Das Gesundheitswesen funktioniert nur durch ein Miteinander

Leitartikel
Ausgabe
2023/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21605
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(09):24-25

Publiziert am 01.03.2023

Gemeinsam unterwegs Der Tag der Kranken lädt ein, sich auf den Kern der Medizin, den Menschen, zu besinnen. Er ist es, der krank und verletzt ist, der behandelt und pflegt. Das gute Zusammenwirken von Menschen ist es schliesslich, das ein gutes Gesundheitswesen massgeblich begünstigt.
Tarif-Diskussionen, Mangellagen, steigende Krankenkassenprämien – im gesundheitspolitischen Diskurs kommt das Wesentliche, der Mensch, an dem sich die Medizin orientiert, oft zu kurz und wird in den Hintergrund abgedrängt. Am 5. März 2023 findet der Tag der Kranken statt; ein von Solidarität geprägter Tag, der sich dieses Jahr bereits zum 84. Mal jährt. Er rückt den Menschen im gesundheitlichen Kontext wieder in den Fokus und zeigt auf, wie bedeutend es ist, effektiv zusammenzuarbeiten. Der Interaktion und Kooperation zwischen den unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen kommt im Alltag eine zentrale Rolle zu.

Arzt und Patient auf Augenhöhe

Das Motto des Tags der Kranken lautet dieses Jahr «Gemeinsam unterwegs». Der gemeinnützige Verein «Tag der Kranken» schreibt auf seiner Website [1]: «Wir sind überzeugt, dass mit einem guten Miteinander das Ergebnis grösser ist.» Diese Sichtweise teilt die FMH voll und ganz. Mit einem sinngemäss ähnlichen Titel hat sie im vergangenen Januar ihren Gesundheits-Podcast «An meiner Seite» lanciert. In jeder Folge wird ein konkreter medizinischer Fall aus Arzt- und Patientenperspektive erzählt. Zum Beispiel berichten ein an Leukämie erkrankter Patient und der ihn begleitende Onkologe vom Krankheitsweg, den sie gemeinsam zurückgelegt haben. Dabei zeigt sich in Bezug auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient: Der Arzt ist nicht der plakative «Halbgott in Weiss», der alles alleine entscheidet, sondern begegnet dem Patienten auf Augenhöhe, nimmt dessen Ansichten ernst und bindet ihn aktiv in den Behandlungsprozess ein. Unter fachlicher Anleitung des Onkologen informiert sich der Patient auch selbst über seine Krankheit und kann so seinen Genesungsprozess mitgestalten. Ein eindrucksvolles Beispiel, das zeigt, dass die Beziehung zwischen Ärztin und Patient, Arzt und Patientin den Behandlungserfolg massgeblich beeinflusst. Es ist idealerweise ein konstruktives Miteinander, das ein Gesundwerden des Patienten befördert. Ich lade Sie an dieser Stelle ein, den Gesundheits-Podcast der FMH unter an-meiner-seite.fmh.ch zu hören. Es erwarten Sie ebenso bewegende wie informative Geschichten, jeweils erzählt aus verschiedenen Blickwinkeln.
Stefan Kaufmann
Generalsekretär der FMH

Gemeinsam für das Patientenwohl

Nicht nur die Arzt-Patient-Beziehung ist für eine optimale medizinische Versorgung ausschlaggebend, sondern auch die Kooperation zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Fachpersonen. Dies zeigt sich tagtäglich in Praxen und Spitälern. Eine funktionierende Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Fachpersonen der diversen Gesundheitsberufe ist eine elementare Voraussetzung für eine gute Patientenversorgung. Das Gesundheitssystem funktioniert nur unter dem Mitwirken aller Beteiligten, ein Gesundheitsberuf allein vermag keine umfassende Gesundheitsversorgung zu leisten. Es wäre eine Beschönigung zu behaupten, dass die tägliche Zusammenarbeit stets reibungslos verläuft. Es ist das genau Gleiche wie überall in der Arbeitswelt: fehlende Wertschätzung, zu wenig Verständnis für die Arbeitsbelastung des Gegenübers oder Kommunikationsprobleme sind nur einige der Faktoren, die Konflikte verursachen können. Für eine gelingende Kooperation ist es entscheidend, das gemeinsame Ziel, die Gesundheit der Patientin oder des Patienten, nicht aus den Augen zu verlieren. Gemäss Bundesamt für Statistik waren 2021 vier Prozent alle Beschäftigten in der Schweiz im Gesundheitswesen tätig. Beispielsweise setzten sich 155 554 Pflegende, 43 013 Ärztinnen und Ärzte sowie 27 134 Mitarbeitende in der Spitex für das Patientenwohl ein [2].
Im Zentrum der Medizin steht der Mensch.
© Fsstock / Dreamstime

Gute Rahmenbedingungen ein Muss

Zu guter Letzt möchte ich einen Ausblick wagen, wie sich die Form der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zukünftig entwickeln könnte. In den letzten Jahren gewann der Begriff der Interprofessionalität zunehmend an Bedeutung. Die WHO definiert Interprofessionalität als «Lehre und Tätigkeit, die zustande kommt, wenn Fachleute von mindestens zwei Professionen gemeinsam arbeiten und voneinander lernen im Sinne einer effektiven Kollaboration, welche die Gesundheitsresultate verbessert» [3]. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teams der koordinierten Versorgung ist essenziell. Basis dafür müssen jedoch klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten sein. Angesichts des sich weiter akzentuierenden Ärzte- und Pflegefachpersonenmangels und der weiter voranschreitenden Spezialisierung in der Medizin, wird die Unterstützung der Ärzteschaft durch nichtärztliche Gesundheitsberufe immer wichtiger. Eine einheitliche Qualität kann dadurch gewährleistet werden, dass die Erbringung von medizinischen Leistungen durch Angehörige anderer Gesundheitsberufe – ob in ärztlicher Delegation oder eigenverantwortlich – im Rahmen einer strukturierten Weiter- und Fortbildung erfolgt. Interprofessionalität kann also dazu beitragen, dem zukünftigen Personalmangel entgegenzuwirken und die Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Das bedingt aber auch, dass die Rahmenbedingungen in diesem Sektor attraktiv ausgestaltet werden. Der zurzeit dominierende Kostenröhrenblick der Politik muss rasch korrigiert werden. Die FMH ist überzeugt, dass Interprofessionalität das Potenzial in sich trägt, die Versorgungsqualität zu verbessern und eine bessere Nachbetreuung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten [4]. Die FMH fördert den interprofessionellen Austausch, um so die verfügbaren Ressourcen im Gesundheitswesen optimal zu nutzen. Gehen wir es gemeinsam an.
Die Wichtigkeit der vielfältigen Formen der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen betont auch Hans Kurt, Delegierter der FMH und Vizepräsident «Tag der Kranken», ab Seite 26 dieser Ausgabe.