterentwickelt.
Nach erfolgter Einreichung zur Genehmigung der beiden Tarifprojekte TARDOC und ambulante DRG-Pauschalen, können diese dann in die neue Organisation OAAT überführt werden. Die beiden Organisationen ats-tms AG und sts SA werden anschliessend liquidiert und die beiden Tarife werden zukünftig innerhalb der OAAT gemeinsam koordiniert, gepflegt und weiterentwickelt.

Genehmigung der Tarifwerke

Gemäss der Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern sollen die Tarifwerke gemeinsam, aber als getrennte Gesuche, dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden. Gemäss den Vorgaben des Bundesrates müssen beide Tarife die Auflage der Kostenneutralität und Gesetzeskonformität pro Tarifwerk erfüllen. Die Roadmap der Vereinbarung sieht auch vor, dass die genehmigungsfähigen Pauschalen und der Einzelleistungstarif TARDOC bis Ende Juni 2023 fertiggestellt werden und dann bis spätestens Mitte November 2023 von den entsprechenden Gremien der Tarifpartner verabschiedet werden. Damit können im November 2023 die bis dahin vorliegenden Pauschalen und der TARDOC dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden.

Einbezug der Fachgesellschaften

Für die FMH ist und war immer klar, dass für einen sachgerechten und praktikablen Arzttarif zwingend das ärztliche Know-how und die ärztliche Kompetenz in die Tarifierung einbezogen werden muss. Bei der Entwicklung des TARDOC waren deshalb alle Fachgesellschaften immer involviert und ihre Rechte und Pflichten wurden vertraglich geregelt. Für die Delegiertenversammlung der FMH (DV-FMH) – als verantwortliches Gremium für Tariffragen – ist es zwingend, dass die entsprechenden Fachgesellschaften einbezogen werden. Dazu wurde von der DV-FMH auch am 15. Dezember 2021 ein Beschluss gefasst, der besagt, dass nur Tarife, welche die Vorgabe des Einbezugs der entsprechenden Fachgesellschaft erfüllen, beurteilt und geprüft werden können. Dieser Beschluss gilt auch für die ambulanten Pauschalen. Hier besteht bei den ambulanten DRG-Pauschalen aber noch ein erheblicher Nachholbedarf. Bisher wurden die Fachgesellschaften teilweise ungenügend und teilweise überhaupt nicht in die Tarifierung der ambulanten Pauschalen eingebunden. Das ambulante Pauschalen-System sieht derzeit lediglich Pauschalen in infrastrukturintensiven Bereichen vor (zum Beispiel im OP- oder interventionellen Bereich) – die Grundversorgung und Psychiatrie sind nicht betroffen. Mehrere betroffene Fachgesellschaften haben bereits ihr Interesse für eine Mitarbeit an den ambulanten Pauschalen bei der sts SA, welche diese Pauschalen erarbeitet, angemeldet. Bisher sind aber leider noch keine konstruktiven Rückmeldungen erfolgt. Zurzeit ist das Departement Ambulante Versorgung und Tarife daran, zusammen mit der FMCH, die Unterstützung für die von den ambulanten Pauschalen betroffenen Fachgesellschaften zu koordinieren und sicher zu stellen. Wir werden auch das Gespräch mit der sts SA für eine konstruktive Umsetzung der Anliegen der Fachgesellschaften suchen.
In jedem Fall wird aber die FMH die Fachgesellschaften tatkräftig mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen und beraten.

Nächste Arbeiten in der OAAT

Zurzeit befasst sich eine Arbeitsgruppe innerhalb der OAAT mit der Erarbeitung übergeordneter Tarifierungsgrundsätze, die dann vom Verwaltungsrat der OAAT beschlossen werden sollen. Zur Abgrenzung der ambulanten DRG-Pauschalen vom Einzelleistungstarif TARDOC müssen zuerst die fertiggestellten Pauschalen bekannt sein. Es muss aufgezeigt werden, welche Leistungen die Pauschalen abdecken und insbesondere muss klar sein, welche Einzelleistungen aus dem Einzelleistungskatalog TARDOC diese Pauschalen ersetzen. Diese Erarbeitung der übergeordneten Tarifierungsgrundsätze wird die erste grosse Herausforderung sein für die Tariforganisation OAAT.
Es bleibt also noch sehr viel zu tun und schon bald werden die noch junge Tariforganisation und die darin vertretenen Tarifpartner beweisen müssen, dass nun auch tragbare und tarifpartnerschaftliche Lösungen erzielt werden können.