Lebendspende von soliden Organen

Organisationen
Ausgabe
2023/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21364
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(07):28-29

Affiliations
a lic. iur, MAE, Medizin & Ethik & Recht, Basel, b Dr. sc. med., Projektverantwortliche Ressort Ethik, Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), Bern

Publiziert am 15.02.2023

TransplantationenWenn eine gesunde Person einen operativen Eingriff zulässt, um ein Organ oder Teile davon zu spenden, ist das eine besondere medizin-ethische Situation. Mit den Revisionen des Transplantationsgesetzes hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften ihre Richtlinien überarbeitet. Diese stehen derzeit zur Vernehmlassung.
Gesunde Menschen können gewisse Organe – meist Nieren, seltener einen Teil der Leber – spenden. Gemäss dem Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (TxG) vom 8. Oktober 2004 (SR 810.21) darf in der Schweiz eine lebende Person ein Organ spenden, wenn sie urteilsfähig und volljährig ist, wenn sie umfassend informiert wurde und frei und schriftlich zugestimmt hat. Zudem darf kein ernsthaftes Risiko für ihr Leben oder ihre Gesundheit bestehen und der Empfänger oder Empfängerin kann mit keiner anderen therapeutischen Methode von vergleichbarem Nutzen behandelt werden. Für die involvierten medizinischen Fachpersonen sind diese Abklärungen nicht immer einfach. Bereits 2008 veröffentlichte die SAMW Richtlinien zur Lebendspende von soliden Organen, um ethische Fragestellungen zu vertiefen und damit eine Hilfestellung für die Praxis anzubieten.

Anpassung der Richtlinien

Teilrevisionen des TxG und diverse Entwicklungen in der medizinischen Praxis machten eine Überarbeitung der Richtlinien 2008 erforderlich. Die Zentrale Ethikkommission (ZEK) der SAMW hat deshalb 2019 eine breit abgestützte Subkommission unter dem Vorsitz von Prof. Jürg Steiger, Basel, mit der Revision der Richtlinien beauftragt. Diese legt nun einen Entwurf vor für die öffentliche Vernehmlassung.

Überkreuz-Lebendspende von Nieren

Die wichtigste Anpassung der Richtlinien betrifft die Neuaufnahme der Überkreuz-Lebendspende von Nieren. Bei der Überkreuz-Lebendspende spenden Paare eine Niere «über Kreuz» an passende Empfängerinnen oder Empfänger, wenn innerhalb des Paars eine Inkompatibilität besteht und deshalb eine direkte Nierenspende nicht möglich oder nicht optimal ist. Möglich ist auch der Einbezug von spendewilligen Einzelpersonen, die nicht Teil eines inkompatiblen Paars sind.
Die Niere ist eines der am häufigsten für eine Transplantation benötigte Organ.
© Sirichaidreamstime / Dreamstime

Psychosoziale Evaluation

Überarbeitet wurden in den Richtlinien die Kategorien zur psychosozialen Evaluation von potenziellen Spendenden. Es muss sichergestellt sein, dass die spendewillige Person urteilsfähig ist und die Entscheidung auf ausreichender Information beruht, sie über eine ausreichende soziale und psychische Stabilität verfügt und der Entscheid freiwillig erfolgt. Deshalb verlangt das TxG bei der Abklärung nebst der medizinischen auch eine psychosoziale Evaluation. Bereits die Richtlinien von 2008 konkretisierten die ethischen Aspekte spezifischer Konstellationen, die bei der psychosozialen Evaluation von Spendewilligen berücksichtigt werden sollen. Diese wurden nun an die neuesten Erkenntnisse aus Praxis und Wissenschaft angepasst.

Lebendspende-Nachsorge

Es ist ein Gebot der Fairness, dass Lebendspenderinnen und -spender eine umfassende Nachsorge erhalten und infolge ihrer Spende keine finanziellen Einbussen erleiden. Mit der Revision des TxG wurden diese Empfehlungen aus den SAMW-Richtlinien von 2008 in wichtigen Punkten übernommen. Die Versicherer sind nun verpflichtet, die Kosten für die medizinische Nachsorge als einmalige Pauschale an den Lebendspende-Nachsorgefonds zu entrichten. Ein entsprechendes Lebendspender-Gesundheitsregister (SOL-DHR) und seine Aufgaben sind gesetzlich verankert. Die revidierten Richtlinien enthalten Konkretisierungen, wie Aufwandersatz und Versicherungsschutz praktisch umgesetzt werden können. In Bezug auf die Nachsorge betonen sie, dass es wichtig ist, spendewillige Personen, die nicht ins SOL-DHR aufgenommen werden möchten, darüber aufzuklären, dass sie für ihre Gesundheitskontrollen selbst verantwortlich sind und gegebenenfalls Gesundheitsrisiken eingehen.

Ausblick: Weitere Teilrevision des TxG

Der vorliegende Richtlinienentwurf orientiert sich am aktuell gültigen rechtlichen Rahmen und wird voraussichtlich im Spätsommer 2023 von der SAMW publiziert. Das TxG ist im Wandel. Bereits während der Arbeiten der Subkommission wurde eine weitere Teilrevision durchgeführt. Diese wird eine formell-gesetzliche Grundlage für das Überkreuz-Lebendspendeprogramm einführen, das bisher lediglich auf Verordnungsebene geregelt ist. Zudem werden weitere wissenschaftliche und regulatorische Entwicklungen, die seit dem Inkrafttreten des TxG vor mehr als zehn Jahren eingetreten sind, aufgenommen. Allfällig notwendige Anpassungen in den revidierten SAMW-Richtlinien werden an die Hand genommen, sobald die neue Fassung des TxG in Kraft tritt. Sofern es sich nicht um substantielle Änderungen handelt, wird keine erneute öffentliche Vernehmlassung der SAMW-Richtlinien durchgeführt.
Der Richtlinienentwurf steht bis 1. März 2023 in der öffentlichen Vernehmlassung. Interessierte Organisationen und Personen sind zur Stellungnahme eingeladen. Die Vernehmlassungsunterlagen sind verfügbar unter: samw.ch/lebendspende/vernehmlassung