Solide Didaktik – bessere Medizin

SIWF
Ausgabe
2023/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21609
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(11):32-33

Affiliations
Freie Journalistin

Publiziert am 15.03.2023

Teach the teachers Im zwölften Jahr seines Bestehens erhält die Fortbildung «Teach the teachers» für Didaktik und Führung am Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF ein neues Leitungsteam. Andrea Meienberg und Jan Breckwoldt bringen gemeinsam rund 40 Jahre Lehrerfahrung mit und brechen eine Lanze für die kompetenzbasierte Bildung in der Medizin.
Wann hat Sie das Thema Teaching gepackt?
Andrea Meienberg (A.M.): Mein Interesse fürs Lehren wurde durch meine Arbeit in der Klinik und die Studierendenkurse geweckt. Ausserdem erlebte ich in der Fortbildung zur Sonografie-Tutorin zum ersten Mal Referierende, die nicht nur Fachwissen, sondern auch die dazu gehörige Didaktik vermittelten. Dadurch tat sich mir eine neue Welt parallel zur fachlichen auf, die mich begeisterte.
Jan Breckwoldt (J.B.): Auch bei mir entstand die Motivation fürs Teaching aus Notwendigkeit: Ich gab Studierenden Reanimationskurse und besuchte dafür eine didaktisch überzeugende Fortbildung des European Resuscitation Council. Dort habe ich verstanden, dass man besser und strukturierter lehren kann, als dass ich es ab und an erlebt hatte; dass sich Lehren lernen und vermitteln lässt und dass es dazu auch gute Forschungsevidenz gibt.
Eine gelingende Lehre ist weitaus mehr als die reine Wissensvermittlung.
© Annie Spratt / Unsplash
Teach the teachers bietet 2023 an rund 40 Tagen Kurse an. Dies sind zehn mehr als im Vorjahr. Werden Sie damit der Nachfrage gerecht?
J.B.: Wir gehen davon aus, ausser bei der Summer School, die immer sofort ausgebucht ist. Rein rechnerisch betrachtet wäre der Bedarf immens: Wenn man sich vorstellt, dass aus jeder der fast 5000 Weiterbildungsinstitutionen mindestens eine Person einen Kurs besucht, müssten wir weit mehr Workshops anbieten.
A.M.: Wobei wir mit diesem bedarfsadaptieren Wachstum ganz zufrieden sind, offenbar wirken Mundpropaganda und das stetige Informieren über unsere Themen und Angebote. Denn wir wollen nicht einfach viele Kurse durchführen, wir wollen Qualitätsstandards und eine Unité de doctrine in unseren Workshops in der ganzen Schweiz. Dafür bilden wir momentan neue Instruktorinnen und Instruktoren aus. Dieses erweiterte Kollegium wird unsere überschaubare Kursleitungsgruppe nicht nur beim Unterrichten unterstützen, sondern sicherlich auch beim Konzipieren künftiger Kurse. Diese Verstärkung ist sehr wichtig, denn hauptberuflich sind wir ja alle klinisch tätig.
J.B.: Und dies ist bei Teach the teachers zentral, denn für die Glaubwürdigkeit der Workshops brauchen wir Unterrichtende, die den klinischen Kontext aus dem eigenen Berufsalltag kennen: Diese besondere Herausforderung, dass man das Teaching in die Patientenversorgung einbauen muss – und auch kann.
Die Teach the teachers-Kurse des SIWF entstanden nach dem Vorbild des Royal College of Physicians of London (RCP). Wie unterscheiden sich die Schweizer Workshops davon?
A.M.: Primär durch die Angebote in den Landessprachen, und dass die Schweizer Instruktorinnen und Instruktoren mit unserem Gesundheitssystem vertraut sind. Die Zusammenarbeit mit dem RCP ist uns aber auch weiterhin ein grosses Anliegen: Die Schweizer Workshops wurden in Zusammenarbeit mit dem RCP entwickelt, und die Instruktorinnen und Instruktoren werden gemeinsam ausgebildet. Darüber hinaus bieten wir auch weiter die hochgeschätzten RCP-Kurse auf Englisch an, denn die dort gelehrten Prinzipien fürs Clinical Teaching, für effektives Feedback etc. unterscheiden sich weltweit nicht wesentlich.
J.B.: Über diese allgemeinen Grundkompetenzen hinaus wollen wir zunehmend die EPAs, die «Entrustable Professional Activities», einführen. Sie sind in England noch wenig etabliert, in der Schweiz hingegen zunehmend.
Die EPAs gehören zum Fundament der kompetenzbasierten medizinischen Bildung, deren schweizweite Einführung sich das SIWF zum Ziel gesetzt hat [1]. Wie vermitteln Sie die Competency Based Medical Education (CBME) bei Teach the teachers?
A.M.: Neben den EPAs legen wir grossen Wert darauf, die verschiedenen Rollen des Arztberufs anhand des CanMEDS-Modells [2] zu thematisieren. Denn obwohl dieses Kompetenzmodell sowohl für das Medizinstudium als auch in der Facharztausbildung seine Gültigkeit hat, sind viele Kolleginnen und Kolleginnen wenig oder erst intuitiv damit vertraut. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rollen eines Medical Experts, also den Rollen als Professional, Communicator, Collaborator, Leader, Health Advocate und Scholar, können eine gute Standortbestimmung für das eigene Wirken sein – auch in der Rolle als Medical Educator: Die CanMEDS-Rollen können wirksam dazu animieren, sich professionell weiter zu entfalten sowie den Lernenden in jenen Bereichen, die gestärkt werden sollen, gezielt mehr Teachings zu geben.
J.B.: Das CanMEDS-Modell ist tatsächlich ein idealer Rahmen, um gemeinsam mit Trainees Lernfortschritte zu planen. So können wir nicht nur daran arbeiten, wie man eine gute Narkose macht, sondern auch, wie man mit dem Patienten beim Einschlafen kommuniziert oder interprofessionell mit dem ganzen Operationsteam. Die EPAs ihrerseits verhelfen uns zu mehr Objektivität beim Einschätzen der Trainees, weil die ganzheitliche Bewertung des notwendigen Levels an Supervision zuverlässiger ist als das Ausfüllen einer Checkliste. Die EPAs machen Kompetenz greifbar und real, sie beantworten klar die Frage: Darfst du diese Tätigkeit alleine durchführen?
Wie möchten Sie das Angebot von Teach the teachers weiterentwickeln?
A.M.: Es gibt RCP-Kurse, beispielsweise nebst dem Basic Leadership- auch den Advanced Leadership-Kurs, die man auch für landesprachliche Workshops adaptieren könnte. Und natürlich unzählige didaktische Themen, die sich in einzelnen Angeboten vertieft behandeln liessen, etwa Präsentationstechniken.
J.B.: Oder einzelne Methoden wie das 360°-Feedback, wenn das Interesse da ist. Ferner gibt es die Idee, bestimmte Module zu einem Zertifikat zusammenzufassen, das mittelfristig auch zu einem Akkreditierungskriterium für Weiterbildungsstätten werden könnte. Wir wollen durch unsere Kurse jedoch keineswegs bestehende Fortbildungen anderer medizinischer Institutionen konkurrenzieren. Die Leitidee bei Teach the teachers muss die Nützlichkeit des Angebots für Weiterbildende und Trainees bleiben. Denn dies kommt der Medizin selbst zu Gute: Je besser wir Weiterbildenden unsere Kompetenzen weitergeben, desto besser wird die Medizin insgesamt.

Neue Leitung bei Teach the teachers

Seit Januar 2023 haben die Teach the teachers-Workshops des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung eine neues Leitungsteam: Dr. med. Andrea Meienberg, MME, Fachärztin für Allg. Innere Medizin und Kaderärztin am Universitätsspital Basel sowie PD Dr. med. Jan Breckwoldt, MME, FERC, Oberarzt meV am Institut für Anästhesiologie des Universitätsspitals Zürich und Mitglied der EPA-Kommission des SIWF.

Elf Jahre Teach the teachers-Workshops

Solide Didaktik und fundierte Führungsqualitäten für Ärztinnen und Ärzte, die Trainees im Studium und in der Weiterbildung unterrichten: Dies bieten die Teach the teachers-Workshop des Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF seit 2012, nach dem Vorbild und in erfolgreicher Zusammenarbeit mit dem Royal College of Physicians of London. Die Kurse waren von Beginn an stark nachgefragt, weshalb seit einigen Jahren auch Workshops auf Deutsch und Französisch unter der Leitung von Schweizer Instruktorinnen und Instruktoren durchgeführt werden; Kurse auf Italienisch sind in Planung. Auf Englisch gibt es zudem live gehaltene Teach the teachers-Kurse online. Weitere Informationen zu Teach the teachers: www.siwf.ch/siwf-projekte/cbme/teach-the-teachers.cfm
info[at]siwf.ch
1 Breckwoldt J, Brodmann Maeder M: Kompetenzbasierte Bildung – eine Einführung. Schweizerische Ärztezeitung 2022;103(6):170–173.
2 Albermann K, Frick S, Grünig P, Meienberg A: Bin ich eine gute Ärztin? Bin ich ein guter Arzt? Schweizerische Ärztezeitung 2022;103(8):238–241.