Ist eine Planung für die ärztliche Nachfolge noch möglich?

Ist eine Planung für die ärztliche Nachfolge noch möglich?

Organisationen
Ausgabe
2023/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21436
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(18):30-32

Affiliations
a Dr. LL.M., Associated Partner, Prager Dreifuss AG; b LL.M., Associated Partner, Prager Dreifuss AG

Publiziert am 03.05.2023

OKP-Zulassung Aufgrund der neuen Zulassungsbeschränkungen für Ärztinnen und Ärzte wird es schwieriger, eine Arztpraxis zu übernehmen. Wer eine Praxis kaufen oder verkaufen möchte, sollte nicht die Übergabe der ZSR-Nummer regeln, sondern die Übertragung der OKP-Zulassung. Ob und wie OKP-Zulassungen übertragen werden können, haben die Kantone zu entscheiden. Ein Überblick über die aktuelle Rechtslage.
Die ZSR-Nummer ist weder gesetzlich vorgesehen, noch geregelt. Das KVG [1] schreibt jedoch vor, dass nur Leistungserbringer, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, zulasten der OKP abrechnen dürfen. Santésuisse beziehungsweise ihre Tochtergesellschaft SASIS AG erteilt einem Leistungserbringer auf Gesuch hin die sogenannte ZSR-Nummer, wenn er die im Gesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt [2].
Das System der ZSR-Nummern entlastet damit die Versicherer von der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall und ermöglicht ihnen aufgrund sofortiger Identifizierung des Leistungserbringers und dessen Bankadresse eine effiziente Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Die Mitglieder des Kassenverbandes haben damit ihre damalige gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung der OKP-Zulassungen aus praktischen Gründen weitestgehend an die SASIS AG delegiert [3].
Smiling young female general practitioner shaking hands with old patient.
Wer eine Praxis übernehmen möchte, sollte sich vorzeitig bei den zuständigen kantonalen Behörden informieren.
© Fizkes / Dreamstime
Bei der Erteilung einer ZSR-Nummer durch die SASIS AG handelt es sich um keinen Zulassungsentscheid im Rechtssinne [4], selbst wenn praktisch alle krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringer über eine ZSR-Nummer verfügen [5]. Die ZSR-Nummer ist somit grundsätzlich nur ein Indiz dafür, dass der entsprechende Leistungserbringer über eine persönliche OKP-Zulassung verfügt [6].
Seit das neue Zulassungsrecht am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist, sind nicht mehr die Krankenversicherer, sondern die Kantone für die Prüfung und Erteilung der OKP-Zulassung zuständig. Bei der Erteilung der ZSR-Nummern ist die SASIS AG deshalb verpflichtet, sich an die Grundsätze des formellen Zulassungsverfahrens zu halten und hat dabei die Entscheide der Kantone zu respektieren [7].

OKP-Zulassung

Ein Gesuch um Zulassung zur Leistungserbringung zulasten der OKP muss seit dem 1. Januar 2022 beim jeweiligen Kanton gestellt werden. Ärzte und Ärztinnen werden zugelassen, wenn sie (kumulativ) [8]:
– mindestens drei Jahre im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben;
– die in ihrer Tätigkeitsregion notwendige Sprachkompetenz mittels einer in der Schweiz abgelegten Sprachprüfung nachweisen können oder von der Nachweispflicht entbunden sind;
– über eine kantonale Bewilligung für die Berufsausübung als Arzt oder Ärztin verfügen;
– über einen eidgenössischen oder eidgenössisch anerkannten Weiterbildungstitel im Fachgebiet nach dem MedBG [9], für das die Zulassung beantragt wird, verfügen;
– die Qualitätsanforderungen nach Artikel 58g KVV erfüllen;
– einer zertifizierten Gemeinschaft oder Stammgemeinschaft nach Artikel 11 Bst. a des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier [10] angeschlossen sind; sowie
– die Beschränkung der Anzahl zugelassener Ärzte nach Artikel 55a KVG nicht überschritten ist.
Artikel 55a KVG ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Die Kantone haben seither zwei Jahre Zeit, um die neuen Regelungen zur Beschränkung der Anzahl der Ärztinnen und Ärzte umzusetzen [11]. Die vom Bundesrat erlassene Verordnung über die Festlegung der Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich sieht vor, dass die Festlegung der Höchstzahlen auf der Ermittlung des Angebots an Ärztinnen und Ärzten, der Herleitung eines Versorgungsgrads nach Region und Fachgebiet sowie einem Gewichtungsfaktor beruhen muss [12]. Das EDI [13] hat die Versorgungsgrade der Kantone in einer separaten Verordnung publiziert, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist [14]. Die meisten Kantone haben bislang noch keine Höchstzahlen festgelegt. Am 25. Januar 2023 hat der Bundesrat dem Antrag der SGK-N zugestimmt, wonach Kantone Ausnahmen von der dreijährigen Tätigkeitspflicht für Ärztinnen und Ärzte gewähren dürfen und das KVG entsprechend angepasst werden soll. Die Massnahme dient dazu, eine Unterversorgung zu vermeiden. Am 28. Februar 2023 hat der Nationalrat und am 2. März der Ständerat dieser befristeten Ausnahme zugestimmt [15].
Leistungserbringer, die bereits gemäss altem Recht zugelassen waren, sind auch nach neuem Recht zur Tätigkeit zu Lasten der OKP zugelassen [16]. Verzichten sie auf ihre bestehenden OKP-Zulassungen, verändert sich dadurch der Versorgungsgrad bzw. die relevante Höchstzahl im entsprechenden Kanton, wovon andere Medizinalpersonen im gleichen Fachbereich, welche die übrigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, profitieren können. Auch wenn Ärzte oder Ärztinnen bereit sind, ihre OKP-Zulassungen auf eine von ihnen ausgewählte Fachperson zu übertragen, so ist zu bedenken, dass es sich bei der OKP-Zulassung um eine kantonale Bewilligung handelt. Der jeweilige Kanton muss somit dieser Übertragung zustimmen [17].
Die Frage nach der Möglichkeit der Übertragung der OKP-Zulassung dürfte insbesondere dann auf grosses Interesse stossen, wenn die Höchstzahlen nach Artikel 55a KVG im jeweiligen Fachgebiet des relevanten Kantons festgelegt und bereits erreicht sind. In diesem Fall werden Medizinalpersonen, obwohl sie die übrigen Voraussetzungen zur OKP-Zulassung erfüllen, erst dann eine OKP-Zulassung erhalten, wenn wieder eine OKP-Zulassung im jeweiligen Fachgebiet frei wird. Diese wartenden Fachpersonen dürften deshalb bereit sein, viel Geld für eine freigewordene OKP-Zulassung zu bezahlen. Bereits im Jahre 2007 wurden angeblich teilweise sechsstellige Beträge von Ärzten für OKP-Zulassungen gefordert. Dies offenbar zusätzlich zum übrigen Kaufpreis für die Arztpraxis [18].

Bedeutung für die Praxis

Es kann festgehalten werden, dass die von der SASIS AG erteilte ZSR-Nummer für sich alleine keinen Wert hat, sondern diese lediglich den Zahlungsverkehr erleichtert und ein Indiz dafür ist, dass der entsprechende Leistungserbringer über eine OKP-Zulassung verfügt. Wertvoll ist somit nicht die ZSR-Nummer, sondern die OKP-Zulassung, welche neu von den Kantonen erteilt wird. Ärztinnen und Ärzte sollten somit bei einem Praxiskauf beziehungsweise Praxisverkauf nicht die Übertragung der ZSR-Nummern vertraglich regeln, sondern die Übertragung der OKP-Zulassung. Unerlässlich ist dabei jedoch, dass sie sich vorgängig beim zuständigen Kanton informieren, ob und wie eine solche Übertragung möglich ist.
Die Kantone haben darüber zu befinden, ob und unter welchen Bedingungen sie solchen Übertragungen von OKP-Zulassungen zustimmen wollen oder nicht. Es ist denkbar, dass Medizinalpersonen, die auf ihre OKP-Zulassungen verzichten wollen, in gewissen Kantonen kein Mitspracherecht erhalten, wer aufgrund ihres Verzichts von ihren freigewordenen OKP-Zulassungen profitieren wird. Gewisse Kantone könnten solche spezifischen Übertragungswünsche ignorieren und die freigewordenen Zulassungen einfach anhand der Reihenfolge einer dafür erstellten Warteliste verteilen.
Anfragen bei den kantonalen Vollzugsbehörden haben ergeben, dass in mehreren Kantonen die Tendenz besteht, den Handel mit OKP-Zulassungen zu unterbinden. So ziehen mehrere Kantonen in Erwägung, eine freigewordene OKP-Zulassung einfach derjenigen Fachperson zuzusprechen, die am längsten auf der dafür vorgesehenen Warteliste aufgeführt ist. Diese Lösung erscheint aber nicht praktikabel; denn wer eine Praxisnachfolge sucht, möchte nicht irgendeine Nachfolge, sondern jemanden, der in die Praxis passt und der seinen Patientenstamm bestmöglich versorgen kann. Viele Kantone haben bislang noch keine Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte festgelegt und wollen zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Auskünfte über ihre zukünftige Praxis bezüglich der Übertragung von OKP-Zulassungen erteilen. Eine aus Sicht der Ärzteschaft pragmatische und nachahmenswerte Lösung für Praxisübernahmen hat die Gesundheitsregion Basel erarbeitet.

Beispiel Basel

Die Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt haben als erste Kantone die Bestimmung von Artikel 55a KVG umgesetzt. Am 1. April 2022 traten dort die beiden regierungsrätlichen Verordnungen über die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich in Kraft [19]. In § 3 Abs. 1 und 2 dieser beiden Zulassungsverordnungen wird das Folgende festgehalten:
Gesuche um Zulassung oder Berechtigung zur Tätigkeit zulasten der OKP sind der Direktion spätestens zwei Monate vor Tätigkeitsbeginn einzureichen.
Gesuche um Zulassung oder Berechtigung zur Tätigkeit zulasten der OKP werden unter der Voraussetzung der Vollständigkeit nach dem Zeitpunkt des Eingangs bei der Direktion berücksichtigt.
In § 4 Abs. 1 dieser Verordnungen wird anschliessend die folgende Verfahrensabweichung festgelegt:
Vom Verfahren gemäss § 3 Abs. 2 kann bei Praxisübernahmen abgewichen werden, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
a) die Übernahme erfolgt im selben Fachgebiet und in derselben Gemeinde;
b) der Antrag zur Übernahme geht innerhalb von 3 Monaten seit Aufgabe der Praxistätigkeit der bisherigen Praxisinhaberin oder des bisherigen Praxisinhabers bei der Direktion ein.
Gemäss diesen beiden Verordnungen hätten die in Basel tätigen Ärztinnen und Ärzte bei einem Praxisverkauf unter Verzicht auf ihre eigenen OKP-Zulassungen beantragen können, dass ihr Nachfolger im gleichen Fachgebiet von ihrer freigewordenen OKP-Zulassung profitieren kann beziehungsweise in diesem Fall von der Reihenfolge der kantonalen Warteliste abgesehen wird. Am 18. Januar 2023 hat das Kantonsgericht Basel-Land jedoch entschieden, dass die vom Regierungsrat erlassene Zulassungsverordnung gegen die Gewaltentrennung und das Legalitätsprinzip verstösst. Das kantonale Gesetz gäbe dem Regierungsrat nicht die Befugnis, den Zulassungsstopp eigenhändig anzuordnen, dafür sei das übliche Gesetzgebungsverfahren via Kantonsparlament erforderlich. Es wurde also nicht die Verordnung per se, sondern nur dessen fehlende rechtliche Grundlage bemängelt [20].

Wunsch und Empfehlung

Ungeachtet dessen, dass die Kritik am Ärztestopp berechtigt ist [21] und deshalb der Entscheid des Basler Kantonsgerichts von den Gegnern des Ärztestopps gefeiert wurde, darf nicht übersehen werden, dass die Basler Regierungsräte mit § 4 Abs. 1 der Zulassungsverordnungen eine sinnvolle Regel im Hinblick auf Praxisübernahmen getroffen haben. Es wäre wünschenswert, wenn auch andere Kantone bei der Umsetzung von Artikel 55a KVG einen vergleichbaren Gesetzesartikel schaffen, denn nur so ist eine ärztliche Nachfolgeplanung möglich beziehungsweise nur so kann bei einem Praxisverkauf sichergestellt werden, dass der neue Praxisinhaber eine OKP-Zulassung erhält. Medizinalpersonen, die eine Praxis kaufen oder verkaufen wollen, sollen sich daher vorzeitig bei den zuständigen kantonalen Behörden informieren, ob und wie ein Übertrag der OKP-Zulassung möglich ist, nachdem die kantonalen Höchstzahlen nach Artikel 55a KVG festgelegt und bereits erreicht sind. Nur mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen kann über die weiteren Bedingungen einer Praxisübertragung verhandelt werden.
1 Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG, SR 832.10).
2 BGE 135 V 237 ff., 238 f. E. 2.
3 BGE 135 V 237 ff., 238 f. E. 2.
4 BGE 132 V 303 ff., 306 E. 4.4.1.
5 BGE 132 V 303 ff., 306 E. 4.3.2.
6 Kuhn Moritz W./Poledna Tomas, Arztrecht in der Praxis, 2. Auf., Zürich/Basel/Genf 2007, S. 397.
7 BAG, Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Umsetzung der KVG-Änderung «Zulassung von Leistungserbringern», Stand: 21. Juni 2022, S. 3, abrufbar hier: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/leistungserbringer.html.
8 Vgl. Artikel 37 Abs. 1 und 3 KVG (SR 832.10) i.V.m. Artikel 38 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV, SR 832.102).
9 Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe vom 23. Juni 2006 (MedBG, SR 811.11).
10 Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier vom 19. Juni 2015 (EPDG, SR 816.1).
11 Vgl. Übergangsbestimmung zur Änderung des KVG vom 19. Juni 2020.
12 Verordnung über die Festlegung der Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich vom 23. Juni 2021, SR. 832.107.
13 Eidgenössisches Departement des Innern (EDI).
14 Verordnung des EDI über die Festlegung der regionalen Versorgungsgrade je medizinisches Fachgebiet im ambulanten Bereich vom 28. November 2022 (SR 832.107.1).
15 www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/leistungserbringer/parlamentarische-initiative-ausnahme-dreijaehrige-taetigkeitspflicht.html.
16 Vgl. die Übergangsbestimmung zur Änderung des KVG vom 19. Juni 2020.
17 Kuhn/Poledna (FN 6), S. 304.
18 Kuhn/Poledna (FN 6), S. 308.
19 Verordnung des Kantons Basel-Landschaft über die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich vom 22. März 2022 (Zulassungsverordnung, SGS 915.11) sowie Verordnung des Kantons Basel-Stadt über die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich vom 22. März 2022 (Zulassungsverordnung, SG 310.500).
20 SRF, Steigende Gesundheitskosten, Wegweisendes Urteil: Baselbieter Ärztestopp ist nicht rechtens, 18.01.2023, abrufbar unter: https://www.srf.ch/news/schweiz/steigende-gesundheitskosten-wegweisendes-urteil-baselbieter-aerztestopp-ist-nicht-rechtens; Medinside, Ärztestopp: Hirslanden setzt sich juristisch durch, 18.01.2023, abrufbar unter: https://www.medinside.ch/arztestopp-hirslanden-setzt-sich-juristisch-durch-20230118.
21 Werder Gregori, Die Zulassungsbeschränkung zur OKP – oder: Das Gesetz das niemand wollte, in: Jusletter vom 31. August 2020.