BAG provoziert akuten Notstand von psychisch Kranken

Briefe an die Redaktion
Ausgabe
2023/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21378
Schweiz Ärzteztg. 2023;103(04):18-19

Publiziert am 25.01.2023

BAG provoziert akuten Notstand von psychisch Kranken

Ab 1. Januar 2023 können neu auch psychotherapeutisch ausgebildete Psychologen und nicht nur Psychiater selbständig mit den Krankenkassen abrechnen. Über die Honorierung von Psychologen, die sich noch in Weiterbildung in psychiatrischen Praxen befinden und dort Patienten therapieren, haben sich die verschiedenen Akteure heillos zerstritten, sodass das BAG am 5. Dezember beschloss, eine «Übergangslösung» nicht weiterzuführen, welche die vorläufige weitere Bezahlung dieser Therapien erlaubt hätte – das bedeutet jetzt den zwangsweisen Abbruch der laufenden Psychotherapie bei möglicherweise über zehntausend Patienten (von dieser Zahl spricht das BAG am 9.11.2022). Die Annahme, es wäre möglich, in der heutigen angespannten Versorgungslage für Psychotherapien, Nachfolgetherapieplätze in angemessener Frist zu finden, wäre geradezu zynisch.
Wer die komplexen Diskussionen verfolgt hat, kann den Entscheid des BAG ein Stück weit nachvollziehen, aber trotz allen vorausgegangenen Auseinandersetzungen, Warnungen, Mahnungen und Drohungen hat buchstäblich niemand damit gerechnet, dass am Schluss ausgerechnet eine Institution wie das BAG «einfach den Stecker rausziehen», «Patienten auf die Strasse stellen», und «Patienten im Stich lassen» würde.
Was sind die voraussehbaren Folgen erzwungener Therapieabbrüche: depressive Reaktionen bis hin zu Suiziden, insbesondere bei Jugendlichen, psychosomatische und psychotische Zusammenbrüche. Jeder derartige Fall wäre einer zu viel.
Für solche Folgen werden Verantwortliche gesucht werden.
Es muss jetzt so rasch wie irgendwie möglich verhindert werden, dass weitere Therapieabbrüche erzwungen werden – unbesehen aller vorausgegangenen, komplexen Ereignisse, und abgesehen von allen noch nicht gelösten Fragen.
Bei allem Respekt für die verschiedenen Interessengruppen: An erster Stelle muss das Wohl von psychisch kranken Menschen stehen («die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen»). Möglicherweise wäre ein rückwirkender Aufschub des Entscheides des BAG vom Anfang Dezember die rascheste, ultraprovisorische Lösung.
Dr. med. Alexander Moser, Zürich