Denosumab: «Es ist kompliziert …»

Schwerpunkt
Ausgabe
2023/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21594
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(12):72-73

Publiziert am 22.03.2023

Rebound-Effekt Denosumab führt in der Langzeitbehandlung der Osteoporose zu einem eindrücklichen Anstieg der Knochendichte, der nach Absetzen trotz Nachbehandlung mit Bisphosphonaten nur teilweise erhalten werden kann. Grund dafür ist ein Rebound-Effekt, der zeigt: Was einfach beginnt, kann kompliziert enden!
Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper, der den von Osteoblasten synthetisierten RANK-Liganden bindet. Dadurch wird die Reifung, die Funktion und das Überleben der knochenresorbierenden Osteoklasten blockiert [1]. Denosumab führt klinisch zu einer schnellen und praktisch vollständigen Hemmung der Knochenresorption, einer Zunahme der Knochendichte und einer verminderten Frakturhäufigkeit vorwiegend von Wirbelfrakturen bei postmenopausalen Frauen [2]. Denosumab zeigt in der Langzeitverwendung von bis zu zehn Jahren eine kontinuierliche Knochendichtezunahme an der Lendenwirbelsäule um circa 20% und an der Hüfte zu rund 9% [3]. Jedoch kommt es nach Absetzen von Denosumab zu einer schnellen Reaktivierung der Osteoklasten mit unphysiologisch dynamischer Knochenresorption und in dieser Phase erhöhtem Risiko für Wirbelfrakturen [4, 5].
Dieser Rebound-Effekt entsteht in erster Linie durch eine Akkumulierung unreifer Osteoklasten während der Behandlung mit Denosumab. Diese differenzieren nach dem Absetzen sekundär synchron weiter und fusionieren zu mehrkernigen Riesenzellen, welche wiederum den Knochen rasch resorbieren [6]. Ein erhöhtes RANKL/Osteoprotegerin-Verhältnis, das die Knochenresorption durch die Kopplung von Osteoblasten und Osteoklasten zusätzlich stimuliert [7], gilt als weitere mögliche Hypothese, die den Rebound-Effekt begründen könnte. Letztendlich ist der genaue Pathomechanismus aber bis heute nicht vollständig geklärt.

Management des Rebound-Effekts nach Denosumab

Zur Verhinderung oder zumindest Abschwächung dieses Rebound-Effekts nach Absetzen von Denosumab wird der Einsatz von Bisphosphonaten empfohlen, wobei Zoledronat, sechs Monate nach der letzten Denosumab-Spritze verabreicht, aktuell das am besten untersuchte Medikament in dieser Situation ist [8-10]. Leider gelingt es nicht bei allen Patientinnen und Patienten mit Denosumab, diesen Rebound-Effekt suffizient zu verhindern. Insbesondere Personen nach Langzeitbehandlung von über drei Jahren haben nach Absetzen von Denosumab und Umstellung auf eine Bisphosphonattherapie ein erhöhtes Risiko für einen Knochendichteverlust und, wenn auch seltener, für Wirbelfrakturen [11, 12]. Im klinischen Alltag versucht man mit repetitiver Bestimmung der Knochenmarker (Beta-CrossLaps oder P1NP) den Rebound-Effekt frühzeitig zu erkennen und diesem mit allenfalls mehreren Zoledronat-Infusionen innerhalb eines Jahres entgegenzuwirken, was oft aber leider nicht immer gelingt [13]. Zwar wird ein Monitoring mit wiederholter Bestimmung der Knochenumbau-Parameter zurzeit empfohlen, aber die Evidenz dieser Massnahme ist noch nicht belegt [14].
Da Osteoporose eine chronische, nicht heilbare Erkrankung ist, könnte erwogen werden, Denosumab lebenslänglich zu verabreichen.
© Patricia Hofmeester / Dreamstime

Denosumab «lebenslang»?

Da Osteoporose eine chronische, nicht heilbare Erkrankung ist, könnte erwogen werden, Denosumab lebenslänglich zu verabreichen [15]. Dies wäre eine pragmatische Lösung, die Rebound-Problematik zu umgehen. Dagegen spricht, dass für Denosumab bisher lediglich Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten für zehn Jahre vorliegen, nicht länger [3]. Von den Bisphosphonaten wissen wir, dass das Risiko seltener schwerer Nebenwirkungen (atypische Femurfrakturen) mit einer Behandlungsdauer von mehr als acht Jahren exponentiell zunimmt [16]. Ob dies auch auf Denosumab, bzw. einer sequentiellen Therapie mit Bisphosphonaten und Denosumab, zutrifft, ist zurzeit noch unklar [17]. Zudem ist bekannt, dass Denosumab nicht zu einer zusätzlichen Frakturreduktion führt, wenn der T-Score an der Hüfte einen Wert von -1.5 SD übersteigt [18]. Es wäre demnach aus Kosteneffizienzgründen nicht ganz unbedenklich, in dieser Situation Denosumab jahrelang weiter zu applizieren, da Bisphosphonate deutlich günstiger sind. Bei betagten Personen, insbesondere wenn die Lebenserwartung die bisher untersuchte Therapiedauer von Denosumab von zehn Jahren nicht wesentlich übersteigt, ist «Denosumab lebenslang» aber eine gute Option, vorausgesetzt, dass eine strikte Therapieadhärenz gewährleistet ist. Das Verschieben oder Auslassen einer Dosis von Denosumab ist - analog zum Rebound-Effekt nach Absetzen – mit einem erhöhten Risiko für einen Knochendichteverlust und Wirbelfrakturen verbunden [19].

Die Wichtigkeit von klinischen Registerdaten

Abschliessend stellen wir fest, dass grosse randomisierte Zulassungsstudien wie bei Denosumab zwar spektakuläre Erfolge dokumentieren, im klinischen Alltag unter der Langzeitanwendung bisweilen aber Komplikationen auftreten, die initial unterschätzt wurden.
In Zukunft sollten wir deshalb nicht nur die Resultate der randomisierten Studien beachten, sondern von der Industrie unabhängige, robuste Langzeitdaten aus dem klinischen Alltag gewinnen, die insbesondere sequentielle Therapien mit verschiedenen Medikamenten dokumentieren. Ausserdem sind «Real-World» Daten wichtig, um die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Medikamente bei multimorbiden und gebrechlichen Individuen zu untersuchen, die bei randomisiert-kontrollierten Studien untervertreten sind [20]. Das schweizweite Osteoporose-Register, das die Osteoporose-Plattform der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie vor mehreren Jahren gegründet hat, hat sich genau diese Aufgabe zum Ziel gesetzt.
Dr. med. Judith Everts-Graber
Klinisch tätige Rheumatologin in einer Gruppenpraxis in Bern. Daneben forscht sie in Zusammenarbeit mit der Universität Bern im Gebiet der Osteoporose.
Prof. Dr. med. H. J. Häuselmann
Freischaffender Rheumatologe in Zürich und Präsident der Osteoporose-Plattform der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie.
Dr. med. Thomas Lehmann
Rheumatologe und Gründer von OsteoRheuma Bern, wo er seit über 20 Jahren Personen mit Osteoporose betreut.
1 Bekker PJ, et al. A single-dose placebo-controlled study of AMG 162, a fully human monoclonal antibody to RANKL, in postmenopausal women. Journal of Bone and Mineral Research 2004 Jul;19(7):1059-66.
2 Cummings SR, et al. Denosumab for prevention of fractures in postmenopausal women with osteoporosis. New England Journal of Medicine. 2009 Aug 20;361(8):756-65.
3 Bone HG, et al. 10 years of denosumab treatment in postmenopausal women with osteoporosis: results from the phase 3 randomised FREEDOM trial and open-label extension. Lancet Diabetes Endocrinol. 2017 Jul;5(7):513-523.
4 Miller PD, et al. Effect of denosumab on bone density and turnover in postmenopausal women with low bone mass after long-term continued, discontinued, and restarting of therapy: A randomized blinded phase 2 clinical trial. Bone. 2008 Aug;43(2):222-229.
5 Anastasilakis AD, et al. Clinical Features of 24 Patients With Rebound-Associated Vertebral Fractures After Denosumab Discontinuation: Systematic Review and Additional Cases. Journal of Bone and Mineral Research. 2017 Jun;32(6):1291-1296.
6 McDonald MM, et al. Osteoclasts recycle via osteomorphs during RANKL-stimulated bone resorption. Cell. 2021 Mar 4;184(5):1330-1347.e13.
7 Fassio A, et al. Changes in Dkk-1, sclerostin, and RANKL serum levels following discontinuation of long-term denosumab treatment in postmenopausal women. Bone. 2019 Jun;123:191-195.
8 Anastasilakis AD, et al. Zoledronate for the Prevention of Bone Loss in Women Discontinuing Denosumab Treatment. A Prospective 2-year Clinical Trial. Journal of Bone and Mineral Research. 2019 Dec;34(12):2220-2228.
9 Everts-Graber J, et al. A Single Infusion of Zoledronate in Postmenopausal Women Following Denosumab Discontinuation Results in Partial Conservation of Bone Mass Gains. Journal of Bone and Mineral Research. 2020 Jul;35(7):1207-1215.
10 Sølling AS, et al. Treatment with zoledronate subsequent to denosumab in osteoporosis: a randomized trial. Journal of Bone and Mineral Research. 2020 Oct;35(10):1858-1870.
11 Cosman F, et al. Multiple Vertebral Fractures After Denosumab Discontinuation: FREEDOM and FREEDOM Extension Trials Additional Post Hoc Analyses. J Bone Miner Res. 2022 Nov;37(11):2112-2120.
12 Everts-Graber J, et al. Risk factors for vertebral fractures and bone loss after denosumab discontinuation: A real-world observational study. Bone. 2021 Mar;144:115830.
13 Everts-Graber J, et al. Effects of zoledronate on bone mineral density and bone turnover after long-term denosumab therapy: Observations in a real-world setting. Bone. 2022 Oct;163:116498.
14 Tsourdi E, et al. Fracture risk and management of discontinuation of denosumab therapy: a systematic review and position statement by ECTS. J Clin Endocrinol Metab. 2020 Oct 26;dgaa756.
15 Noble JA, et al. Should denosumab treatment for osteoporosis be continued indefinitely? Therapeutic Advances in Endocrinology and Metabolism. 2021 Apr 22;12:20420188211010052.
16 Black DM, et al. Atypical Femur Fracture Risk versus Fragility Fracture Prevention with Bisphosphonates. New England Journal of Medicine. 2020 Aug 20;383(8):743-753.
17 Everts-Graber J, et al. Incidence of Atypical Femoral Fractures in Patients on Osteoporosis Therapy-A Registry-Based Cohort Study. JBMR Plus. 2022 Sep 22;6(10):e10681.
18 Ferrari S, et al. Relationship Between Bone Mineral Density T-Score and Nonvertebral Fracture Risk Over 10 Years of Denosumab Treatment. Journal of Bone and Mineral Research. 2019, Jun;34(6):1033-1040.
19 Lyu H, et al. Delayed denosumab injections and fracture risk among patients with osteoporosis: A population-based cohort study. Ann Intern Med. 2020 Oct 6;173(7):516-526.
20 Reyes C, et al. Real-Life and RCT Participants: Alendronate Users Versus FITs’ Trial Eligibility Criterion. Calcif Tissue Int. 2016 Sep;99(3):243-9.