«Humor auch in schwierigen Momenten zulassen»
Auf den Punkt

«Humor auch in schwierigen Momenten zulassen»

News
Ausgabe
2023/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21681
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(13):6-7

Publiziert am 29.03.2023

Gute Laune Lachen ist die beste Medizin. Doch vor allem bei schwerer Krankheit erleben viele Menschen ein Gefühl von Traurigkeit. Das Team einer Arztpraxis oder Spitalabteilung kann die Stimmung verbessern. Wie man respektvoll Humor einsetzt und warum das so wichtig ist, erklärt Klaus Bally, langjähriger Hausarzt und Stiftungsrat der «Stiftung Humor und Gesundheit».
Klaus Bally, hat Humor in der Medizin überhaupt etwas zu suchen?
Krank sein kann belastend sein. Vor allem bei schwerer Krankheit erleben viele Menschen ein Gefühl von Traurigkeit; zugleich entwickeln sie aber Wege zum Umgang mit Krankheit und Trauer – hier kommt dem Humor als Bewältigungsstrategie eine wichtige Rolle zu.
Haben Sie in Ihrer Zeit als Hausarzt Humor bewusst als Hilfsmittel eingesetzt?
Bewusst oder geplant nicht. Aber ich versuchte, auch in schwierigen Momenten Humor zuzulassen und zu ermöglichen. Selbst bei schweren Krankheitszuständen und in belastenden Situationen gab es immer wieder Momente, in denen der Patient und ich plötzlich lachen mussten.
Erinnern Sie sich an ein typisches Erlebnis, bei dem Sie mit dem Patienten gelacht haben?
Ich klärte einmal einen Patienten ab, den eine neu aufgetretene Gedächtnisstörung sehr beunruhigte. Bei einem kurzen Test bat ich ihn, drei Wörter zu wiederholen und sie sich zu merken, da ich sie im späteren Verlauf der Untersuchung noch einmal erfragen würde: «Zitrone», «Tisch» und «Ball». Nach Abschluss der Untersuchung machte mich mein Patient darauf aufmerksam, dass ich vollständig vergessen hatte, die drei Wörter nochmals abzufragen. Er nannte sie absolut korrekt – und wir lachten.
Sie beide haben also über Sie, den Arzt, gelacht.
Ja – in diesem Fall führte das gemeinsame Lachen nicht nur zu Heiterkeit, sondern auch zu einem gegenseitigen Verständnis. Auf keinen Fall darf ein Arzt sich über einen kranken Menschen lustig machen. Ich glaube, Humor sollte man nicht erzwingen; sondern schauen, ob sich Situationen ergeben und diese dann nutzen.
Gute Laune wirkt ansteckend. Auch in einer Arztpraxis oder im Spital ist Humor ein wirksames Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation.
© Eddydegroot / Dreamstime
Gibt es Patientengruppen, bei denen Humor einfacher ist?
Das ist individuell sehr unterschiedlich. Als Hausarzt geniesse ich hier einen gewissen Vorteil, weil ich meine Patienten oft über Jahre kenne. Ich weiss, wer empfänglich ist für Augenblicke des Humors und wer besonders sensibel und verletzlich ist.
Gute Laune wirkt ansteckend. Wie wichtig ist es, dass das Team einer Arztpraxis oder einer Spitalabteilung selbst eine gute Stimmung verbreitet?
Das ist sehr wichtig – in der Arztpraxis, im Spital oder auch im Alters- und Pflegeheim. Im Team sollte eine Stimmung herrschen, die einen anständigen, taktvollen Humor zulässt, keinen respektlosen. Die Stiftung Humor und Gesundheit ist bestrebt, genau diese Art von Humor zu fördern, denn Humor ist ein wirksames Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die Stiftung unterstützt und finanziert daher auch Schulungen für ganze Teams in Alters- und Pflegeheimen. Das Ziel dieser Schulungen besteht darin, dass alle in der Institution tätigen Personen lernen, im Umgang miteinander und mit den Bewohnenden Situationen zu erkennen und zu nutzen, die Humor ermöglichen.
Was tut die Stiftung sonst noch?
Die Stiftung hat mit dem Theaterensemble «Hirntheater» Szenen für Pflegende und Angehörige von demenzbetroffenen Menschen in Alters- und Pflegeheimen erarbeitet. Dabei geht es darum, dass Pflegende und Angehörige in einem interaktiven Rahmen erkennen, wie es gelingen kann, Humor in der Bewältigung von schwierigen Situationen einzusetzen.
Manche Spitäler setzen auch auf sogenannte Begegnungsclowns.
Die Stiftung Humor und Gesundheit unterstützt Visiten von Begegnungsclowns bei Menschen mit Demenz in Alters- und Pflegeheimen. Ich habe selbst beobachtet, dass es Betroffenen nach solchen Humorstunden häufig sehr gut geht – wenn die Clowns das fein und subtil machen.
Es heisst, Lachen sei die beste Medizin. Weshalb ist Lachen für die Gesundheit gut?
Man spricht ja auch von heilsamem oder therapeutischem Humor. Allerdings gibt es bis heute wohl kaum eine Evidenz für die Wirkung von Humor und Lachen auf die Gesundheit. Aber ich glaube, gerade beim Humor haben auch Erfahrung und Erleben einen hohen Stellenwert. Wenn mir ein Heimleiter sagt, «Ich möchte, dass die Clowns wieder kommen, das war wirklich bereichernd für die Bewohnenden», ist das schon eine ganz wichtige Botschaft – und eine Motivation für die Stiftung, sich weiterhin für den Humor in Pflege und Behandlung zu engagieren.
Dr. med. Klaus Bally
Privatdozent Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel, von 1986 bis Ende 2018 Hausarzt in Basel. Stiftungsrat «Stiftung Humor und Gesundheit» www.stiftung-humor-und-gesundheit.ch